von Citröen-C1 » 07.05.2014, 13:35
Hallo Taschi,
auch ich möchte erwähnen, dass ich es sehr beneidenswert finde, wie Du Dich um Deinen Vater kümmerst und gerade in so einer Situation ist es wichtig, dass man Zusammenhält.
Für mich kamen viele Operationen (hatte 4 Operationen innerhalb 5 Monate darunter komplette Dickdarmentfernung + Ileostoma) und ohne den Halt von meiner Familie hätte ich das auch nicht durchgestanden wobei ich gerade erst 26 Jahre alt bin.
Bei mir ist auch nicht jeder Tag gold, habe auch immer wieder Tiefpunkte und gibt Tage,da verfluche ich mein Stoma,das kannste mir glauben. Aber an solchen Tagen ist meine Familie da und fängt mich auf. Auch Dein Vater ist Dir eines Tages dankbar, auch wenn er es viell. nicht äußert, aber man ist für jeden Menschen, der da ist bei so einem Schicksal froh, wenn jemand da ist.
Das alles ist noch frisch bei euch, das ganze ist erst paar Tage her, gebe Deinem Vater Zeit. Das ist das einzigste was Du tun kannst, Ihm Zeit geben und für Ihn da sein.
Mein Chirurg hat mir damals erzählt, dass ältere Menschen länger brauchen sich mit sowas abzufinden als jüngere auch ein Stück Wahrheit steckt dahinter wie ich finde.
Desinfektionsmittel am Stoma? das hab ich noch nie gehört! Mir wurde beigebracht mit warmen Wasser zu reinigen ohne irgendwelche Mittel.
Auch die Gattin, (nehme an, bist nicht gut auf Sie zu sprechen ist mein Eindruck) muss sich auch erstmal mit dem Schicksal abfinden und auch für Angehörige ist die Situation nicht einfach.
Man muss Dein Vater auch etwas verstehen...er war bestimmt immer selbständig und hat sein Leben lang gearbeitet und nun meint das Schicksal es so...Das alles braucht wirklich Zeit zu verarbeiten, sich damit abzufinden.
Wünsche alles Gute für Deine Familie
von Merlina » 07.05.2014, 21:32
Hallo Taschi,
Du fragst, ob man erst zuhause realisiert, was geschehen ist. Ja ich glaube das, weil dann erst deutlich wird wie sehr wir uns verändert haben und wie die Menschen in unserem Umfeld sind, wenn wir aus so einem Ausnahmezustand kommen.
Als ich in der AHB war, hatte ich den Eindruck, dass alle Neuankömmlinge erstmal tagelang gebeugt durch die Gänge zum Essen schlichen und mehr oder weniger mutig, traurig, irritiert und oft geschockt versuchten, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen.
Sie setzten sich mit den anderen Patienten zum Essen an die Tische, erzählten langsam was ihnen passiert war, fingen langsam an, die Therapien mitzumachen und richteten sich immer mehr auf, auch weil die OP-Narben heilten. Dann, nach zwei, drei Wochen waren sie in der Lage mit ihrer neu gewonnenen Kraft die wieder neu eingetroffenen Patienten zu unterstützen und konnten so das zurückgeben, was sie selbst in den ersten Tagen erfahren hatten.
Alle waren in den ersten Tagen mehr oder weniger in einer Art Schockzustand, weil sie so viele irritierende, schmerzhafte oder sogar entwürdigende Erfahrungen gemacht hatten. Die Diagnose, die OP, die Schmerzen, Schläuche in allen Öffnungen, ein veränderter Körper, mit Menschen umgeben sein, die man sich nicht ausgesucht hat......
Das ganze Leben ist plötzlich auf den Kopf gestellt und muß neu sortiert werden. Dafür braucht jeder unterschiedlich viel Zeit.
Für viele ist auch der Kontrollverlust ein großes Problem. Plötzlich entscheiden viele (manchmal auch vermeintlich) gut meinende Menschen über unser Leben und meinen zu wissen, was richtig für uns ist. Die Angehörigen sorgen sich und oft ist auch DAS schwer auszuhalten.
Ich konnte z.B. meine Familie gar nicht ertragen. Ich wollte nicht in sorgenvolle Gesichter sehen und deren Ängste und Traurigkeit auch noch aushalten. Ich hatte genug damit zu tun, mich zu regulieren und meine Fassung zu bewahren. Die Fassung zu bewahren, nicht anzufangen zu weinen, Zeit für sich zu haben, ist vielleicht in der ersten Zeit ein wichtiger Schutz, damit man sich selbst nicht verliert.
Wenn die "Gattin" Deines Vaters nun versucht, überall vorzuführen, dass Dein Vater wieder da ist, ist das möglicherweise ein gut gemeinter Versuch Normalität herzustellen und ihn zu stärken. Vermutlich fühlt sich Dein Vater aber eher wie unter einer Käseglocke und vielleicht fällt es ihm unglaublich schwer, die Fassade zu wahren.
Auch wenn der Tumor entfernt wurde, muß die "Gattin" realisieren, dass Dein Vater noch sehr krank ist und nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann.
Ich halte viel von der AHB, da ist man unter seinesgleichen, muß sich nicht mit den Erwartungen und Nöten der Familie auseinandersetzen, kann sich mit Betroffenen austauschen und manchmal sehen, dass es anderen noch schlechter geht.
Man "darf" krank sein und kann schlafen wann man will, muß nicht funktionieren, wird auf allen Ebenen gestärkt und versorgt. Und man bekommt Infos zum Umgang mit der Krankheit. Und wenn man anfangs unsicher ist, ob alles mit einem stimmt, hat man sofort jemanden, den man fragten kann.
Nach ein paar Wochen, wenn man stabiler ist, kann man auch wieder nach Außen gehen. Solange ist die AHB-Klinik wie ein Schutzraum.
Es ist wichtig, seine Würde und Selbstbestimmtheit wieder zu erlangen
Es ist wichtig, wieder die Kontrolle und Entscheidungsfähigkeit über sein Leben zurück zu bekommen.
Es ist wichtig zu lernen, die Verantwortung für seine Krankheit zu übernehmen.
Und es ist wichtig, sich mit Menschen zu umgeben, die einem gut tun und die nichts erwarten.
Manchmal ist vielleicht sogar gut, möglichst weit weg von seinem Zuhause zu sein, wenig Kontakt zu den Angehörigen zu haben, um frei zu sein von alten Mustern und Zwängen.
Die Psychologen sprechen von den 5 Phasen der Krankheitsbewältigung:
1. Schock/Verleugnung/Aufschrei (nicht wahrhaben wollen)
2. Aggression/Wut (in unserer Kultur weniger üblich)
3. Depression/Antriebslosigkeit
4. Verhandeln (andere Therapien, Auswege, wie gestalte ich was neu)
5. Akzeptanz/Kompromisse suchen
Das muß nicht vollständig und für jeden gelten, aber ich finde es doch ganz interessant und eine Überlegung wert. Jeder verarbeitet sein Leben und seine Erfahrungen auf seine spezielle Art und braucht dafür mehr oder weniger Zeit. Es ist auch möglich, dass die Angehörigen diese Phasen durchlaufen und z.B. schnell so tun, als wenn alles wieder gut ist.
Es ist toll, dass Du so für Deinen Vater da bist! Du kannst ihm nur Zeit lassen, ihn ermutigen Geduld zu haben und ihn fragen,was für ihn jetzt wichtig und richtig ist. Fragen ist wichtiger, als fehlplazierte Tips. Vielleicht weiss er auch tatsächlich gerade nicht, was er will oder fühlt. Dann frage ihn, ob Du für ihn entscheiden sollst.
Ich wäre manchmal ganz froh gewesen, wenn jemand einfach gesagt hätte, "komm, ich mach das jetzt für Dich", oder "ich komm gleich mit einer Suppe vorbei" (statt "soll ich etwas für Dich tun") weil ich manchmal so am Ende war, dass ich das eigentlich nicht mehr selbst konnte oder wollte.
Sorry, das ist jetzt etwas sehr viel geworden.
Ich wünsche Dir viel Glück und Kraft und Deinem Vater Vertrauen in seine Zukunft.
LG, Merlina
von Taschi » 08.05.2014, 13:03
Hallo Ihr Lieben,
danke für die vielen Mails und unterschiedlichen Meinungen.
Ich finde es großartig, dass IHR ALLE (die sich mir gegenüber geäußert haben) so offen und ehrlich seid.
Also....die "Gattin" meines Vaters ist meine Stiefmutter und KORREKT, mittlerweile bin ich nicht mehr gut auf sie zu sprechen. Ist ja auch wurscht! Die lasse ich links liegen..
Ich habe gestern ein ausfürliches Gespräch mit dem behandelnden Arzt meines Papa´s geführt und bin froh, dass dieser auch so ehrlich war und wir dieses Gespräch geführt haben.
- Ab sofort hat mein Papa eine Stomatherapeutin
- Er stellt sich zusätzlich weiter beim Arzt vor und ist innerhalb einer Woche
vom traumatisierten zum Akzeptierenden geworden ( wie "Melina" angedeutet, Danke.)
- Der Arzt spricht ihn nächste Woche auf eine AHB an -- diese muss nicht zwangsläufig nach dem Klinikaufenthalt erfolgen
- Er spricht mit ihm über die Folgen der Geschmackstrübung/-irritation
- Der Arzt ist zuversichtlich die 2 AP´s in 6-10 Monaten zurückverlegen zu können
Im Anschluß bin ich zu meinem Papa gefahren und da hats mich fast umgehauen wie "gut" er mittlerweile aussieht!! (6Tage nicht gesehen, da mein Sohn krank war und wir nicht rüber fahren wollten)
Er hat Farbe ins Gesicht bekommen, läuft schon fast aufrecht und hat sich riesig über den Quatsch gefreut, den mein Sohn gemacht hat.
Er meinte dann, er habe so Appetit auf Bratkartoffeln, dass seine Gattin ihm dann welche gemacht hat. Die Menge war nicht viel die er aß, aber so wohl er, als auch ich mussten so grinsen und ich hab ihm dabei gesagt, dass ich es so toll finde dass er Appetit hat und Freude am essen entwickelt.
Er sagte sogar, dass er vorgestern eine Honigmelone gegessen habe und die sogar schon SÜSS geschmeckt hat!!Ich hab gejubelt und ihm gesagt, dass das eine tolle Neuigkeit sei, weil es ab sofort bergauf mit den Geschmacksnerven geht und nicht immer alles salzig schmeckt! *juhu*
Haben uns dann auch über die (endlich) Stomatherapeutin unterhalten und wegen duschen und manchen Lebensmitteln, die nicht so gut geeignet sind wegen der Gase (Käse z.B. bereitet ihm Probleme) und er wusste NICHTS über die Dinge.
Kein Mensch hat ihn irgendwie aufgeklärt oder ihm gesagt an wen er sich wenden kann!
Deshalb bin ich so wahnsinnig dankbar für EURE Mails, Zusprüche, Meinungen, Tipps und Gefühle!!
DANKE DANKE DANKE an jeden Einzelnen!
Ich bin richtig zuversichtlich und ER auch!
Beim nächsten Besuch werde ich ihm mal dieses tolle Forum zeigen und ihm dadurch vielleicht noch etwas Mut machen, dass er auch nicht alleine ist.
Noch was interessantes: Er hat die Tage Besuch von einem Gast/guten Bekannten bekommen. Die kennen sich schon über 30Jahre und sind über 20Jahre in den Schützenverein gegangen und der erzählt meinem Papa, dass auch er, seit nunmehr 24Jahren einen Stoma hat (der leider nicht mehr zurückverlegt werden konnte). Mein Papa war wohl RICHTIG sprachlos!!
Da kennste den schon sooooo viele Jahre und weißt es nicht, weil mans ja auch nicht sieht und damit ja auch nicht hausieren geht aber das war unglaublich.
Hat meinem Papa auch umgehauen und das Gespräch blieb wohl auch nicht ohne !
Und ich denke, genau DAS Gespräch hat ihn (auch) zum umdenken gebracht.
Puh, sorry Leute, bissl viel gell?!? Aber ich musste es mir von der Seele schreiben
Danke und allen einen schönen Tag
Taschi
von Merlina » 11.05.2014, 20:02
Hallo Taschi,
das hört sich ja alles richtig gut an, was für eine Wendung!
Toll, dass Ihr beide so viel in Bewegung gesetzt habt! Hoffentlich findet Dein Vater eine gute und für ihn passende Rehaklinik.
LG, Merlina
von Börny » 11.05.2014, 20:29
Guten Abend .....
hört sich gut an und freut mich sehr.Er wird halt eine Weile noch brauchen,aber ich bin zuversichtlich,daß er damit klar kommt.
Ja,daß ist manchmal traurig wenn man sich schon so lange kennt,daß man eigentlich von dem anderen viel zu wenig kennt und weiß .Diese Situation hatte ich auch schonmal.Zwar nicht mit dem Stoma,aber so ähnliche Situation.
Über die eigenen Gefühle wird leider zu wenig geredet.es ist ja bei fast allen leuten die Welt voll in Ordnung....aber wenn man dann intensiver die Leute betrachtet oder auch mal genau zuhört dann
merkt man es.......Daß nicht bei allen die Sonne scheint.
Heute bei meiner Krankheit sehe ich das aus anderen Augen...Man wird viel feinfühliger....oftmals nachdenklich über andere Bezugspersonen wie Freunde,Familie etc.
Meine Güte,jetzt werde ich noch sentimental.Ich habe sehr gute und echte Freunde....Bin froh,daß ich mich in jeder Situation auf sie verlassen kann.Das selbe würde aber auch ich tuen + und ich mache es dann auch.
Wünsche Dir und besonders Deinem papa alles liebe erdenkliche Gute und viel Erfolg in der Reha.
Er soll sich eine schöne Klinik aussuchen,am besten am Wasser.....Ich selbst war damals in St. Peter-Ording und es war wunderbar schön....
Herzliche Grüße aus Hilden bei Düsseldorf Bernhard bin dann mal weg.....
von Taschi » 11.05.2014, 20:43
Hallo Merlina, hallo Björny,
vielen Dank lieb von Euch.
Ich bin gespannt ob er sich wirklich zu einer Reha durchringt...gut tun würde es ihm.
Am Freitag war ja die Stomatherapeutin das erste Mal da und es lief wohl nicht schlecht aber..
sie findet den Ausgand sehr eng und meinte, dass käme von der wenigen Nahrung, die mein Papa zu sich nimmt...
Echt? Kann das davon kommen?
Außerdem muss er jetzt "Astronautennahrung" zu sich nehmen, weil sie meint, er kommt sonst in einen Mangelzustand. Aber davon bin ich schon ausgegangen, weil er wirklich nicht viel isst.
Ist so als Zusatz sicher besser, vorübergehend.
Björny:
Wirklich echte Freunde sind so wichtig und Du (und man) kann sich glücklich schätzen sie an Deiner Seite zu haben.
Einen schönen Abend für euch alle
Lg Taschi
von Börny » 11.05.2014, 21:57
Hallo Taschi ,
Die Astronautennahrung, sicher die kleineren Plastikfläschchen können nicht schaden......
Sicher hat er auch etliche Kg durch seine Tortour verloren.......Eine Reha dient ja auch gleichzeitig zur Erholung....
Mit dem Ausgang da kann ich wirklich nicht sagen ob es von der Nahrungsaufnahme abhängig ist.Da bin ich überfragt.
von Trudi » 11.05.2014, 22:23
HalloTaschi!
Erstmal willkommen hier, toll, dass du dich so für deinen Dad einsetzt.. Und schön, dass es ihm jetzt besser geht.
Jetzt zu deiner Frage mit dem engen Spucklöchli:
Mein Freundti ist jetzt 7 Monate alt und hat nur noch einen Durchmesser von knapp 1cm. Ich hab im Laufe der Zeit - in der er immer enger wurde - schon Stomatanten, Chirurgen, meinen Gyn und die netten Leute hier im Forum damit genervt. Ich hab immer Angst, dass er zuwächst. Was wohl aber tatsächlich unmöglich ist. Stenose ja, aber zuwachsen is wohl nich.
Aaaaaalso: Mir haben alle gesagt und geschrieben, dass alles passt, solange er spuckt und dabei nichts wehtut. Und ich nicht das Gefühl hab, dass nicht alles rauskommt, was ich oben reinfülle.
Ich halte es jetzt so: Solange es so ist, wie oben beschrieben, bleibt Freundti wie er ist und es bastelt mir keiner dran rum. Er lässt sich händeln und gut is.
Eine Sache vergrößert sein Spuckloch immer: festerer Stuhl! Wenn ich im Chemozyklus leichte Verstopfung kriege, wird er erheblich größer, bei breiigem Stuhl oder sogar Durchfall geht es schön leicht für ihn und er macht zu.
Deshalb sorge ich immer für ein bissi festere Masse.
Alles Gute für euch und lasst euch nicht unterkriegen
Hallo Trudi,
schön zu lesen, dass Du endlich Frieden mit Deinem Freundti geschlossen hast. Er kann und wird nicht zuwachsen, egal was Du oben reinstopfst.
Sag mal Bescheid, wenn Du wieder in Berlin bist
LG
Hermon
von Trudi » 11.05.2014, 23:01
Hei Hermon,
danke dir, werd ich machen.
Freundti und ich müssen eh im Sommer nach Berlin.
Er liebt Motorradfahren! Da blubbert er höchst zufrieden vor sich hin - im Gleichtakt zum Sound meiner Maschine - rooooooaaaaaaar-brummm-blubbb!
Mach et jut!
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