von Kessel » 11.11.2015, 12:55
Hallo,
ich möchte mich als Neuling kurz vorstellen, ich bin ein Mann in zarten Alter von 48. Da ich nur mit lesen im Forum nicht weiterkomme, habe ich mich kurzerhand angemeldet, um mein Anliegen niederzuschreiben.
Im Jahr 2010 wurde bei mir Darmkrebs diagnostiziert, als Behandlung wurden dann eine Radiochemotherapie, die Rektumresektion, sowie eine abschließende Chemotherapie durchgeführt.
Im Rahmen der OP bekam ich ein Ileostoma zum Schutz der geklammerten Darmnaht.
Dieses Stoma sollte mich 1 Jahr und 3 Monate begleiten, da kurz nach der OP eine Anastomoseinsuffizienz der besagten Klammernaht festgestellt wurde, die ums Verrecken nicht verheilen wollte.
Im Jahr 2012 wurde dann das Stoma zurückverlegt, obwohl an der Naht noch immer eine Wundhöhle bestand und bis heute besteht.
Nach der RV ging es dann so weiter, wie es vor der OP aufgehört hatte. Viele unkontrollierbare, meist dünne Stuhlgänge, die ich bis heute trotz vieler Versuche (Beckenbodentraining, Biofeedbacktraining, versuchsweise Sakralnervenstimulation, Flohsamen, Loperamid, Mebeverin etc.) nur schwer bis garnicht in den Griff bekomme.
Der Alltag möchte halt geplant sein, am Besten nichts essen, solange wie man nicht zu Hause ist, was aber langfristig wohl auch keine Lösung darstellt.
In letzter Zeit kam als weitere Komplikation rektale Blutungen hinzu, als deren Ursache nach mehreren Untersuchungen eine Entzündung der alten Darmnaht festgestellt wurde. Aufgrund dieser Diagnose bekam ich Salofalk Granulat und Antibiotikum verabreicht, welche die Beschwerden zwar verringerten, aber nicht vollständig beseitigten.
Nach einem Gespräch mit meinem Hausarzt kam er zu dem Entschluss, dass ein Colostoma meine Situation verbessern würde, damit die Entzündung in Ruhe ausheilen kann. Da der OP-Termin naht, wollte ich halt horchen, ob es hier jemanden gibt, der bei gleicher oder ähnlicher Vorgeschichte vor der selben Entscheidung stand oder steht.
Aufgrund meiner Geschichte weiß ich wohl, dass ein Stoma neben den unschönen Aspekten auch Vorteile mit sich bringt.
Es wäre halt prima wenn ich den letzten Schubser hin zur richtigen Entscheidung bekomme.
Ich bedanke für die Aufmerksamkeit
Kessel
von TiBoe » 11.11.2015, 13:14
Hi Kessel,
erst einmal ein herzliches im Forum.
Ich habe ein Colostoma, mit dem richtigen Sitz kannst Du unbeschwert Deinen Tätigkeiten nachgehen.
Über die Ernährung kannst Du zu einer regelmäßigen Verdauung kommen. Bei mir einmal am Morgen, dann ist für den ganzen Tag Ruhe. Es sei denn ich esse was Tomatiges oder Bohnenähnliches. Ich habe keinerlei Einschränkungen, abends gegen acht Uhr esse zu Abend mit Vollkornbrot und Salat.
Ansonsten ist das eine Sache des Ausprobierens, was Du nicht verträgst, streichst Du von Deiner Liste.
Bei dem Sitz Deines Stomas solltest Du darauf achten, in welcher Höhe es angebracht ist. Bei mir liegt es in Bauchnabelhöhe, ich komme gut damit klar.
Gruß
Tine
von Börgi » 11.11.2015, 14:18
Grüß Dich Kessel,
willkommen bei uns!!!
Das ist ja gar nicht schön zu lesen, was Du so alles durch machst!!
So wie Du Deinen Alltag und Deinen Gesundheitszustand beschreibst, artet das ja in permanenten Stress aus.
Wenn Du kaum eine ruhige Minute hast, mit Angst aus dem Haus gehst und ständig Gast auf der Keramik bist, ist die Entscheidung für ein Colostoma richtig. Zumal Du auch noch mit der Darmentzündung zu kämpfen hast!
Wenn Deine Entzündungen ausgeheilt sind, besteht wohl doch die Möglichkeit einer erneuten RV oder lieg ich da falsch??
Bei mir war der ganze Dickdarm entzündet und durch die Stenose, ist der Stuhl nur noch Bleistiftdünn unter Schmerzen raus gekommen. Daher hab ich mich total entnervt und geschafft für die Empfehlung der Ärzte eines Colonstomas entschieden. Heute 5Jahre später, bin ich wieder beutellos, Dickdarmlos und glücklich, das es langsam wieder in die "Normalität" geht, wenn man das bei mir so sagen kann.
Die Entscheidung für oder gegen die Stoma-OP, liegt allein bei Dir. Du entscheidest, ob Du dem Leidensdruck noch gewachsen bist oder Dir und Deinem Bauch eine Ruhepause gönnst.
Ich wünsche Dir Alles Gute und das Du die richtige Entscheidung für Dich triffst!!!
Liebe Grüße von Börgi!!!!
von Kessel » 11.11.2015, 19:46
Hallo ihr Beiden,
@TiBoe: Erstmal vielen Dank für die Antworten. Was die Sache mit der richtigen Position angeht, es scheint wohl eines der wichtigsten Gründe zu sein, dass man sein Stoma auch akzeptiert. Mein damaliges Ileostoma war derart ungünstig an der Gürtellinie platziert, sodass immer was direkt auf dem "Ausgang" saß. Also Punkt 1 der ToDo-Liste.
Das mir der Ernährung ist halt auch sehr wichtig, das muss ich dann halt testen, also Punkt 2.
@Börgi: Ja richtig, es ist eigentlich angedacht, dass das Stoma irgendwann zurückverlegt wird. Aber du hast recht, man muss letztendlich selber wissen, wann es genug ist, aber es ist dabei auch hilfreich, sich mal mit Betroffenen auszutauschen, da diese die gleiche Sprache sprechen. Also auf sich selber hören, das wäre dann Punkt 3 der ToDo-Liste.
Vielen Dank euch Beiden
Kessel
von Carstilein » 12.11.2015, 09:03
Hallo Kessel,
ich finde deine Entscheidung wirklich sehr bemerkenswert!
So wie du den jetzigen Zustand beschreibst, ist ein Stoma wirklich die bessere Lösung.
Ich selbst habe auch ein Colostoma und komme zu 99,9999% sehr gut damit zurecht.
Alles Wichtige wurde von meinen Vorrednern schon geschrieben. Der Sitz ist wichtig
und mit dem Essen sollte man einfach ausprobieren, was man verträgt und was nicht.
Ich habe meines jetzt schon seit 4 1/2 Jahren und könnte es auch schon längst zurück
verlagern lassen. Aber mir geht es soweit ganz gut und daher nehme ich lieber den
treuen Kameraden in Kauf, als eine unnötig erzwungene Komplikation durch eine OP.
Davon habe ich nämlich schon genug...
Viele Nicht-Stomis denken ja, dass davon die Welt untergeht.
Dass aber gerade ein Stoma auch die Lebensqualität deutlich verbessern kann,
wissen leider nur die wenigsten.
Wünsche dir alles Gute und eine schnelle Genesung!
von Kessel » 12.11.2015, 21:17
Hallo Carstilein,
siehste, genau das brauchte ich jetzt mal. Jemand, der weiß wovon er redet und mich in meinem Entschluss bestärkt.
Das Problem ist halt, dass sich mittlerweile viele geänderte Verhaltensweisen in den Alltag "eingeschlichen" haben, die keineswegs normal sind. Man hat mittlerweile verdrängt, das fast alles was man macht, eigentlich weder gesund noch richtig ist.
Ich denke nach OP lebt man dann wohl doch besser und über eine evtl. RV mach ich mir bestimmt nicht so schnell Gedanken, wenn ich auch die 99,9999 % schaffe.
Danke für deine Antwort
Kessel
von Claudi_W1962 » 16.11.2015, 15:22
Hallo Kessel,
von mir auch ein herzliches Willkommen. Deine Situation erinnert mich an meine, leider. Nach der Rückverlegung des Ileostomas bei mir konnte ich den Stuhl nicht mehr halten. Die meiste Zeit des Tages habe ich auf Toilette verbracht, an einen entspannten Einkaufsbummel war nicht mehr zu denken. Ich habe ebenfalls alle Versuche unternommen, um das irgendwie in den Griff zu bekommen, in gleicher Reihenfolge wie bei dir. Es hat leider nicht geholfen. Nach einem langen Gespräch mit meinem Onkologen und dem Chirurgen, der mich operiert hatte, war klar, das sich an diesem Zustand nichts ändern würde (Inkontinenzgrad 2-3). Mir wurde empfohlen, ein endständiges Colostoma zu legen. Nach vielen schlaflosen Nächten und Gesprächen mit meiner Familie habe ich mich zu dem Schritt, ein Colostoma legen zu lassen, entschieden. Das war vor 2,5 Jahren und ich habe es nicht bereut. Ich kann wieder am Leben teilnehmen. Ich wünsche dir ganz viel Kraft, du schaffst das LG Claudi
von Kessel » 16.11.2015, 21:56
Hallo Claudi,
danke für deine Worte. Ich denke auch, dass man in einer solchen Lage mit einem Stoma wohl besser bedient ist. Da seit der Rückverlegung mittlerweile ca. 3,5 Jahre vergangen sind, glaube ich auch nicht mehr an eine Änderung der Situation.
Also ist es nun an der Zeit "Nägel mit Köpfen" zu machen und eine langfristige "Lösung" zu finden. Ich denke in ein paar Wochen werde ich schlauer sein, ob ich mich richtig entschieden habe.
Aber die Zeit wird es zeigen....
Viele Grüße
Kessel
von Kessel » 10.12.2015, 00:10
Es ist geschafft!
Seit einer Woche bin ich nach 3 Jahren Pause wieder ein "Beuteltier". Dank eines Chirurgen mit Durchblick ist die OP sehr gut verlaufen, das Colostoma sitzt am richtigen Platz und hat von Anfang an kooperiert, was ja auch keine Selbstverständlichkeit ist.
Der "Sicherheitsfaktor" im Alltag steigt langsam wieder, da es keine Ortsbindung mehr gibt. Meine anfängliche Skepsis weicht von Tag zu Tag dem Optimismus .
Mein Neustart mit dem Colostoma gibt mir mehr Sicherheit, als es mir Loperamid und der ganze andere Rest jemals geben konnten.
Ich möchte mich nochmals für eure Antworten bedanken und auch denjenigen Mut machen die irgendwann auch mal vor einer ähnlichen Entscheidung stehen mögen.
Viele Grüße an Alle
Kessel
von TiBoe » 10.12.2015, 11:01
Hi Kessel,
Glückwunsch!
Das freut mich für Dich.
Lieben Gruß
Tine
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