von heinz001 » 09.01.2019, 20:24
Hallo Beatrixi,
meine Rückverlegung ist relativ spät erfolgt, weil die OP-Wunde im unte-ren Bereich sehr langsam geheilt ist. Nach der endgültigen Heilung fand noch eine nachsorgende Chemo statt, die verhindern sollte, dass sich evtl. noch vorhandene Krebszellen vermehrten und sich keine neuen bilden sollten. Da aber nach einer Rückverlegung die Bildung neuer Zellen wegen der Heilung der RV-Wunde erforderlich ist, vertragen sich Wundheilung und Chemo nicht. Das nur am Rande.
Was kommt auf Dich zu? Auch bei mir waren die Infos seitens der Klinik gleich Null. Da bei Dir wie auch bei mir der Mastdarm komplett entfernt worden ist, fehlen uns beiden der innere Schließmuskel. Er sorgt dafür, dass der Stuhl sich im Mastdarm sammelt. Wenn die Ausbeulung des Mastdarms voll ist, öffnet sich der innere Schließmuskel automatisch. Das können wir nicht steuern. Der Stuhl wandert dann weiter Richtung After und wir empfinden wie bekannt Stuhldrang. Ein gesunder Mensch kann diesem Drang (auch wie bekannt) eine Zeitlang widerstehen, also den Stuhl anhalten.
Hier setzt bei Menschen ohne Mastdarm ein großes Problem ein. Da der Mastdarm mit seiner „Speicherbeule“ (geht nach hinten raus, deshalb sieht man sie auf den schematischen Darstellungen nicht und meint , der Enddarm sei mehr oder weniger gerade), fehlt, steht der Stuhl nach Ein-tritt in den Mastdarm (auch Rektum genannt), das sind die letzten ca. 20 cm vor dem After) wie eine Säule auf dem äußeren Schließmuskel und will raus. Wenn der Stuhl aus dem Mastdarmspeicher kommt, macht er das so wohldosiert, dass der äußere Schließmuskel ihn noch eine Zeitlang zurückhalten kann. Wenn Mastdarm und innerer Schließmuskel nicht mehr da sind, kann der Stuhl sturzartig oder langsam oder häppchenweise auf den After treffen. Bei „sturzartig“ hast Du keine Chance, alles geht in die Hose. Bei „langsam“ hält der äußere Schließmuskel noch ein paar Minuten, aber Du machst dich schon, mal langsamer, mal schneller, auf den Weg, meistens schaffst Du es, aber auch nicht immer. Bei „häppchenweise“ läufst du ständig hin und her und traust Dich nicht aus dem Haus; auch darüber berichten Forumsmitglieder, wie du bestimmt schon gelesen hast.
All das habe ich nicht gewusst, als ich mich für die Rückverlegung ent-schieden habe. Was ich bisher geschrieben habe und noch weiter schrei-ben werde, sind meine ganz persönlichen Erfahrungen. Es kann besser ablaufen, aber ach schlechter. Auf jeden Fall wird es nicht so sein wie vor der OP. Jetzt geht’s weiter, fast wie zu einem Happy End. Man muss sich eine Trickkiste zusammenstellen, in die man bei Bedarf greift.
Nach meiner OP habe ich mich völlig ahnungslos ins Bett gelegt bzw. ich lag ja schon in einem Bett. In der ersten Nacht habe ich mich und das Bett komplett vollgesaut (s. o.). Dann habe ich die Pfleger nach Einlagen gefragt. Was vorrätig war, war viel zu klein und ungeeignet. Entsprechend hatte sich nichts gebessert. Dann kam ich auf Gedanken, dass die Einlagen ja auch gehalten bzw. befestigt werden müssen. Ich habe daraufhin nach „Schutzhose“ gefragt. Sie hatten nur Erwachsenenpampers da, also musste ich es damit versuchen. Die Dinger sind wie bei Babys seitlich offen und müssen per Klettband verschlossen werden. Ohne Hilfe bekam ich nicht hin, dass sie fest saßen, das müssen sie aber! Um einigermaßen selbstständig zu sein. Du bist ja jetzt zu Hause und kannst Dich mit erstklassigen Hilfsmitteln in einem Sanitätshaus auf Rezept eindecken.
Die Pants sind so genannte „Schutzhosen“, die Comfort Normal sind ergo-nomisch geformt Einlagen. Vielleicht brauchst Du beides oder hoffentlich beides nicht. Aber da Du, wenn es ernst wird, im Krankenhaus bist, wür-de ich mir beides verschreiben lassen. Über Größe und Dicke informiert Dich das Sanitätshaus ausführlich. Mit ganz viel Glück brauchst du beides nicht und Dir reichen dünne Einlagen.
Mit diesen Hilfsmitteln kommst Du auf jeden Fall erst mal gut und sicher nach Hause. Am 31.07.2018 habe ich einen Brief in diesem Forum ge-schrieben. Wenn ich jetzt wie oben weiter schreiben würde, ergäben sich viele Wiederholungen. Lies Dir also gerne meine früheren Ausführungen durch.
Eine nicht ganz so schöne Anmerkung zum Schluss: Weil der Mastdarm als Zwischenspeicher fehlt und auch der innere Schließmuskel, kann sich nach meiner Auffassung und Erfahrung der alte Zustand nicht wieder ergeben. Wir sind vermutlich den Rest unseres Lebens ein wenig gehandicapt und müssen es so einrichten, dass wir mit den Hilfsmitteln in unserer jeweiligen Trickkiste zurechtkommen. Du kannst übrigens alles, was Du vorher vertragen hast, weiterhin essen. Da haben wir keine Einschränkungen. Noch etwas: Hoffentlich kann auch der Dickdarm mit seinen insgesamt etwa fünf Metern Länge (Angabe eines Mitpatienten in der Reha, dem wegen eines sehr seltenen Virusbefalls der gesamte Dickdarm entfernt werden musste; er war auf voller Länge porös geworden) den Mastdarm ganz oder zum Teil ausgleichen. Du bist Schauspielerin und kannst Dir nicht wie ich als Rentner Deine Zeit frei einteilen. Mir fallen da folgende Möglichkeiten ein: 1. Die Zeitpunkte finden, wann Du essen kannst und wann Du aufs Klo musst. 2. Den Enddarm mit 2-3 Teelöffeln in Wasser gelöstem Glaubersalz leeren und bis kurz vor der Vorstellung nichts mehr essen. Glaubersalz wirkt schnell und radikal und spült wahrscheinlich auch eine Menge Elektrolyten (Darmflora?) aus. Gesünder ist sicherlich Macrogol + Elektrolyte von Hexal. 3. Lass dir auch vom Hausarzt oder Proktologen Anal-Tampons verschreiben, da du ja auf Kommando auf die Bühne musst, bist Du vielleicht darauf angewiesen. Es gibt sie von Coloplast (Peristeen) und von Prolife. Beide versenden kostenlose Proben. Kann man sich verschreiben lassen, zahlt die Kasse.
Leider kannst Du den Dickdarm nicht aktiv „anlernen“ wie Du schreibst. Das dauert ………, stelle Dich mal auf drei Jahre ein. Deswegen bin ich in meinem ersten Schreiben auch so ausführlich auf die „Trickkiste“ einge-gangen.
So, jetzt hoffe ich, einige Unklarheiten beseitigt zu haben. Aber ich habe dir bestimmt auch hier und da Illusionen genommen und dir vielleicht Angst eingejagt. Erkundige Dich weiterhin. Ich kann mit meiner Rückver-legung und meiner Trickkiste ganz gut leben. Gott sei Dank habe (hatte) ich „nur“ Darmkrebs. Mein Bruder (68 Jahre, voll im Saft) ist vor kurzem an Rippenfellkrebs erkrankt. Das ist hart und wird ihm noch schwer zu schaffen machen. Er durchläuft z. Z. eine Chemo und wird dann operiert. Ich wusste gar nicht, dass es einen solchen Krebs gibt. Der ist extrem selten und befällt vorwiegend Männer, die vor 30 – 50 Jahren mit Asbest gearbeitet haben. Er hat als Landwirt einige Ställe mit Asbestdächern (Bakelit) versehen. Das war’s aber auch schon.
Werde bald wieder gesund und alles Liebe aus Düsseldorf
Heinz
PS:
Rufe doch mal die folgenden Seiten auf. Da wird leicht verständlich über den Enddarm geschrieben.
https://www.netdoktor.de/anatomie/rektum/
http://www.prokt.de/proktologie/kontinenzorgan/
von heinz001 » 07.03.2019, 17:47
Das Folgende soll keine Antwort sein, sondern ein kurzer weiterer Beitrag.
An alle Mastdarmamputierten!
Liebe Leute, die Ärzte (bei mir ein sehr lieber und kompetenter Professor) erzählen uns gerne, dass die Speicherfunktion vom verbliebenen Enddarm übernommen wird. Falls dieser komplett wegoperiert wurde, erzählen sie, ohne rot zu werden, der Dickdarm würde die Speicherung übernehmen. Es sei alles nur eine Frage der Zeit. Geduld, Geduld, Geduld,……………. Alles Unsinn!!! Wenn ein Bein amputiert worden ist, wächst keins nach. Und wenn der innere Schließmuskel und der Mastdarmspeicher amputiert worden sind, wachsen beide ebenfalls nicht nach. Der Dick-und der Enddarm sind offen bzw. frei und der Stuhl wandert ungehindert zum äußeren Schließmuskel, sprich After, und man MUSS!
Das ist aber gar nicht so schlimm, denn es gibt ausreichend Hilfsmittel und Medikamente, um damit fertig zu werden. Wie ich das handhabe, habe ich in zwei vorangegangenen Beiträgen ausführlich erläutert. Der Krankenschwester, die meiner Nachsorgeprofessorin zur Hand geht, habe ich gestern den Sachverhalt wie oben beschrieben dargelegt und sie sagte, ja, so sei das, aber es gebe ja inzwischen genügend Hilfsmittel, um damit zurecht zu kommen. Fragt also nicht die Ärzte und auch nicht die Pflegerinnen, die kennen sich damit nicht aus. Fragt erfahrene Krankenschwestern aus der Gastroenterologie, die kennen die Praxis.
Euer Heinz
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