von Yosie » 07.01.2010, 14:18
Hallo,
da meist ja nur der kurze Zeitraum nach einer RV beleuchtet wird, wenn alle Probleme noch frisch sind, möchte ich mal ein längerfristiges Resümee ziehen. Ich hoffe es ist euch nicht zu lang und zu detailreich, aber vielleicht hilft es ja jemandem.
Ich hatte meine RV Ende November 2008, nachdem ich etwa ein halbes Jahr ein Stoma wegen Rektum Ca hatte. Ich habe also kein Rektum mehr, aber dafür einen Dickdarmpouch. Ob der nun gut war oder nicht, kann ich nicht beurteilen, ich kenne ja nur die Situation.
Anfangs war es wie bei den meisten... Auf der Toilette sass ich fast so häufig wie auf einem Stuhl. Der Stuhldrang trat fast alle 10 - 15 min. auf, wie ein kleiner Krampf quasi, aber es kam nicht wirklich viel, oder auch gar nichts. Ich ging natürlich nicht bei jedem Krampf zur Toilette sondern versuchte auch zwischendurch immer einzuhalten, wollte den Darm ja auch dehnen. Es war als sei im Darm viel Stuhlgang, aber es fehlte die Kraft ihn hinaus zu befördern. Glücklicherweise habe ich eine unempfindliche Haut und war in der Zeit kaum wund.
In Folge des Staus hatte ich trotz eigentlich gutem Schließmuskels immer nach dem Schlafen einen leicht verschmutzten Po. Das hat mir vor allem psychisch sehr zugesetzt, ich fand das irgendwie ekelig und war enttäuscht, dass mein Körper mich so im Stich lässt.
Gespräche mit meiner Proktologin ergaben, dass es also eine Lösung geben muss sich leichter zu entleeren. Dieses ekelige Movikol half nicht wirklich. Der Versuch mit Abführzäpfchen half zwar mit anschließenden 2 stuhlgangfreien Tagen, war aber teuer erkauft mit Durchfall und 4 Stunden Bauchkrämpfen. Also auch keine Dauerlösung. Ich wollte eh nicht von Abführmitteln abhängig sein.
Ich war so weit irrigieren zu wollen, um den rest des tages Ruhe zu haben, aber das wollte meine Ärztin noch nicht.
Ernährungsmäßige Experimente erbrachten zunächst auch nicht viel, weil der Darm immer mal anders reagierte. Es kristallisierte sich nur heraus, dass ich Fett nicht gut vertrug, und der Darm auch Fleisch nicht mehr so mag. Salat darf ab und an mal sein, aber nicht täglich in großen Mengen.
Nach ca. vier Monaten hatte sich der Darm etwas beruhigt, aber nach wie vor viel zu viel Toilettengänge. Immer noch zwischen 12 und 20 am Tag. Wobei es meist so Spitzenzeiten gab, ich ging also innerhalb von 1 - 2 Stunden zig mal, dann war der Darm leer und gab erst mal einige Stunden Ruhe. Dass er wieder aktiv wurde, kündigte sich auch dann durch viele Blähungen an, die kaum zu halten waren. (War ich froh, da noch nicht arbeiten zu müssen)
In der Reha im März 2009 bekam ich noch ein paar Tipps und die Empfehlung Benefiber als Nahrungsergänzung zu verwenden, das half etwas, aber nicht entscheidend.
Inzwischen merkte ich aber auch dass ich mich langsam an die veränderten Umstände gewöhnen konnte und es gewissen Rhytmen gab. Es gab gute Tage mit ca. 7 Gängen, und schlechte mit etwa 20.
Ich merkte wenn den Darm irgendetwas aus dem Gleichgewicht brachte, konnte ich davon ausgehen, dass er eine Weile gekränkt blieb. Also nicht nur ein schlechter Tag sondern 7 oder 10. Oft lies er sich dann nur mit Hilfe von Loperamid überreden, die oben genannten Krämpfe einzustellen. Denn wenn er einmal beleidigt war, krampfte er weiter, auch wenn er quasi leer war.
Wirkliche Hilfe brachte mir dann im Sommer ein Tipp hier im Forum mit Mucofalk. Zuerst selbst gekauft, konnte ich inzwischen sogar meinen Arzt überzeugen es mir zu verschreiben. Zum erstem mal konnte ich wieder größere Mengen entleeren. Irgendwie "flutschte" es quasi besser durch die Flohsamen. So wurden die Toilettengänge noch seltener.
Weiterhin gab es aber gute und schlechte Tage, wobei die guten langsam die Oberhand bekamen. Ich schöpfte Hoffnung. Ich fing im Mai wieder an zu arbeiten. Vielleicht spielte das auch eine Rolle, die nicht mehr Konzentration auf das Problem.
Im Oktober/ November wurden die Blähungen entscheidend weniger. Zum Glück. Wobei ich sie im Büro sitzend, immer gut unterdrücken konnte. Sie kündigen immer noch einige Stunden nach Mahlzeiten an, dass alles im Darm angekommen ist, aber kein Vergleich zu früher.
Aktuell gehe ich an guten Tagen 1 - 3 mal, es gibt auch Tage wo ich gar nicht gehe. Das sind dann die Belohnungstage für meist schlechte Tage vorher. Schlechte Tage definiere ich heute mit 5 - 10 mal.
Mein Darm hat mich Geduld gelehrt. Wie früher hinsetzen, sein Geschäft erledigen und fertig geht nicht mehr. Wenn ich dann gleich aufspringe, laufe ich garantiert in einer Viertelstunde wieder. Am besten klappt momentan, bei Stuhldrang SOFORT die Toilette aufsuchen, lässt der Drang nach einer Minute nach, und ich bin erst dann auf der Toilette, geht erst mal kaum noch was. Versuche ich dann etwas zu pressen, kommt nur wenig und ich muss dann kurze Zeit später wieder. Bleibe ich geduldig sitzen, kommt dieser Krampf in einigen Minuten wieder. Da mein Darm allein die Kraft nicht hat, presse ich dabei ein wenig mit und kann mich bestens entleeren.
Mukofalk nehme ich nach wie vor, nicht mehr so ganz regelmäßig, aber wenn ich es ganz weg lasse, bekomme ich jenachdem was ich esse, wieder diese Entleerungsschwierigkeiten und in Folge dessen auch schon mal die ein oder andere Nacht mit leicht verschmutzer Pofalte.
Beachte ich die Dinge die ich inzwischen gelernt habe, geht es mir gut. Schlage ich über die Stränge, kann ich inzwischen damit auch gut umgehen, denn ich weiß es geht wieder vorbei.
Mein Fazit: Mit dem Darm und seinen Problemen leben, sie annehmen, aber ihnen auch nicht zuviel Raum im Kopf geben. Wenn es mir gut geht, geht es meinem Darm auch meistens ganz gut.
Ich hoffe alle kurz Rückverlegten können nach einem Jahr auch ein positives Resümee ziehen.
Yosie
von mini62 » 07.01.2010, 14:39
Wow Yosie,
ein toller Bericht, der bestimmt vielen Mut macht!!!
Besonders schön finde ich, dass sich auch die "erfolgreichen" RVler vermehrt zu Wort melden und so diejenigen unterstützen, die die RV noch vor oder gerade hinter sich haben.
Dir weiterhin alles Gute
LG Petra
von dschaja » 07.01.2010, 15:24
Hallo Yosie! Ich habe meine RV noch vor mir. Sag' mal, was ist denn ein Dickdarmpouch? Aus dem Dickdarm geformte Tasche? Ich habe ja keinen Dickdarm mehr ( naja noch den Schließmuskel),sondern nun einen Dünndarmpouch, der hoffentlich auch bald gute Arbeit leistet....Schön, das es nach solanger Geduld klappt!!!!LG Sandra
von hope » 07.01.2010, 21:23
Huhu liebe Yosie!
Danke für den tollen Bericht! Ich habe mich in vielem wiedererkannt.
Vor allem finde ich, daß man ganz klar sagen muß, daß entscheidend die eigene Einstellung zur RV ist, die sich aber entwickelen muß. Am Anfang ist man skeptisch und auch ängstlich, aber dann meistert man jeden Tag, was soll man sonst auch tun? Und es kommen immer mehr "gute" Tage, auf die kann man dann aufbauen, wenn es mal wieder einen schlechten Tag gibt, nicht wahr?
Bei mir ist allerdings (meine RV ist fast 1 Jahr her) noch der Verdacht auf eine Laktoseintoleranz, was das Essen schwieriger macht. Aber ich lerne;)
Laß es Dir gut gehen:))))
von Meta » 07.01.2010, 23:04
Hallo Yosie,
Schön zu lesen,dass es dir jetzt gut geht.
Dein Bericht zeigt auch wieder,dass in einigen
Fällen wirklich sehr wichtig ist viel Geduld zu haben
auch wenn es schwer fällt.
Zitat Yosie:
Ich fing im Mai wieder an zu arbeiten. Vielleicht spielte das auch eine Rolle, die nicht mehr Konzentration auf das Problem.
von Yosie » 08.01.2010, 00:51
Dschaja, mein Pouch ist ein sogenannter J-Pouch, aus dem letztem Stück Dickdarm wird als Rektumersatz ein J geformt.
Hope, bei dir ist das doch auch so, wenn ich mich recht erinnere?
Ihr habt Recht, die Geduld war am Anfang wirklich das Schwerste. Am Anfang steht man vor einem großen Berg und weiß nicht wie man ihn bezwingen soll, entsprechend groß ist die Angst. Nachdem ich doch nun schon ein gutes Stück geschafft habe, kann ich das Ganze gelassener sehen, da die Situation nicht mehr so fremd und angstvoll ist.
Jetzt weiß ich dass nach einem schlechten Tag auch wieder gute kommen, Anfangs verzweifelt man eben gerade an diesen Dingen und denkt das hört nie auf.
von Jovako » 08.01.2010, 09:19
mini62 hat geschrieben:Wow Yosie,
ein toller Bericht, der bestimmt vielen Mut macht!!!
Besonders schön finde ich, dass sich auch die "erfolgreichen" RVler vermehrt zu Wort melden und so diejenigen unterstützen, die die RV noch vor oder gerade hinter sich haben.
Dir weiterhin alles Gute
LG Petra
von hope » 08.01.2010, 16:56
Huhu liebe Yosie!
Ja, genau, ich habe auch so einen J-Pouch. Aber auch ich kann nicht sagen, ob der was bringt, kenne es ja nicht anders seit der OP;)
Sei mal lieb geknuddelt
von hope » 13.01.2010, 15:36
Huhu Yosie!
Ich noch mal;)
Nun habe ich auch Mukofalk Orange hier vor mir stehen. Habe aber gerade gesehen, daß man das nicht mit Schilddrüsenhormonen nehmen darf,ohne den Arzt vorher zu fragen. Grmpf. Werde das morgen abklären.
Was ich Dich aber fragen wollte: Hast Du zunächst immer 2 bis 3 Tütchen am Tag genommen? Ich würde nur mit einem beginnen und mal schauen, wie ich das vertrage. Oder?
Von einer lieben Freundin habe ich erfahren, daß man so einen Stuhltest machen lassen kann, was diese erschwerte Fettverarbeitung betrifft. Das hängt wohl mit den Enzymen oder so der Pankreas zusammen. Wenn Du Interesse hast, kann ich nochmal konkret nachfragen, ja?
Knuddel´Dich
von Mirjam » 22.01.2010, 19:46
Hallo Yosie,
erstmals danke für Deinen Bericht, denn nun weiß ich ja was auf mich zukommen kann.
Meine RV war am 21.12.09 und die OP ging problemlos vorüber. Im Mai letzten Jahres mußte ich wegen mehrerer Tumoren im Bauch operiert werden und ein 12 cm Dickdarm wurde dabei entfernt. Das Ilu-Stoma hatte ich also sieben Monate, zwischenzeitlich hatte ich einen Prolaps (Vorfall) bekommen und hatte Versorgungsschwierigkeiten. Der Schritt zur OP war notwendig geworden, für mich sehr erfreulich, denn das Stoma konnte ich nur schlecht akzeptieren.
In der Klinik wurde ich schon vorgewarnt, dass ich ca. ein halbes Jahr Schwierigkeiten mit dem Stuhlgang bekommen werde. Was da genau sein wird, darüber hat man mich wieder nicht aufgeklärt. Da ich mich schon früher mit gesunder Ernährungslehre befasst habe, war ich also doch schon etwas beruhigter und wartete die Dinge mal ab. Die Voruntersuchung im Darm war nicht schlimm, es dauert wirklich nur 3 Minuten und ist auszuhalten.
Nach der OP wurde erst drei Tage lang ein Kostaufbau mit Joghurt und Milchbakterien (Päckchen)Weißbrot und Kamillentee gestartet. Bereits am zweiten Tag kamen die Winde und am dritten Tag hatte ich erstmal wieder richtigen kleinen Stuhlgang. Es funktionierte also ) Es gab am nächsten Tag bereits Vollkost: Suppe, Hirchkeule, Kartoffeln und Salat. Mich wunderte es, dass es gleich so deftig sein mußte. Am selben Tag brach in der Abteilung der Novo-Virus aus, das ist ein Brech-Durchfallvirus, der mich prompt erwischte. 32 Stunden lang hatte ich Durchfall und Erbrechen, die ganze Nacht kein Auge zugetan. Aber auch diese erste Belastungsprobe habe ich überstanden.
Zuhause war ich noch vorsichtig mit der Ernährung. Zum Frühstück esse ich gewöhnlich ein selbsthergestelltes Müsli aus 1 kl. Apfel gerieben, 3 EL Haferflocken, 1 EL Hirseflocken, 1 EL Flohsamen und fettarme Milch. Dazu trinke ich Kamillentee. Kaffee oder schwarzen Tee vertrage ich noch nicht, da wird der Darm zu sehr angeregt. Mein Mittagessen besteht hauptsächlich aus gesunden Kohlenhydraten, also Nudeln, Reis, Pellkartoffeln mit leichtem Gemüse (Karotten, Fenchel, Zucchini) dazu weißes Fleisch (Hähnchen, Fisch) Salat vertrage ich noch nicht so gut, weil der Essig wieder flotte Märsche macht. Blähendes Gemüse wie alle Kohlarten und wenn sie noch so weich gekocht sind haben eine fatale Wirkung. Sogar eine Suppe, in der Lauch, Sellerie mitgekocht wurden hat mir nicht gut getan.
Abends esse ich Toastbrot ohne Butter oder Margarine mit fettarmen Frischkäse mit Tomaten, Gurke oder so.
Tagsüber trinke ich so an die zwei Liter Kräutertee und der Darm dankt es mir. Außerdem gönne ich mir gerne ein großes Stück Schokolade. Da nehme ich die mit 85% Kakaoanteil mit Orangen oder Himbeeren drin, auch die stopft gerne.
Ich habe Stuhlgang nach dem Frühstück und abends meistens nocheinmal, schmerzlos und breiig geformt.
Einmal hatte ich auch so Enddarmkrämpfe, wo nichts kam und ich das Gefühl hatte ich muß und ich muß. Mein Arzt hat mir Schüssler Salze gegeben, die Nr. 7 (Magnesium phosphorcum D12) kosten ca. 4 € und helfen sehr gut. Bei dem letzten Krampf habe ich 3 Tabletten genommen und fünf Minuten später war der Krampf vorbei und der Drang ließ sofort nach. Mucofalk nehme ich nicht, die Bestandteile sind Flohsamen und Geschmackszugaben. Im Reformhaus oder Bioladen kaufe ich 100 g Flohsamen abgepackt für ca. 2,50 Euro und das reicht mir vierzehn Tage.
Ich habe festgestellt,dass ich mit Fetten vorsichtig sein muß, denn da beginnt das schnelle Rutschen im Darm. Also esse ich halt mehr Obst und dazu etwas trockenes Brot. Mein Gewicht kann ich damit halten und ich nehme jetzt nicht deswegen ab.
Seit drei Wochen gehe ich in Beckenbodengymnastik und auch das hilft den Darm in Ordnung zu halten. Die Muskeln drumherum arbeiten und geben dem Darm wohl gute Signale. Außerdem wird der Schließmuskel gut trainiert und ich merke dass es mir hilft wenn ich auf der Toilette sitze. Den After pflege ich mit einer fettreichen Creme, denn sonst kann er wund werden und die kleinsten Risse brennen wie Feuer.
Bis jetzt kann ich nicht klagen, es geht mir gut mit dem Stuhlgang, die Ärzte sind verblüfft über mein gutes Befinden und freuen sich mit mir. Sicher gibt es mal einen Tag wo ich wieder mal das Falsche gegessen habe oder der Darm wieder mal beleidigt reagiert, aber dann greife ich zu meinen erwähnten Hilfsmitteln und denke mir, wird schon, morgen kommt ein besserer Tag.
Jedenfalls finde ich mein Leben ohne Stoma super und bin jeden morgen glücklich wenn ich über meinen Bauch streiche. Ja Bauchmassage ist übrigens auch sehr gut habe ich festgestellt.
Ich werde hier öfters reinschauen, denn auch Eure Tipps werde ich wohl auch brauchen.
Alles Gute wünscht Euch allen
Mirjam
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