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Rückverlegung – Seite 2

Oft ist das Stoma nur vorübergehend notwendig. Aber die Situationen nach der Rückverlegung sind so unterschiedlich wie die Ursachen, die zum Stoma geführt haben. Tauscht hier eure Fragen und Erfahrungen zur Stoma-Rückverlegung aus.
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16 Beiträge • Seite 2 von 21, 2

Rückverlegung

Beitrag von Eveline » 31.01.2013, 17:02

Hallo Nachtengel,

keine Angst, alles wird gut. Es es wie eine BlinddarmOP, sagte mir mein Stoma-Therapeut. Das Anlegen des Stomas und die damit verbunden anderen OPs sind wesentlich schlimmer. Die hast Du ja offensichtlich hinter Dir.

Sieh der RV mit Neugier, Interesse und Zuversicht entgegen. Mehr kann ich nicht dazu sagen. Seit ca. 2 Wochen bin ich kein "Beuteltier" mehr, kann jetzt auch wieder normal kacken und pupsen !! Habe ich lange vermisst.

Nichts ist schöner als ein gelungener Pfurz - alles andere ist mir derzeit Schnurz !! Nimm das als Denkanstoß. Du glaubst gar nicht, wie gut es einem gehen kann mit dieser Einstellung. Alles wird gut. Ich drücke Dir die Daumen für Deine RV. Mach Dir keinen Kopf !! Das wird schon !!

Liebe Grüße - Eveline

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Eveline

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Rückverlegung

Beitrag von Eveline » 31.01.2013, 18:11

Hallo Nachtengel, hier ist nochmal Eveline,

habe Deinen Beitrag soeben erneut gelesen. Du hattest Fragen, die ich Dir gern beantworten möchte, aus meiner Erfahrung, die Deiner ähnlich ist.

Ich wurde eingeliefert am 2. September 2012 -.habe mich selbst ins Krankenhaus gefahren, mit "Kotzeimer" auf dem Beifahrersitz, weil es mir schlecht ging. Ich konnte seit 4 Tagen nicht richtig aufs Klo, mir war irgendwie komisch und unwohl. Weil ich ein Typ bin, der im Frühjahr manchmal ein paar Fastentage einlegt, trank ich - aus Gewohnheit - an diesem Tag mal ein Glas mit Glaubersalz-Lösung, was sonst immer wirkte. Nichts passierte. Selbst die Flüssigkeit ging nicht durch. Das war mir unheimlich.

Dann bekam ich heftige Krämpfe, Koliken, Übelkeit. Dies veranlasste mich zur Fahrt ins Krankenhaus.

Notaufnahme-Diagnose: Faustgroßer Tumor im linken unteren Ende des Dickdarms, akute Bauchfellentzündung, Dickdarm bereits perforiert. Not-OP sofort erforderlich !!

Schön, so ohne Nachthemd, Handtuch und sonstiger Utensilien für einen längeren Krankenhausaufenthalt. Nun denn, ich musste mich fügen, tat es auch.Natürlich hatte ich die üblichen (blöden) Fragen "wie lange muss ich denn ... ?, was passiert mit meinen Sachen ?? ..., blah, blah" Die Antwort der Chirurgin: "Wissen Sie, wir alle haben eigentlich immer keine Zeit .... trotzdem wollen wir ja leben, oder ??" Sie wies mich auch darauf hin, dass ich wahrscheinlich mit einem künstlichen Darmausgang (Beutel) nach der OP aufachen würde. Zur Entlastung des Dickdarms, der nicht mehr funktionierte. Verstopfung, Darmverschluss aufgrund des faustdicken Tumors. Sie wollten es aber zunäöchst mal mit einer Bauchspiegelung versuchen, falls eine Entfernung nicht möglich, würde es eine grössere OP werden - mit daraus resultierendem angelegtem Stoma.

Ich wachte dann auf, fühlte nach meiner "Beduselung" an meinen Bauch und es war ein Beutel dran.

Lieber Nachtengel !! Ich war verzweifelt, genau wie Du. Ich habe in dem Moment gedacht: Das wars wohl, was soll das Alles noch, das geht nicht !! Das kann gar nicht sein, das darf DOCH MIR nicht passieren !!.

Ich denke, die gleichen Gedanken hast Du auch gehabt.

Dann das Umgehen mit dem Ding. Ich wusste gar nicht, was ich machen sollte. Und ich stank. Ich stank wie ein vollgepisster Iltis potenziert hoch einer Million !! Das Gefühl hatte ich. Alles roch,. Ich hob die Bettdecke hoch - es stank. Ich bewegte mich, so gut es ging mit allen Schläuchen - es roch! Ich roch. Das hatte ich noch nie erlebt. Und so sollte mein Leben weitergehen ??? Ich kam mir vor wie ein zur Seite getretenes stinkendes Bündel im Rinnstein einer indischen Großstadt. Ohne Wert. Mein Selbstvertrauen, mein Selbstbewußtsein und ich selbst - eine uninteressante Nullnummer in der Welt - mit Beutel dran.

Es hat ein paar Tage gedauert, mich kopfmässig mit meiner Situation zu befassen und auseinanderzusetzen. Mein PRÄ: Ich sammelte meine ganzen Kräfte, weil ich schlecht aufgeben kann - hatte ich früher immer so leicht getan, doch in einer solchen Situation wird man plötzlich stark, WENN MAN ES WILL !!! Ich wollte !! Ich wollte nicht aufgeben.

Dem Himmel sei Dank, ich hatte eine Super-Nchtschwester im Krankenhaus, Schwester Ruth (liebes Rutchen, danke). Bei der konnte und durfte ich heulen, die hat sich die Zeit einfach genommen - nebst der anderen Patienten auf ihrem Flur - viele Demenz- und Alzheimer-Fälle musste sie - neben mir "Schwächling" betreuen. Trotzdem. Sie sagte mir immer: Du riechst nur Dich selbst, die anderen merken es doch nicht. Und was ich hier rieche, wenn ich Deinen Beutel wechsele, das sind noch die Opiate von der OP-Narkose, usw. Das muss Dein Körper erst einmal ausscheiden, geht schon, schlaf weiter, ich komme und wechsele das Zeugs.

Jetzt im Nachhinein, nach meiner vor 14 Tagen erfolgten und erfolgreihen RV, denke ich oft an Ruth, habe sie auch besucht während meines Aufenthalts und ihrer Nachtschicht. Wir haben gemeinsam so lachen können ... schön, dass es soetwas noch gibt beim Pflegepersonal, trotz Überlastung und Stress, den die haben.

Nun denn, zurück zu Dir.

Nach der Anlegung des Stomas wurde ich ca. 10 Tage in Ruhe gelassen. Dann kam die große OP. Entfernung des Tumoars. Es wurde ein Teil des Dickdarms entfert, der Teil, in dem der Tumor sich befand. Der Dickdarm wurde wieder zusammengenäht (oder geklebt, jedenfalls zusammenmontiert). Das sollte dann 14 Tage lang heilen, bevor eine Gesamt-Darmspiegelung angesagt war. Innerhalb dieser 14 Tage urde das "Darmteil mit Tumor" in der Pathologie untersucht, böse oder nicht böse Geschwulst.

Meine Gedanken in dieser Zeit kannst Du Dir sicherlich vorstellen. Böse Geschwulst = Chemotherapie oder Bestrahlung ... oder, oder, oder .... Oder Alles gut und dann weitersehen .... Rückverlegung ?? Arsch funktionsfähig oder wird stillgelegt, weil sonst alles gut. Hat schon was gestreut, Leber, Lunge, Magen, Mannomann, - damit umgehen und immer nett zu sein, auch wenn die ständig wechselnden Bettnachbarinnern manchmal vervten. (Am liebsten waren mir immer die Omas a 85, die waren teilweise so lieb und verwirrt. Ich war der "Platzhirsch", bekam sogar ein Bett am Fenster.

Nun 14 Tage lan Betonklötze auf den Schultern. 14 Tage lang "nettes Gesicht machen bei netten Besuchen", "Hoffnung versprühen", nette Worte "wird schon, Du schasffst das schon" empfangen und am liebsten alle Besucher erwürgen oder vom Balkon schmeissen (hatte einen vor meinem Zimmer im 3. Stock).!!!

Dann kam ein Tag - es gab Nudeln mit Tomatensosse für mich - und meine Ärztin erschien freudestrahelnd mit der Nachricht: Alles GUT, Ergebnisse gut, kein böser Tumor, nix Chemo und keine Bestrahlungen.

Was glaubst Du, wie meine Nudeln in Tomatensosse aussahen ?

1. sie schwammen in meinen Tränen
2. sie waren dadurch ungeniessbar salzig

In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so ein Gefühl der Entlastung gehabt. Ich konnte den Begriff "mir wurden Bauklötze von den Schultern genommen" endlich konkret nachvollziehen.

Ich glaube, ich habe ein paar Minuten lang - die können lang sein - nichts gesagt, sagen können. Meine Bettnachbarin, die alles mitbekommen hatte, sprach mich an und sagt: "Mensch, so eine gute Nachricht, da müssen Sie sich doch freuen ......" ich war weiterhin stumm, haute nach draussen in die Cafeteria ab und rauchte ungefähr 4 - 5 Zigaretten nacheinander, bevor ich überhaupt ein Wort herausbrachte. Die Kellnerin, die mich kannte, stellte mir automatisch schon meinen großen Milchkaffee mit 2 Tüten Zucker auf den Tisch.

Als ich wieder ins Zimmer kam, entschuldkgte ich mich bei meiner Bettnachbarin - sie hatte Brustkrebs im schlimmen Stadium, erst dann wurde mir das wieder bewusst. Mir wurde bewusst, ich habe ein neues Leben geschenkt bekommen.

Darf ich Dir, lieber Nachtengel, noch etwas dazu sagen ? Ich tue es.

Im Krankenhaus - mein damaliges fast zweites Zuhause - fand jeden Donnerstag ein kleiner Gottesdienst statt. Ich bin hingegangen. War die Einzige "Gemeinde". Nebst der Pastorin und der Organistin. Ich habe mich da oben bei meinem lieben Gott bedankt. Ich du7rfte mir sogar die Lieder aussuchen. Mein Wunsch: Weisst Du, wieviel Sternlein stehen .....
Ein Super-trostreiches Lied. Man wird manchmal schon gläubig .. und eine solche Erfahrung lehrt einen Ehrfurcht vor sich und anderen - sowohl Menschen als auch Dingen - und man erhält die Chance, über Vieles nachzudenken.
Nach diesem kleinen sehr persönlichen "Gottesdienst" bin ich rausgeschlichen und habe weitergeheult - und habe vor dem Zubettgehen auch noch ein paar Zigaretten gequalmt.

Nun hatte ich am 8. Januar 2013 meine Rückverlegung. Erfolgreich und gut gelungen. Ich bin wieder "normal" und ein Ex-Beuteltier. Zu diesem Krankenhausaufenthalt meine Empfehlung, denn Du hast es ja vor Dir.

Lasse alles mit Dir geschen, lass alles zu, was man mit Dir anstellt. Egal, wass man Dir "in den Hintern schiebt", ob Abführ-Gelee oder Thermometer. Egal, was Du trinken musst zur Entleerung vor der Spiegelung. Sieh es gelassen, schlucks weg und bring das leere Gefäß stolz zu Deiner Pflegekraft mit der Bitte, ".. noch eins .. , wenns der Sache dient .."

Du kannst nichts tun, ausser Dir selbst zu vertrauen. Gib Dich dann einfach hin, nach der OP kommt Dein Körper wieder zu sich und zu Dir. Und das Schöne: Der Beutel ist weg !! Und dann: langsam über, wieder zu kacken, hör mal, was dein Darm sagt - der Dich nachts manches Mal aufgewckt hat mit dem Abführen in den Bauch-Beutel. Nun ist der dran, wiedr seine Arbeit aufzunehmen. Dazu ist er schliesslich auch da, nicht wahr. ?? Höre auf ihn, wenn ihm was nicht passt oder querkommt, sagt er es Dir dann schon.

Mach Dir selber Mut, hab keine Angst. Ich kann Dich supergut verstehen, Deine Situation. Aber alles sind momentan nur Gedanken in Deinem Kop. Du bist ein erwachsener Mensch, mit viel Energie, Lebenswillen und Kraft. Du hast noch so viel vor Dir, schau es mit Zuversicht und Liebe an, Hoffnung auch - obwohl ich das Wort nicht so besonders mag, weil es oft so "aufgebbar" dargestellt wird. Liebe Deinen Körper und höre auf ihn und Dich !! Alles ist gut, alles wird gut.

Habe die Geduld mit Dir selbst, manchmal ist so eine Scheiße, in der man (Du) jetzt sitzst, auch eine Gelegenheit, die Ruhe zu haben, über sich selbst und viele Dinge nachzudenken. Wer weiss --

Gruß von einer (selbsterfahrenen) Leidensgenossin (Ex-Beutelgenossin). EVELINE

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Rückverlegung

Beitrag von Bag-Owner » 31.01.2013, 18:55

Eveline :winke: ,

das hast du sehr schön be- und geschrieben :super: .

Ein richtig guter Mutmach- und Antiverzweiflungsbericht.


Siehste Nachtengel54 :troesten: , hier wird alles Mögliche unternommen, um dir deine Ängste zu nehmen.


LG :roseSchenken:
Bag-Owner

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Moderator und Ansprechpartner des Stoma-Treff St. Wendel

Rückverlegung

Beitrag von Schiddi » 31.01.2013, 19:45

:winke: (Ex-Beutelgenossin). EVELINE

vieles spiegelt sich in deinen Zeilen wieder. :super: und dies als Ex-Beutelgenossin. :danke:

Alles Gute für Dich :glueckWuenschen:

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Schiddi

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Rückverlegung

Beitrag von Hanna70 » 31.01.2013, 20:02

Hallo, Nachengel,

Eveline hat das sehr schön beschrieben. Ich denke, die meisten von uns hatten ähnliche Gedanken, auch wenn die Geschichten sehr unterschiedlich sind. Du bist mit Deinen Ängsten und Sorgen nicht allein, auch wenn man das selbst oft glaubt.

@ Eveline, :guterBeitrag: und :dankeDir: :roseSchenken:

Liebe Grüße
Rosi

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Rückverlegung

Beitrag von doro » 31.01.2013, 21:05

@Eveline :super: Super tolles Posting.

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