von Banditensocke » 20.11.2018, 10:16
Guten Morgen,
es wurde Interesse signalisiert, mehr über die
Ketogene Ernährung und
LCHF
zu erfahren.
Da ich in diesem Bereich über inzwischen vierjährige praktische Erfahrungen bei MC, Asthma, Migräne und diversen Allergien als Grunderkrankung verfüge, eröffne ich diesen thread, um Informationen und Erfahrungswerte zur Verfügung zu stellen. Diese sind natürlich subjektiver Natur.
Untermauern werde ich sie durch Forschungsergebnisse, die sich erfreulicherweise seit den 1950er Jahren inzwischen deutlich mehren.
Anfangen werde ich mit Erklärungen und einer Abgrenzung zwischen ketogener Ernährung und LCHF sowie der Rolle, die in diesem Kontext das Intervallfasten spielt.
Fragen beantworte ich jederzeit gern.
Bitte betrachtet diesen thread nicht als einen Belehrungs/Bekehrungs oder sonstigen Versuch, Euch Ernährung vorschreiben zu wollen - das liegt mir nämlich fern. Ich möchte nur dazu beitragen, Euch diese Möglichkeit näher zu bringen. Ob Ihr damit arbeiten wollt, entscheidet Ihr ganz allein, darauf werde und will ich keinerlei Einfluss nehmen.
Dass Ernährung Medizin und auch als solche zu betrachten ist, dürfte nicht erst seit der Genese der "Ernährungsdocs" im TV bekannt sein. Der Blick auf den Zustand der Weltbevölkerung genügt: In vielen Ländern, in denen Kriege herrschen, können wir die katastrophalen Auswirkungen von Mangelernährung und Hunger sehen - und auch, was die vorwiegend KH-lastigen "Hilfen" in diesem Kontext erreichen oder eher nicht erreichen.
Auf der anderen Seite sehen wir in den "reichen" Ländern, was KH basierte "Normalkost" im Übermaß anrichtet: in vielen Ländern liegt die Quote von Übergewichtigen schon bei Kindern bei über 50%, Adipositas, Diabetes, Demenz - und Erkrankungen des Bewegunsapparates sind, ebenso wie zahlreiche weitere Auswirkungen unseres westlichen Essverhaltens, weit verbreitet.
Also - los geht´s! Ich starte im Folgenden mit Definitionen und Abgrenzungen: Ketogene Ernährung - LCHF: was ist das eigentlich? Wie unterscheiden sie sich?
Bis später!
von Banditensocke » 21.11.2018, 10:15
Ein paar basics
Ernährung besteht aus Bausteinen, die man in Gruppen einteilen kann. Diese Gruppen werden oft als "Makros" bezeichnet und sind
Kohlenhydrate (Carbs)
Protein / Eiweiss
Fett
Alle Kohlenhydrate sind Zucker und werden wie Zucker über Insulin verstoffwechselt. Das bedeutet: Auch Getreideprodukte, Nudeln und Brot, Mehle, Bindemittel sind also letztlich Zucker, selbst wenn sie nicht süss schmecken. Führt man sich das vor Augen, wird einem bewusst, wieviel Zucker wir also bei Normalkost täglich tatsächlich essen. Es sind enorme Mengen - und damit kann unser Organismus nicht gut umgehen. Er wird krank mit all den Folgen, die wir heute fast schon als Normalzustand wahrnehmen: Übergewicht bis Adipositas, Diabetes, Probleme im Bewegungsapparat beispielsweise. Es gibt starke Hinweise darauf, dass die KH-basierte Ernährung Demenzerkrankungen fördert und auch bei Krebserkrankungen eine Schlüsselrolle einnimmt.
Normalkost, wie sie in Deutschland üblich ist, basiert auf Brot und Sättigungsbeilagen wie Kartoffeln, Nudeln, Reis, ausserdem wird der Verzehr von recht üppigen Mengen Obst empfohlen, während vor Fett immer noch gewarnt wird.
Die Empfehlungen der DGE entsprechen leider immer noch und trotz vieler Hinweise darauf, dass das der Gesundheit nicht zuträglich ist, einem HCLF - High Carb (viele KH/Zucker) - Low Fat (wenig Fett)
LCHF oder ketogene Ernährung widersprechen diesem Konzept also bereits im Ansatz.
Schauen wir uns im Folgenden genauer an, wo die Unterschiede zur Normalkost und dem, was die DGE empfiehlt, liegen!
Eine ketogene Ernährung ist grundsätzlich eine LCHF Ernährung, LCHF muss aber nicht in die Ketose führen. Klingt kompliziert , ist es aber nicht
Zunächst einmal ein paar Begriffe: erklärt!
LCHF = Low Carb High Fat. Übersetzt: Wenige Kohlenhydrate - viel Fett
Stellt Euch das wie eine Gleichung in der Mathematik vor: Möchte man die Makros KH, Eiweiss und Fett in ihren Anteilen verändern, muss, damit man trotzdem satt wird und alle wichtigen Nährstoffe bekommt, die Gleichung verändert werden. Ich nehme etwas - in diesem Fall die Kohlenhydrate - aus der Gleichung und verändere es, indem ich es reduziere. Damit die Gleichung stimmen kann, muss ich nun einen der anderen Mitspieler aufpumpen, ihn also anteilig erhöhen. Bei LCHF gleiche ich durch Fett und Protein/Eiweiss aus, d.h. ich erhöhe den Fett-, und den Eiweissanteil der Nahrung. Bei der ketogenen Ernährung erhöhe ich in erster Line den Fettanteil signifikant, Proteine spielen eine moderate, KH kaum eine Rolle.
Proteine / Eiweisse nehmen dabei übrigens eine Sonderstellung ein. Grundsätzlich sind sie für den Stoffwechsel sehr wichtig und es ist notwendig, auf ausreichende Proteinzufuhr zu achten. Protein wird jedoch ab einer bestimmten Menge, die ich von aussen über Nahrung zuführe, im Stoffwechsel "verzuckert". Je strenger man sich also LCHF ernährt, desto wichtiger wird es, den Proteinanteil gut im Blick zu haben.
In der ketogenen Ernährung sollte man folglich nicht übermässig viel Protein/Eiweiss zu sich nehmen, da man ansonsten nicht in die angestrebte Ketose kommt, denn sie ist das Ziel einer ketogenen Ernährung. Damit ist zugleich ein Vorurteil hinsichtlich der ketogenen Ernährung ad absurdum geführt. Oft heisst es: da isst man ja bergeweise Fleisch. Fleisch ist jedoch Protein/Eiweiss, das, wie Ihr jetzt wisst, bei der ketogenen Ernährung nur MODERAT zugeführt wird. Damit ist klar, dass die angeblichen Berge maximal Maulwurfshügel sein können .
Was die Ketose ist und warum sie hilfreich und gesund ist, wird übrigens weiter unten erläutert, u.a. auch über das verlinkte, gut verständliche Video - schaut es Euch an!
LCHF - Konzepte gibt es in verschiedenen Abstufungen. Man kann sich also an die Thematik prima heran tasten, wenn man schauen will, ob einem diese Ernährungsform gut tut, muss den Alltag entsprechend nicht gleich revolutionieren, um einmal einen Zeh ins fremde Kochwasser zu halten und zu testen, was das mit einem anstellt .
Es gibt:
LEICHTES LCHF --> reduziert die KH-Menge nur wenig. Das Frühstück beispielsweise kann oft ganz normal und wie gewohnt ausschauen.
Mittleres LCHF --> hier sind die Veränderungen deutlicher spürbar
Bei beiden ist die Protein/Eiweisszufuhr signifikant erhöht und es wird mehr Fett als "normal" gegessen.
Striktes LCHF dagegen --> nähert sich bereits der ketogenen Ernährung an. KH werden signifikant reduziert, Fett signifikant erhöht, die Proteinmenge bleibt eher moderat.
Tipp: Wer sich für die LCHF Ernährungsform interessiert, dem lege ich an dieser Stelle die Bücher von Dr. Nicolai Worm ans Herz, der die LOGI Methode vertritt.
Die ketogene Ernährung hat, wie gesagt, das Ziel, in die Ketose zu führen. Damit das funktionieren kann, muss der Organismus erst einmal wieder erlernen, Ketonkörper zu synthetisieren. Das hat er unter Normalkost oft quasi verlernt. Um diesen Prozess zu initialisieren, hat man prinzipiell zwei Möglichkeiten:
1. Man fastet.
2. Man ernährt sich ketogen.
Ketose kann man also auch als "Fastenstoffwechsel" bezeichen, denn sie ist derselbe der Zustand oder auch Stoffwechsel-Modus, den man über das Fasten erreicht. Der Unterschied besteht darin, dass man bei der ketogenen Ernährung isst und trotzdem in diesen Fastenstoffwechsel kommt.
Eine von mir sehr geschätzte Wissenschaftlerin, Frau Professor Kämmerer, erklärt das im folgenden Video sehr anschaulich:
https://www.youtube.com/watch?v=8wAyEdVYaGQ
Das Video räumt auch auf wohltuende Art mit vielen Vorbehalten auf. Beispielsweise hört man immer wieder: Soviel Fett kann ich einfach nicht essen! Auch sind viele Ängste ganz unnötigerweise dank DGE und Co. mit Fettkonsum verbunden.
Wie Prof. Kämmerer anschaulich erläutert, ist unser Organismus evolutionär genau für diese "gefährliche", fettreiche Ernährung konzipiert, denn sie ermöglicht uns letztlich auch, längere Fastenperioden, die früher ganz normal waren, zu überleben, ohne deshalb wie ein schlapper Salat nur in der Ecke zu liegen und vor uns hin zu welken.
Unnatürlich und damit auch wenig physiologisch ist dagegen eine Ernährung, die vorwiegend auf KH setzt - damit kann unser Organismus nicht wirklich umgehen, er wird in der Folge häufig krank, ohne dass wir das jedoch auf unsere Ernährung zurück führen würden, denn die erscheint uns ja, da gewohnt und allgemein verbreitet, ganz normal.
Im nächsten Beitrag werde ich auf Aspekte der ketogenen Ernährung, beispielsweise auf Fragen wie: Wie kann der Organismus die verlorene Ketolysefähigkeit neu lernen und was passiert dabei mit mir? Wie kann ich diesen Prozess gestalten, um vor der gefürchteten Keto-Grippe verschont zu bleiben?
Was macht Mensch, der das ausprobieren möchte, wenn er - und der Moment wird kommen - ratlos in der Küche steht und sich haareraufend fragt: Ja Kruzifix, was kann ich denn jetzt überhaupt noch essen?!
weiter eingehen!
von doro » 21.11.2018, 18:22
aber wie ich finde,nicht unwichtig.
Für Menschen wie z.B. mich,
die gescheite Dinge gern einmal nachlesen möchten,gibt es die wunderbare Druckfunktion, oben rechts unter der „Suche“.
Damit kann dieses Thema sehr fein ausgedruckt werden.
Dieser Post kann auch gern wieder gelöscht werden, da er auch stören könnte.
von Banditensocke » 02.12.2018, 11:41
So, hier folgt nun der nächste Beitrag zum Thema ketogene / LCHF Ernährung .
Ketolysefähigkeit - was ist das und warum habe ich die vielleicht "verlernt"?
Ketolysefähigkeit ist die Fähigkeit Deines Körpers, über Stoffwechselprozesse Ketonkörper herzustellen und diese Ketonkörper als "Treibstoff" zu benutzen. Er wird dadurch unabhängig davon, regelmässig - damit meine ich regelmässig gemäss der Definition, die wir heute "normal" finden, also: mindestens 3 Mahlzeiten plus Zwischenmahlzeiten / Snacks - essen zu MÜSSEN, weil es sonst Ausfallerscheinungen gibt.
Unter Normalkost ist unser Treibstoff die Glukose, die über Insulin reguliert wird. Diese Regelkreise sind vergleichsweise schnell und in ihren Ausschlägen, wenn man sie sich als Kurven vorstellen wollte, relativ steil, daher sehr "energieintensiv". Das ist eigentlich nicht im Sinne des Erfinders und führt zu Problemen, beispielsweise der gefürchteten Insulinresistenz. Unser Organismus ist auf das Leben in einer Welt, die Dauerkonsum, also ein Überangebot insbesondere kh-reicher Nahrung, die rund um die Uhr verfügbar ist, nicht nur ermöglicht, sondern als „Normalzustand“ betrachtet, nicht eingestellt.
Wir sind dafür grundsätzlich nicht konzipiert. Und wären wir so konzipiert, hätten wir niemals das 21. Jahrhundert erreichen können, wären als Spezies also ein Flop gewesen.
Unser Organismus ist stattdessen dafür entworfen, mit Nahrungskarenzen, also Zeiten des Mangels, überlebensfähig zu sein, sowohl im Tagesverlauf, also innerhalb von 24 Stunden, als auch über längere Perioden. DARAUF ist unser System ausgerichtet, dafür ist es spezialisiert und deshalb wird es schnell gestört und krank, wenn wir dieses System brutal und langfristig überstrapazieren. Diese Krankheit mit ihren vielen Gesichtern - Adipositas, Übergewicht schon bei Kindern und im überwiegenden Teil der Bevölkerung beispielsweise - ist für uns heute Alltag - jeder kann diese Auswirkungen unseres modernen Lebens jederzeit im Umfeld beobachten, aber weil sie so ein vertrauter, alltäglicher Anblick sind, empfinden wir sie längst als Normalität und nicht mehr als die Zeichen von Krankheit und Ungleichgewicht, die sie eigentlich sind. Mehr noch: Viele insbesondere von Übergewicht betroffene Menschen fühlen sich kritisiert und stigmatisiert, wenn man die Problematik thematisiert und treten heute dafür ein, den Normalzustand anders zu definieren.
Ein Tagesablauf, auf den unsere Organismen optimal eingestellt sind, mit dem sie also klar kommen, ohne dass das eine besondere Herausforderung darstellte, wäre einer, in dem wir maximal drei Mahlzeiten ohne Zwischenmahlzeiten und Snacks ohne raffinierte Kohlenhydrate einnähmen, uns viel bewegten, relativ früh zu Bett gingen und dadurch locker auf eine Zeitspanne von 12 Stunden kämen, in der wir gar nichts essen oder trinken.
DAS würde automatisch in die Ketose führen.
Intermittierendes Fasten, das derzeit recht beliebt ist, greift exakt diese Thematik auf: Sie reduziert das permanente Überangebot, indem feste Zeiten eingehalten werden, in denen der intermittierend Fastende nichts isst. Der Organismus kann in diesen Fastenphasen in die Ketose kommen, also die Ketolysefähigkeit, die er vielleicht verloren hatte, neu entwickeln und somit problemlos auch längere nahrungsfreie Zeiten wieder überbrücken.
Wozu ist das gut?
Sobald der Organismus in der Lage ist, sich über Ketonkörper, die er beispielsweise aus eingelagerten Fettdepots selbst herstellen kann, selbst zu versorgen, gibt es keine Energiekrisen mehr im Organismus. Diese Energiekrisen fühlen sich ziemlich fies an, fast jeder kennt sie:
Kopfschmerzen treten auf den Plan, man fühlt sich zittrig, bekommt vielleicht sogar Schweissausbrüche, der Kreislauf schwächelt.
Ist der Stoffwechsel dagegen adaptiert, das heisst also: Kann er mit wechselnden Gegebenheiten umgehen und auch über Ketonkörper funktionieren, läuft er ruhig und entspannt. Es ist ja nicht mehr notwendig, über Heisshungerattacken, Kopfweh, Zittern ein Notprogramm zu schalten, das Mensch dazu veranlassen soll, jetzt aber zackig Glukose nachzuliefern. Der Organismus weiss, wie er auch ohne diese Zufuhr über die Runden kommen kann!
Im adaptierten Zustand, also wenn man den Schritt weg von der permanenten Glukose-Zufuhr vollzogen hat, kann sich der Organismus insgesamt erholen, Organe wie die Bauchspeicheldrüse werden nicht mehr permanent gefordert, alles läuft viel effizienter - Energie-effizienter, um genau zu sein.
Das ist insbesondere auch für unser Gehirn eine entlastende Erfahrung. So macher Migräniker beispielweise - ich zähle dazu - konnte die erfreuliche Erfahrung machen, dass die Migräne verschwindet, sobald er sich vom KH-Tropf erfolgreich abgekoppelt hat.
Und warum fühlt sich das auch noch gut an?
Es fühlt sich wunderbar an, weil man diese Ruhe des Stoffwechsels, die Erholung des Organismus, die "Energieeffizienz" spüren kann. Man wird unabhängig davon, permanent Nahrung nachschieben zu müssen. Jieper, Heisshungerattacken bleiben aus. Man kann locker einen anstrengenden Tag überstehen, ohne unbedingt essen zu MÜSSEN.
Für mich ist das beispielsweise auf Fortbildungen sehr eindrücklich zu beobachten. Die sind in meinem Berufsfeld extrem anstrengend, man ist 10 - 14 Tage auf einem solchen Segment und hat währenddessen nur einen Tag Pause. Die Arbeit ist sehr intensiv und fordernd sowohl geistig als auch physisch und emotional.
Die "Normalesser" stürzen sich in den Pausen wie die Irren auf´s Buffet und greifen vor allem massenweise zu Süssem. Ich habe dieses Bedürfnis nicht. Ich habe Zeit. Zudem gibt es auf diesen Buffets fast nichts, das ich essen wollen würde - zu süss, zuviel Getreide. Mir reicht in den Pausen ein BPT beispielsweise - ein Tee mit Kokosöl und Nussmilch. Ich bin trotzdem konzentriert, wach, fokussiert. Gefrühstückt habe ich am Morgen. Die nächste Mahlzeit kommt oft erst am Nachmittag.
Ich empfinde das als sehr entspannt.
Im nächsten Beitrag wende ich mich der praktischen Umsetzung zu. Wie kann das funktionieren? Was sollte ich dabei beachten? Ist eine dauerhafte Ketose eigentlich erstrebenswert und sinnvoll?
von Banditensocke » 30.12.2018, 10:02
So, Ihr Lieben - weiter geht es!
Bitte seht mir nach, dass es so langsam voran geht, aber ich bin derzeit durch vieles belastet.
Heute möchte ich über die praktische Umsetzung / Umstellung schreiben.
Die wichtigste Vorausetzung ist, dass jeder, der sich so ernähren möchte, seinen behandelnden Arzt ins Boot holt und abklärt, ob es Faktoren geben könnte, die gegen eine solche Ernährung sprechen.
Dabei sollte man schon das Gefühl haben, dass der Arzt auch weiss, worum es geht. Mein Internist wusste das nicht. Er hat Schreckensszenarien entworfen und mir dringend abgeraten. Für mich war das insofern kein Problem, als ich
a) selbst ganz gut ab/einschätzen konnte, was Sache ist und
b) letztlich in einer sehr verzweifelten Situation war. Schlimmer konnte es ja kaum werden.
Solche Eigenmächtigkeiten muss man sich aber leisten können! Wer also nicht über ein wirklich solides Grundgerüst in Sachen Medizin verfügt, sollte und muss sich beraten lassen.
Nehmen wir an, die Grundvoraussetzungen stimmen. Dann geht es im ersten Umstellungsschritt zunächst darum, die Sache so aufzusetzen, dass sie möglichst wenig Probleme bereitet.
Das funktioniert, wenn man kh-reiche Normalkost gewohnt ist, am besten in kleinen Schritten und kontrolliert. Dazu ist also hilfreich, wenn man täglich geplant isst und Protokoll führt, um die Veränderungen in den Makros Fett, Eiweiss und Kohlenhydraten zu steuern.
Ziel ist eine Ernährung, die aus
75% Fett
20% Eiweiss
5% Kohlenhydraten
besteht.
Ganz wichtig ist dabei, zunächst ein Gefühl dafür zu entwickeln, welche Nährwerte die Lebensmittel haben, die man gern essen möchte. Es kann helfen, eine Liste anzulegen, die man zu Anfang griffbereit bei sich trägt oder auf eine der vielen Apps zurück zu greifen.
Tipp: Es gibt auch Apps, mithilfe derer man protokollieren kann, was man isst, so dass man eine automatische Auswertung erhält.
Beim Einkauf muss man sich angewöhnen, das "Kleingedruckte" zu lesen, bevor etwas in den Einkaufswagen wandert.
Eine alternative Route in die Ketose und damit die Ketolysefähigkeit: FASTEN
Ketogene Ernährung ist nichts anderes als der Fastenstoffwechsel, nur dass man dabei isst.
Wer also die Ketose nutzen will, ohne seine Ernährung stark zu verändern, der könnte
--> regelmässig fasten oder
--> Intervallfasten
In die Ketose gerät man beispielsweise ziemlich sicher auch, wenn man 16 Stunden fastet, also eine Ratio von 8/16 beim Intervallfasten einhält. Man würde in diesem Fall beispielsweise zwischen 10 und 18 Uhr essen, zwischen 18 und 10 Uhr jedoch fasten und in dieser Zeit nur trinken: Kräutertee, Wasser beispielsweise.
Körperliche Aktivität unterstützt das Ganze sowohl beim Fasten als auch bei der Ernährungssumstellung. Wer sich bewegt, kommt schneller in die Ketose und hat größere Spielräume hinsichtlich der Makros, bevor er aus der Ketose fliegt.
Wer ketogen leben möchte, muss sich damit auseinander setzen, wieviel Protein er beispielsweise essen darf und muss. Die Ratio 75/20/5 ist ja erst einmal ziemlich abstrakt. Man muss sie an das eigene Leben, den eigenen Organismus anpassen und hier spielt das Protein eine Schlüsselrolle, denn ist liefert uns die sehr wichtigen Aminosäuren. Zu wenig ist also kontraproduktiv.
Ganz wichtig ist daher, dass man sich als Faustregel merkt:
Pro Kilogramm Körpergewicht sollte man 1 - 2 Gramm Protein täglich zu sich nehmen!
Das bringt uns zu der Frage:
Was sind eigentlich gute, keto-taugliche KH, Eiweiss und Fettlieferanten?
... und was lasse ich lieber weg?
GUTE FETTQUELLEN
Kaltwasserfische aus Bio-Aquakultur oder Wildfang
Nüsse
durchwachsenes Fleisch oder Speck von Weidetieren (!)
Weidebutter
Butterschmalz / Ghee
Nüsse
Nussöle
Avocado
natives Olivenöl
natives Kokosöl (VCO)
wenn man das verträgt: vollfette Milchprodukte (moderat)
PROTEINE
sollten nach dem Grundsatz artgerecht und nose to tail ausgewählt werden, wenn sie vom Tier stammen.
Das setzt voraus, das ganze Tier zu nutzen, den Speiseplan also auch um die Teile zu erweitern, die uns vielleicht weniger vertraut sind, und:
Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte von Tieren kaufen, die artgerecht gehalten wurden, also beispielsweise auf der Weide standen und Gras fressen oder sich suhlen und langsam wachsen konnten.
Bei Eiern kann man Bio-Eier kaufen, mittlerweile gibt es sogar im Supermarkt Initiativen, die die männlichen Küken nicht schreddern.
Das ist aber teurer! Warum ist das wichtig?
Es ist erwiesen, dass das Nährstoff-Profil bei Tieren, die artgerecht leben durften und mit wenig Stress geschlachtet wurden, erheblich günstiger ist.
Milchprodukte von Weidetieren, die Gras fressen konnten, enthalten erheblich mehr Omega 3 beispielsweise.
Die Stresshormone, die Massentransporte und Schlachtung produzieren, essen wir mit - wer also Billigfleisch aus Massenproduktion kauft, unterstützt nicht nur aktiv Tier-Elend, sondern schadet sich selbst. Er nimmt ausserdem mit einiger Wahrscheinlichkeit sehr viele Antiotika über das Fleisch auf.
Nun zur Preis-Frage:
Mal ganz nüchtern betrachtet - wer einen moderaten Protein-Anteil zum Teil über tierische Produkte stillt, kauft doch keine Fleisch/Fischberge. Es ist also auch bei schmalem Budget nicht nur möglich, sondern absolut machbar, in GUTE Qualität und damit gleichzeitig Nachhaltigkeit, Tier-, und Umweltschutz zu investieren.
Denkt mal drüber nach, bevor Ihr das nächste Mal im Supermarkt einkaufen geht.
Kohlenhydrate
Brot, Nudeln, Reis, herkömmliche Süssigkeiten gehören unter einer ketogenen Ernährung der Vergangenheit an. Getreide insgesamt spielt eine untergeordnete Rolle.
Kohlenhydrat-Lieferanten sind also vorwiegend Gemüse. Eine hilfreiche Faustregel lautet: alles, was oberirdisch wächst, hat ein günstiges KH-Profil.
Obst spielt eine untergeordnete Rolle, da darin viel Fruchtzucker enthalten sind. In der ketogenen Küche gibt es daher nur kleine Portionen. Ein günstiges KH-Profil weisen beispielsweise Beeren und Papaya auf.
Noch ein Wort zu "Nachbauten"
Viele Menschen ernähren sich heute LCHF oder ketogen - ob das immer sinnstiftend ist, lasse ich mal dahin gestellt. Es gibt inzwischen eine ganze Nachbauten-Kultur, also Bestrebungen, das frühere, kh-reiche Leben nun zu imitieren. Die Mengen an Süsskram, Kuchen und Keksen sollen also weiterhin zum Speiseplan gehören, obwohl man sich kh-arm ernähren möchte.
Daraus ist eine ganze Industrie entstanden - Nudeln (Lizza) aus Leinsamen, LC Pizzaboden, Fertigbackmischungen für Kuchen, Waffeln, Plätzchen - und jede Menge Rezepte, die über Ersatzzucker wie Xylitol, Erythrit, Stevia und andere herkömmliche Süßspeisen, Kuchen und Torten nachbauen.
Obacht!
Zum einen weiss niemand, was bei den Mengen an Zucker-Ersatz, der dabei teilweise konsumiert werden, im Organismus passiert.
Zum zweiten halte ich die Angaben auf den Verpackungen für sehr willkürlich gewählt. Wenn ich vorab definiere, dass ich Ballaststoffe und Zuckeralkohole aus der Bilanz heraus rechne, kann ich mir so ein Produkt natürlich total kh-arm hinrechnen. Ob das unser Stoffwechsel ebenso sieht, ist dabei aber offen.
Zum dritten triggern manche Austausch-Stoffe nachgewiesen eine Insulin-Antwort, Acesulfam beispielsweise oder Sucralose, die zudem negativ auf die Darmflora (Biom) wirkt.
Man erweist sich darüber hinaus auch einen Bärendienst. Die Ursache für den massiven KH-Missbrauch, der für die Normalkost heute charakteristisch ist, rührt von der Ausrichtung auf SÜSS. Unser Geschmack ist auf eine perverse Art auf SÜSS konditioniert.
Wer nun Nachbauten isst, ändert daran nichts und macht sich selbst das Leben schwer. Es gibt darüber hinaus Hinweise darauf, dass bereits das süsse Geschmacksempfinden Stoffwechselprozesse triggert.
Ich würde daher auf Nachbauten weitgehend verzichten. Natürlich kann man sich Kuchen backen. Mal ein leckeres Dessert zubereiten. MAL - nicht TÄGLICH.
Süssigkeiten sollten eine Besonderheit darstellen, nicht Alltag sein.
Wer sich gestattet, sich von der Gewöhnung an Süssigkeiten zu lösen, wer also einen echten Zucker-Entzug vollzieht, der gewinnt noch etwas ganz Wunderbares: Geschmacksempfinden! Er kann neu entdecken, wie süss eigentlich Erdbeeren von Natur aus sind. Man muss sie nicht zusätzlich zuckern. Er kann entdecken, wie süss eine Karotte schmeckt. Oder dass Nüsse eine Süsse im Gepäck haben.
Und noch etwas passiert dann ganz natürlich: Man kann herkömmliche Süssigkeiten nicht mehr essen. Sie werden als das empfunden, was sie sind: ekelhaft süss. Selbst wenn man mal Appetit darauf bekommt: man beisst einmal ab und wendet sich ab mit Grauen. Ehrenwort!
Nachbauten aus dem Supermarkt bestehen darüber hinaus, ebenso wie viele vegane Lebensmittel, aus minderwertigen Rohstoffen. Bei "Eiweissbroten" sind weiterhin Getreidemehle oder Getreidekleber enthalten. Häufig basieren sie auf Soja, das viele Menschen eigentlich nicht vertragen. Soja enthält darüber hinaus die sog. Antinährstoffe - sie greifen die Darmschleimhaut an und sorgen dafür, dass Vitamine und Mineralstoffe nicht aufgenommen werden können.
von Banditensocke » 30.12.2018, 10:02
Wer jetzt NICHT abgeschreckt ist, stellt sich vielleicht die Frage:
Wie war das denn jetzt mit der Umstellung und der Ketogrippe?
Die Ketogrippe ist eine Erscheinung, die auftritt, wenn man die Umstellung von Normalkost auf ketogene Ernährung zu schnell vollzieht, also dem Organismus keine Möglichkeit gibt, sich langsam umzustellen. Auch Fastenfreunde kennen sie - wer fastet, kann in den ersten Tage Probleme bekommen in Form von
Kopfschmerzen
Tachykardie (beschleunigter Herzschlag)
Schwindel
Muskelschwäche
Müdigkeit
DURST
schlechter Atem (Aceton)
Muskelkrämpfe
Das kann man umgehen, indem man
--> sich Zeit lässt.
Eine Umstellung sollte, ebenso wie das Fasten, nicht im Alltagsstress erfolgen, sondern in einer Zeit, in der man Ruhe hat, sich jederzeit Pausen gönnen kann und nicht das gewohnte Arbeitspensum erledigen muss.
Eine Ernährungsumstellung sollte eher schrittweise erfolgen - so kann man sich an Routinen herantasten. Es wird der Moment kommen, an dem man ratlos vor dem Kühlschrank steht und sich fragt, was zum Henker man nun eigentlich noch essen kann.
Es ist daher gut, auf diese Situation vorbereitet zu sein und eine Liste von Snacks / Gerichten parat zu haben, auf die man dann zurück greifen kann.
Wer sich langsam heran tastet, minimiert auch die physischen "Ausfallerscheinungen"; die dem Umstand geschuldet sind, dass der Organismus zunächst SOS funkt, weil keine oder sehr wenig Glukose nachgeschoben wird. Er muss ja erst wieder lernen, wie er solche Energiekrisen über Ketonkörper locker allein bewältigen kann.
Wie stelle ich eigentlich fest, ob ich in Ketose bin?
Dazu gibt es drei Möglichkeiten:
a) die günstigen, aber eher ungenauen Keto-Stix, also Teststreifen, die über den Urin verraten, ob Ketone ausgeschieden werden. Damit kann man nicht nachweisen, dass man in der Ketose IST - nur, dass man vermutlich drin WAR. Aber sie sind ein guter, erster Anhaltspunkt, ob man auf dem richtigen Weg ist.
Wer geübter Ketarier ist, ist aber auch gut adaptiert, d.h. der Stoffwechsel scheidet u.U. über den Urin kaum noch Ketone aus. Die Teststreifen bleiben dann neutral, obwohl man in Ketose ist.
b) etwas teurer: Messung über Diabetes-Teststreifen und einen Piekser in den Finger. Es gibt immer wieder günstige Einsteiger-Sets, mithilfe derer man als Diabetiker Blutzucker und auch BHB messen kann. Man braucht also besagtes Gerät nebst Zubehör und ausserdem entsprechende Test-Streifen. Obacht: überprüft vorher, ob Euer Gerät tatsächlich BHB messen kann und wie teuer die entsprechenden Streifen sind.
Diese Methode ist genau, aber man muss sich dafür pieksen und sie ist letztlich recht teuer, weil immer wieder Teststreifen und Piekser nachgekauft werden müssen.
c) sehr teuer: Atemmessgeräte. Sie messen Aceton in der Atemluft.
So, das soll es für heute gewesen sein.
Wenn Ihr Fragen habt, so stellt sie bitte gern!
von Petersen » 20.06.2019, 13:06
Hallo Banditensocke,
danke für die wertvollen Texte und Aufklärung - sehr hilfreich!
Gruß
Peter
„Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel, und eure Heilmittel sollen eure Nahrungsmittel sein.“
Hippokrates
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