von Cordu » 02.07.2008, 12:30
Hallo zusammen,
nach langer Schreibpause melde ich mich nun nochmal. Ich habe die ganze Zeit über viel mitgelesen, aber bei den meisten Anfragen kann ich einfach nicht mitreden oder hilfreich sein, da bei mir das Krankheitsbild leider so fragwürdig und selten ist, dass meine Erfahrungen wohl auf nur sehr wenige Probleme übertragbar sind. Hoffe, ihr versteht was ich meine, es liegt nicht an mangelndem Interesse!
Nun zu meiner Frage: nachdem jetzt klar ist, dass auch meine letzten 15 cm Dickdarm nicht mehr zu retten sind (haben sich ebenfalls ausgedenht wie ein Ballon und verweigern jeglichen transport) rückt die Überlegung näher, trotz schwerer Verwachsungen und einer ungewissen Konsequenz, da man die Grunderkrankung immer noch nicht identifizieren konnte, den Rest auch noch zu entfernen, bevor er reißt und wir mal wieder vor der Notfallsituation stehen. Ich bin grundsätzlich inzwischen für die Op, ich will es sogar, da dieses warten auf den Notfall mir den letzten Nerv raubt und die täglichen Schmerzen und Einschränkungen auch wenig Unterhaltungswert haben. Meine Frage nun ist: ein Doc sagt, man könne den Restdickdarm komplett entfernen, und den Dünni einfach an den Enddarm anschließen (??), ein anderer sagt, man müsse einen Pouch basteln, was aber wohl bei mir eine sehr aufwändige Op wäre, da der Dünni an vielen Stellen mit der Bauchdecke verwachsen ist und erstmal freipräpariert werden müsste (??). Beide Möglichkeiten finde ich kritisch, da ich schon so viel schlechtes über beide Wege gelesen habe. Die einen schreiben über dauernden Stuhldrang und wunden Pavianhintern, die anderen schreiben über undichte oder entzündete Pouchs. Ich hätte gerne ainfahc nochmal ein paar Meinungen dazu, denn im Zweifel würde ich eher nochmal ein Stoma nehmen, als mich dann nochmal und nochmal operieren zu lassen!!!
Wäre dankbar für ein paar Meinungen!!!
Liebe Grüße,
Cordu
von Hugo » 02.07.2008, 12:42
Ich denke das der Dünndarm für ein Stoma auch freipräpariert werden muss. Wahrscheinlich wesentlich weniger als bei einem Pouch. ich war drei jahre lang mit einem Pouch unzufrieden. War undicht und das in der nacht. Der Stuhlgang hielt sich tagsüber sehr gut. Musste auch nicht übermässig viel aufs WC gehen.
von Cordu » 02.07.2008, 12:44
Danke für deine antwort,
wie kommt das denn, dass der Pouch undicht wird? Ich kann mir nix darunter vorstellen. Bist du mit Stoma jetzt zufriedener? Oder sollte man es doch erstmal ohne alles riskieren???
Viele Grüße,
Cordu
von Webkänguru » 02.07.2008, 13:45
Hallo Cordu,
wenn der Dünndarm direkt an den Darmausgang angeschlossen wird rauscht der Stuhl ungebremst durch ... ständiger Durchfall und "Pavianhintern" sind vorprogramiert.
In einem Pouch sammelt sich der Stuhl aus dem Dünndarm, bis du auf Toilette musst. Der Stuhldrang kann aber sehr plötzlich und heftig sein, da der Dünndarmstuhl oft dünnflüssig ist. Wenn der Schließmuskel bereits etwas angeschlagen ist, kommt es oft zur zeitweisen oder ständigen Inkontinenz. Das ist mit "undicht sein" gemeint.
Ich selbst hatte auch einen Pouch und war nachts teilweise inkontinent. Was für mich mit ein Grund war mich für das dauerhafte Stoma zu entscheiden.
Viele Grüße,
euer Webkänguru
von Hugo » 02.07.2008, 18:17
Hallo Cordu,
ich bin wesentlicher zufriedener mit meinem Stoma als mit dem Pouch. Stell Dir vor ich hab drei Jahre lang fast jeden Tag das Bett abziehen können trotz Einlagen im Bett und im Slip. Da war ich nach einiger Zeit ganz schön alle.
von Sabine049 » 02.07.2008, 20:00
Hallo Cordu,
da deine Grunderkrankung noch nicht einmal definiert werden konnte, kann ich deine Bedenken nachempfinden. Wäre sie hingegen identifiziert, könnte man sicherlich leichter die Eventualitäten und etwaigen Konsequenzen abwägen!
Aufgrunddessen ists sehr schwierig sich zu deiner Problematik überhaupt zu äußern geschweige denn eine Meinung zu bilden.
Eine Zwischenfrage: Hast du noch die Bauhinsche bzw. Ileozökalklappe?
Gut, als Aussenstehende in deiner Situation sähe ich keinerlei großen Unterschied, ob der Dünndarm direkt oder mittels einem Pouch am anus angeschlossen wird. Allerdings für die Pouchanlage benötigt der Chirurg i.A. mindestens eine 20 cm intakte Dünndarmschlinge.
Infolge der Adhäsionen und Briden, des weiteren der Magenentleerungsstörung, Mitralklappeninsuffizienz ... riete ich dir gegenwärtig, einen Weg des geringsten Widerstandes einzuschlagen, dich einen relativ risikoarmen und komplikationslosen Eingriff zu unterziehen quasi einer Adhäsiolyse, Ileostomie und Resektion des Restdickdarms.
Die OP ist schon ausreichend risikobehaftet und aufwendig!
Leider wird dir niemand die schwere Entscheidung abnehmen können . Aber - nochmals - ich würde deinerseits keine unnötigen Risiken wie "Pouchbastelei" etc. eingehen!
Liebe Grüße und alles Gute
Sabine
von Monsti » 02.07.2008, 20:13
Hallo Cordu,
habe lange überlegt, was und wie ich schreibe. Ein Versuch:
Dein Gedanke, nach mehreren Vor-OPs die Anzahl möglicher Folge-OPs weitestgehend zu minimieren, war auch meiner.
Ich glaube, ich hatte Dir schon mal von meiner "Pouch-ja-oder-nein-Phase" geschrieben. Damals, im Sommer 2004, war es mir wichtig, Statements von zufriedenen Pouchträgern zu lesen. Ich setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um an solche Leute zu kommen. Nach dem Lesen der Erfahrungen war ich aber nicht sehr überzeugt, da ich damals noch täglich über 1500 ml wässrigen Stuhl in meinem Sackerl hatte. Später (August 2004) hatte ich ein langes Gespräch mit Prof. F. Herbst, der damals noch am AKH Wien tätig war. Der riet mir angesichts meiner massigen Produktion dringend von einem Pouch ab. Immerhin betreute dieser Mann lange eine Pouch-Sprechstunde und weiß insofern auch über das "Danach" Bescheid. Also entschied ich mich letztendlich dagegen.
Ende 2006 sprach mich plötzlich ein anderer Chirurg zum Thema Pouch an. Bei ihm war ich eigentlich nur, um mein nervtötendes Rektum loszuwerden. Er traute sich trotz meiner schweren Verwachsungen eine Pouch-OP zu.
Da fing ich dann schwer nachzudenken an: Was ist, wenn der Pouch Probleme macht und wieder entfernt werden muss? Wieder Bauchschnitt, Stoma-Neuanlage (Wird es wieder so unproblematisch sein wie mein jetziges Spuckerle?) Die Pouch-OP wäre bei mir der 10. Eingriff im Bauch gewesen. Ich entschied mich ganz klar gegen eine solche Variante, da ich mit meinem Stoma ja wirklich gut lebe. Stattdessen fand die Rektumamputation statt, worüber ich froh bin. Dieses üble Theater am Allerwertesten gehört endlich der Vergangenheit an. Heute bin ich in der glücklichen Situation sagen zu können: Weitere OPs sind bis auf weiteres nicht erforderlich, es sei denn, irgend ein anderes Organ in meinem Körper erfordert unerwartet einen neuen Eingriff. Es ist heute schon schwer genug, in meine Bauchhöhle vorzudringen, ohne den Dünndarm zu verletzen. Die meisten Chirurgen lehnen bei mir jeden weiteren Eingriff im Bauch ab. Also ist mir an einem Minimum an weiteren OPs und der damit einhergehenden Risiken sehr gelegen.
Entschuldige, wenn ich mich vielleicht etwas "knödelig" ausgedrückt habe. Falls Dir etwas unklar ist, frag' einfach nach.
Liebe Grüße
Angie
von Cordu » 02.07.2008, 21:22
Hallo Jürgen,
danke dir für das klare statement! Mit so einer Aussage kann man was anfangen!
Liebe Sabine,liebe Angie
soweit ich weiß, habe ich die Bauhinsche Klappe noch. Von meinem Dickdamr existieren noch das Coecum plus ein kleines bisschen Ascendens, also zusammen 15 cm plus Rektum. Der Dickie wurde einfach am Coecum um 180 Grad gedreht und abgeleitet und am Rektum angeschlossen.
Im Grunde sehe ich es wie ihr: den weg des geringsten Risikos mit dem größtmöglichen Effekt gehen. Vernunftmäßig sehe ich es so. Gefühlsmäßig hab ich erstens ein Problem mit der Vorstellung eines dauerhaften Stomas (entschuldigt, ich bewundere jeden Einzelnen von euch zutiefst, wie ihr das wegsteckt, aber ich habe mich in der kurzen Stoma-Zeit echt schwer getan, unglücklicherweise hat sich auch unmittelbar darauf mein Mann von mir getrennt und ich hatte keine so tolle Zeit ). Zweitens, und das erscheint mir noch das größere Problem zu sein, haben meine Ärzte ein noch viel größeres problem mit einem Stoma, sie sagen immer, dass sie mir das nicht zumuten würden, ich sei noch so jung ( ) und das ginge ja gar nicht. Also weiß ich ehrlich nicht so recht, wie ich damit umgehen soll. Vor einer ileoanalen Verbindung habe ich Angst, ich glaube, das verbessert im Zweifel nicht meine Lebensqualität, und was soll das dann?
Aber kann ich ernsthaft als Patientin hingehen und sagen: Ich will das Stoma. ??? Halten mich dann nicht alle für nicht mehr zurechnungsfähig??? Oder grenzt das an Selbstverstümmelung und ich müsste erstmal die anderen Wege ausprobieren??? Ich bin total ratlos, wie ich beim Doc auftreten soll. Morgen muss ich erstmal wieder zum MRT, um aktuelle Bilder zu haben, in 2 Wochen dann zum Doc zur Beratung, wie es weitergehen soll. *ratlos sei*
Danke euch für die Gedanken, die ihr euch macht, es bestärkt im Prinzip so ein leises gefühl, das ich auch schon hatte.
Liebe Grüße,
Cordu
von Monsti » 02.07.2008, 21:56
Hallo Cordu,
die Bauhinsche Klappe hast Du ganz sicher noch, da bei Dir ja ein kleines Stück des aufsteigenden Dickdarms belassen wurde. Für das weitere Procedere ist das aber ohne Belang. Jene Klappe verhindert lediglich einen Reflux des kontaminierten Dickdarminhalts in den weitgehend sterilen Dünndarm. Bei einem Pouch wie auch beim endständigen Ileostoma wird jene Klappe entfernt.
Liebe Grüße
Angie
von Jutta B » 03.07.2008, 05:50
Hallo Cordu,
bin kein Experte in Sachen Pouch, aber aus meiner langjährigen Erfahrung mit "Experimente" an mir und Gleichgesinnten, schreien deine Probleme nach einem endständigen Stoma. Ich weiß nicht mehr wieviele User hier sich im Nachhinein am liebsten in den Pavian-Hintern beißen würden, sich jemals für ein Pouch anstatt gleich Stoma entschloßen zu haben.
Durch die angehäufte Problematik wird eine Stomaanlage kein Zuckerschlecken, doch gute Chirurgen können es zu einem werden lassen.
Frage dich bitte einmal wie wichtig dir eine Lebensqualität auf Dauer ist? Wie hoch liegt deine momentane Schmerzgrenze im Vergleich zu einem Stoma?
Dein letztes Stoma ist mit traurigen und negativen Lebensumständen behaftet, aber wie ist deine Lage jetzt? Stelle dir einfach mal sachlich alles Für und Wider gegenüber, wie ist dein Ergebnis? Wie soll dein weiteres Leben aussehen?
Du bist noch jung, hast mindestens noch 50 Jahre vor dir, und der Darm ist wie ein Elefant, er vergißt vieles nicht, und die Zicken, welche er und das Drumherum macht, werden nicht besser.
Lieben Gruß
Jutta B
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