von Zisel » 19.06.2008, 13:20
Hallo, ich heisse Sabine und vielleicht könnt ihr mir weiterhelfen. Es ist das erste Mal das ich mich mit diesem Thema auseinandersetze und entschuldigt bitte, wenn die ein oder andere Frage vielleicht dumm erscheinen mag. Meine Freundin ist an Colitis ulcerosa erkrankt und die Häufigkeit ihrer Durchfälle liessen sich nicht durch Medikamente stoppen. Nächste Woche soll ihr ein Ileostoma gelegt werden. Seit vorgestern ist sie viel am weinen und kann sich mit dem Gedanken an ein Stoma überhaupt nicht abfinden. Ich versuche zu trösten und zu unterstützen, möchte aber auch nichts falsches sagen. Könnt ihr mir erklären wie ich mir das nach der Operation vorstellen muss? Sie hat furchtbare Angst wenn sie aus der Narkose erwacht (ein sehr grosses Problem, welches mir echt unter die Haut geht obwohl ich nicht betroffen bin.)
Ich habe ihr geraten den Arzt zu fragen was sie beim aufwachen erwartet. Sie hat es nicht getan. Ich habe im Internet nachgeforscht und fand schliesslich den Weg hierher. Auf ein paar Seiten las ich dann das eine Magensonde die ersten Tage die Nahrungszufuhr übernimmt und Schläuche zum Wundsekret abführen und natürlich ein Blasenkatheter. Und jetzt kommt wahrscheinlich meine dümmste Frage...
Wird das Stück Darm direkt an einen Beutel schon angeschlossen oder erst Tage später... Ich denke der künstiche Darmausgang in der Bauchdecke muss ja auch verheilen... Ich habe wirklich keinerlei Ahnung und wäre wirklich froh und dankbar wenn ihr mir einige Erklärungen dalasst.
Vielen vielen Dank an alle die sich die Zeit dafür nehmen und mir einem echten Greenhorn ein paar Auskünfte gebt, damit ich eine Vorstellung kriege und auffangen kann was aufzufangen ist.
von flo » 19.06.2008, 14:18
Hallo Sabine,
ich finds gut, dass du deiner Freundin beistehst. Ich selbst hab MC und auch ein Illeostoma. Meine größte Angst war auch vor dem danach - nicht wie viele Ärzte meinten vor der OP selbst.
Also, ich bin aufgewacht und hab nur gesehen, dass da ein durchsichtiger Beutel an meinem Bauch hängt wo etwas rotes herausblitzt. Ich hatte weder Blasenkatheter noch Wundsekretabführschlauch (oder so). Ich durfte am Abend des OP-Tages schon wieder essen, allerdings war der kalte Braten am Anfag nicht das Beste. In manchen Krankenhäusern wird sofort mit Kostaufbau begonnen, in manchen nicht. Ich hatte dann leider eine Magensonde, über die meine Gallensäfte... abgeflossen sind, da mein Darm nicht arbeitete (10 Tage lang). Das alles muss nicht sein, das schwierige ist, dass niemand sagen kann, was alles passieren kann. Der Darm wird direkt "angeschlossen". Theoretisch müsste die Verdauung sofort wieder arbeiten und funktionieren.
Ich selbst hatte auch wahnsinnige Angst vor der OP (damals war ich 16), heute bin ich 18 und komme wunderbar damit zurecht. Klar, die Komplikationen waren schlimm, aber auch das habe ich durchgestanden (wie vieles andere). Und vielleicht klappts bei deiner Freundin wie am Schnürchen.
Ich wünsche euch beiden viel Kraft, Glück, Gesundheit und Ausdauer.
Viele Grüße,
flo
von Absint » 19.06.2008, 14:48
Hallo Sabine.
Ich habe bereits 3 Stoma Operationen hinter mir, jedes mal war es ein Illeostoma. Die erste OP hat mich zweifellos am meisten Überwindung gekostet, da ich zu dem Zeitpunkt erst 14 Jahre alt war. Ich wurde zwar von den Ärzten weitesgehend aufgeklärt, war nach der Narkose aber trotzdem ziemlich skeptisch gegenüber dem Resultat.
Ich fand mich ganz normal in meinem Zimmer wieder, wie schon Flo sagte klebt nach dem Eingriff ein post-OP Beutel (meistens ein Einteiler, d. h. Basisplatte und Beutel sind zusammengeschweißt) an dem Stoma. Schmerzen hat man wegen der Nachwirkung des Narkosemittels überhaupt keine und auch das allgemeine Wohlbefinden ist fast wie vorher. Es hängt meistens von der Pysche ab, ob man seinen Darm als ein Teil von sich selbst betrachtet oder es als "fremdes Objekt" beäugt.
In den Anfangstagen ist es ein komisches Gefühl, wenn das Stoma anfängt zu arbeiten. Die Berührungsängste verschwinden aber spätestens mit dem ersten Platten Basiswechsel. Meistens sind die Stomatherapeutinnen auch sehr zuvorkommend und einfühlsam. Das Stoma ist übrigens kein Schlauch, den man abknickt und wartet bis der Patient aufwacht oder sich erholt, sondern ähnlich einer Autobahnumleitung. Auch wenn man nichts isst, arbeitet das menschliche Verdaungssystem kontinuierlich weiter. Der Unterschied zu vorher ist nur, dass der Stuhl bereits aus dem Körper tritt, bevor es am After angelangt.
Zusätzlich zu dem Stoma legte man mir damals einen Blasenkatheter. Selbst als Mann empfand ich das halb so schlimm, obwohl sich das rausziehen bei uns denke ich etwas unangenehmer gestaltet als bei einer Frau, von daher würde ich mir anstelle deiner Freundin keine weiteren Sorgen machen.
von Zisel » 19.06.2008, 15:12
Hallo Flo - Hallo Absint!
Lieben Dank das ihr mir geantwortet habt.
Gleichzeitig habe ich im Internet noch weiter an Informationen gesucht
und gesehen das die Hits in die Höhe gingen, nur leider ohne Wortmeldung.
Da dachte ich, deine Frage nimmt sicher keiner ernst.
Ihr habt mir mit eurer Erklärung weiter geholfen und mir zumindest eine Vorstellung von dem "Danach" gegeben.
Herzlichen Dank und euch alles Gute, viel Energie und Lebensfreude weiterhin.
Sabine
PS: Wenn ich wüsste was ich noch alles fragen könnte,
würde ich das tun. Wenn ihr noch Hinweise habt, freue
ich mich und werde bestimmt auch antworten um mich
zu bedanken.
von Wiper » 19.06.2008, 15:32
Hallo Zisel,
erstmal herzlich wilkommen im Forum.
Ich hatte auch Colitis ulcerosa und kann dank Ileostoma wieder ein "normales" Leben führen, wofür ich nach 23 Jahren C.u. jeden Tag aufs neue dankbar bin. Ich hatte auch überhaupt keine Probleme das Stoma nach der OP zu akzeptieren, es wäre ohne auf keinen Fall weiter gegangen mit mir
Vielleicht hast Du Lust meine Geschichte hier im Forum lesen:
Meine Geschichte
Alles Gute
Ralf
von Zisel » 19.06.2008, 15:51
Hallo Wiper!
Ich habe gerade deine Geschichte gelesen. Vielen Dank für die Einladung und den Einblick. Leider konnte ich unter deinem Beitrag dort nicht antworten. Darum also hier:
Eine neunstündige Operation muss man erst verkraften und wegstecken können. Viele Begriffe sind mir fremd, aber man lernt ja nicht aus.
Du beschreibst deine damalige Situation sehr ruhig und sachlich, die mit Sicherheit nicht so einfach zu bewältigen war.
Viele Grüsse
Sabine
von michelinchen » 19.06.2008, 16:14
Hallo Sabine
Auch von mir ein herzliches Willkommen .
Ich hab MC und mein Stoma in einer Not-OP bekommen, wußte garnicht wirklich was mir blühte, bis ich erwachte und son komischen Beutel am Bauch hatte. Solang ich auf der Intensiv war hatte ich Magensonde und Blasenkatheder,aber die wurden mir gleich entfernt als ich auf die normale Station kam und es gab auch gleich ein lecker Reisschleim-Süppchen .Also eine Wunddrainage fürs Stoma hatte ich nicht, zum glück auch, mir haben schon die von der Unterleibs-OP gereicht. Ich hab selbst gestaunt, wie schnell das Stoma anfing zu arbeiten,das hätt ich nie gedacht. Schon in der ersten Woche kam eine ganz nette und kompetente Stomatherapeutin zu mir, die mir alles rund ums Stoma erklärte z.b. was für eine Versorgung passt für mich, was kann ich essen ....
Das wird ganz sicher auch bei Deiner freundin sein, hoff ich mal. Aber wie Absint so sagt, es ist auch eine sache der Psyche, wie man mit dem Stoma klar kommt. Da geb ich ehrlich zu,das es bei mir schon ne weile dauerte bis ich es wirklich angenommen hab. Mittlerweile sind mein kleiner Lebensretter und ich ein eingespieltes Team und warten gemeinsam ganz geduldig auf die Rückverlegung . Wenn nicht diesjahr ,dann eben nächstes
Wer weiß,vielleicht wird es Deiner Freundin ähnlich wie Wiper gehn und sie wird mit dem Stoma viel mehr Lebensqualität haben als ohne.
Ich drück Euch beiden jedenfalls ganz dolle die Daumen das alles gut verläuft und es wieder steil Bergauf geht.
LG Michaela
von Neva Dawn » 19.06.2008, 16:21
Hallo Zisel!
Ich bin jetzt seit ca. 1 Jahr ein Ileo-Beuteltier und kann aus Erfahrung sagen, dass wenn man den ersten Schock überwunden hat, das Stoma relativ schnell einfach eine "Ergänzung" des Körpers ist wie z.B. eine Brille oder ein Hörgerät (naja fast so). Anfänglich ist man noch sehr ängstlich und denkt: "Oh Gott - riecht man das, sieht man das, geht der Beutel ab wenn ich mich viel bewege..." aber das gibt sich. Und an alle Veränderungen (z.B. nicht so spät essen, viel trinken, bestimmt Lebensmittel besser meiden) gewöhnt man sich schnell.
Ich denke da Deine Freundin CU hat wird sie schnell merken, dass die Lebensqualität mit dem Stoma ein ganzen Stück nach oben geht. Ich kann da zwar nicht aus eigener Erfahrung sprechen (vorher einen gesunden Darm gehabt), aber die CU Beuteltiere hier sind sich da ziemlich einig!
Ich drücke Deiner Freundin ganz doll die Daumen, dass die Op gut und ohne Kompikationen verläuft und finde es ganz toll, dass Du so zu ihr hälst und sie unterstützt!!
alles Gute und halt die Ohren für Euch beide steif
Petra
von Pico » 19.06.2008, 16:38
Hallo,
ich bin zwar selber nicht betroffen aber mein Lebensgefährte
hat ein Ileo-stoma (Morbuscron).
Er hat sich mit Händen und Füßen gegen die Stoma gewehrt.
Nun sagt er aber ganz klar, hätte er gewusst wieviel Lebensquallität und Mobilität ihm das Stoma zurück gibt, hätte er es schon vieeeeeel früher machen lassen.
Versuch doch einmal deine Freundin mit einem oder einer Betroffenen in direkten Kontakt zu bringen. Mit einem Betroffen redet es sich ja viel leichter als mit einem Arzt die selber nie erlebt hat wie es ist.
mfg Pico
von Zisel » 19.06.2008, 17:10
Wow Michelinchen, Neva Dawn und Pico.
Nie habe ich mit soviel ausführlichen Antworten gerechnet
und das ich so nett als Aussenstehende aufgenommen werde.
Also ein dickes Dankeschön!
Ja ein springender Punkt ist wohl das sie den Gedanken
an ein Ileostoma noch komplett ablehnt, weil ihre Psyche
nicht mitspielt.
Darum habe ich mich nun eingeschaltet um einige Dinge in
Erfahrung zu bringen.
Vielleicht werde ich sie vor vollende
Tatsachen stellen und ihr meinen Thread hier zeigen
um ihr vor Augen zu halten das es nicht das Ende der
Welt sein wird auch wenn es sich für sie so anhört.
Mir habt ihr auf alle Fälle viel positives vermittelt und
überzeugt das das Leben auch Lebenswert ist mit einem Stoma.
Ich weiß nicht ob ich das so sagen darf...
aber ich glaube ihr habt alle eine ganz besondere
Persönlichkeit.
LG
Sabine
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