Neu hier? | schnell registrieren!

Wundverschluss durch Gracilis-Muskel – Seite 1

Viele Wege führen zu einem Stoma. Hier ist Platz für eure Fragen zu Erkrankungen, Behinderungen und Therapien, die ein Stoma notwendig werden lassen.
Antwort erstellen
9 Beiträge • Seite 1 von 1

Wundverschluss durch Gracilis-Muskel

Beitrag von Playitagainsam » 09.02.2015, 10:55

Hallo zusammen,

nach meiner OP im September 2012 (Entfernung von Dickdarm, Enddarm, Schließmuskel und Blase wg. Darmtumor) ist eine ca. 10-12 cm tiefe Wundhöhle verblieben, die eine Öffnung mit Ø ca. 1,5 cm hat und aus der Exsudat in unterschiedlicher Menge austritt (hängt wohl von der Tagesform ab).

Nachdem mit konventioneller Behandlung (tägliches Spülen & austamponieren) keine Besserung erreicht wurde und auch eine 2-monatige ambulante VAC-Therapie keinen Erfolg erzielte (wohl auch, weil dieser Bereich seinerzeit vor der OP noch ein paarmal bestrahlt worden war), habe ich mich schweren Herzens auf das Angebot der Chirurgen über eine erneute OP eingelassen - Termin 03.03.2015.

Dabei soll aus dem linken Oberschenkel der Gracilis-Muskellappen herausgelöst, nach oben geklappt und in die Wundhöhle eingeführt werden, um diese zu verschließen. Diese Methode gilt wohl als erprobt und hat die Vorteile, dass 1. eigenes Gewebe verwendet wird und dadurch kaum Gefahr einer Abstoßung besteht, und 2. es sich um einen "gestielten" Muskellappen handelt, der also weiterhin durchblutet wird.

Hat jemand Erfahrungen mit dieser Art von Wundverschluss gemacht? Mit der OP selber habe ich mich gedanklich mittlerweile schon arrangiert. Mich interessiert hauptsächlich die Zeit unmittelbar im Anschluss: Stimmt es (wie ich an einer Stelle im Internet gelesen habe), dass man 10-14 Tage nach der OP die Rückenlage vermeiden soll? Wie sieht es mit den Schmerzen aus (auch wenn ich weiß, dass das Schmerzempfinden individuell sehr unterschiedlich ist)? Wie sieht die postoperative Wundversorgung aus, und mit welcher Zeitspanne muss man ungefähr für die Heilung rechnen?

Vielleicht findet sich ja jemand, der mir mit ein paar Infos auf die Sprünge helfen kann. Im Voraus schon mal vielen Dank & liebe Grüße

kein Profilfoto
Playitagainsam

Mitglied

Wundverschluss durch Gracilis-Muskel

Beitrag von 2easy4u » 10.02.2015, 19:48

Hallo Playitagainsam,

da hast Du ja schon einiges mitgemacht.
Ich habe Deine Frage gelesen und mich daraufhin hier angemeldet, um Dir evtl. weiterhelfen zu können. Ich stand damals vor meiner OP genauso da wie Du jetzt.
Bei mir wurde im Herbst 2013 der rechte Gracilismuskel gestielt in den Bauchraum verschwenkt und zur Deckung eines Loches in der Blase verwendet. Das OP-Gebiet war bei mir hochgradig entzündet und mehr als 20mal voroperiert und bestrahlt, hat daher entsprechend schlecht geheilt. Zum Schließen der Bauchdecke wurde bei mir zusätzlich ein gestielter Hautlappen vom linken Oberschenkel auf die Bauchdecke verschenkt (anterolaterale Oberschenkellappen, ALT-Lappen). Der ALT-Lappen ist nach der Transplantation an den Seiten etwas nekrotisiert, das wurde aber nachträglich weggeschnitten - im Großen und Ganzen sind beide Lappen gut eingewachsen und verheilt.

Den Wegfall des Gracilis wirst Du nicht spüren, allerdings musste ich nach dem Verschwenken des Gracilis fast 14 Tage Bettruhe einhalten, wodurch die Gracilis-Entnahmestelle stark verklebt ist und meine Muskulatur stark abgebaut hat - das musste ich mir später mühsam wieder weg- bzw. antrainieren.
Das Wichtigste ist, dass Du den komplizierten Eingriff nicht nur von einem Chirurgen durchführen lässt, sondern bei der OP auch einen plastischen Chirurgen dabei hast, der auf dem Gebiet erfahren ist. Wichtig ist nach der OP auch eine prophylaktische Lymphdrainage (ambulant zuhause), da der Muskel durch die Leiste durchgezogen wird, die bei Voroperationen und evtl. Bestrahlungen eh schon potentiell vorgeschädigt ist.
Die Abstoßungsgefahr ist gering, allerdings kann der Stiel mit Blutversorgung und Gefäßen Schaden nehmen, wenn man die Leiste zu früh belastet (daher musste ich so lange liegen). Wenn der Stiel Schaden nimmt, können Teile des Muskellappens absterben. Die kritische Stelle ist die Engstelle in der Leiste, durch die der Lappen durchgeführt wird. Knicken die Gefäße in den ersten Tagen nach der OP ab, kann der Lappen absterben.
Liegen in Rückenlage musste ich nicht vermeiden, ich lag quasi 14 Tage nur auf dem Rücken und auf der Seite, niemals aber auf dem operierten Bauch. Die Beine waren immer leicht angewinkelt, ich lag nie mit gestreckten Beinen und gespannter Leiste im Bett.
Die Schmerzen waren bei mir erträglich, ich hatte mir aber eine Schmerzpumpe legen lassen (per Periduralanästhesie) und postoperativ ordentlich Schmerzmittel (Opiate) eingenommen, sonst kann es schon an die Substanz gehen. Außerdem würde ich das Bein früh, möglichst schon im Krankenhaus, vorsichtig trainieren (bitte nur mit Physiotherapeut!), damit nichts verklebt und sich nicht zu viel Muskulatur zurückbildet.
Bei mir war die Heilung der Entnahmestelle weniger das Problem, sondern die Heilung meines mehrfach voroperierten Bauches. Am Bein hat mich nur der Muskelabbau und die Verklebungen an der Entnahmestelle behindert.

Wo wirst Du chirurgisch betreut? Nach meinen Erfahrungen würde ich bei solch komplizierten Eingriffen und einer so langen Vorgeschichte nur absolute Spezialisten aufsuchen! Jeder Chirurg verspricht einem immer alles, aber man selbst muss mit dem Ergebnis ein Leben lang zurecht kommen - daher bitte keine Kompromisse eingehen!

kein Profilfoto
2easy4u

Mitglied

Wundverschluss durch Gracilis-Muskel

Beitrag von Playitagainsam » 12.02.2015, 14:33

Hallo 2easy4u,

zuerst mal vielen Dank für die ausführliche Antwort. Bei mir ist die Entnahme aus dem linken Oberschenkel geplant, denn rechts ist etwas im Weg. Da ich mir zu dem ererbten Darmkrebs noch einen Hodentumor (weiß der Teufel, woher) geleistet hatte und sich an der OP-Narbe nach Entfernung des befallenen Kollegen eine Fournier'sche Gangrän gebildet hatte, musste das Skrotum komplett entfernt und der verbliebene Hoden eben in den rechten Oberschenkel verpflanzt werden.

Damit, dass ich nach der OP eine Weile das Bett hüten muss und wahrscheinlich Schmerzmittel benötigen werde, habe ich mich gedanklich schon irgendwo arrangiert. Ich werde zusehen, mich (selbstverständlich unter Anleitung) so schnell wie möglich wieder zu mobiliseren. Wie wichtig das ist, habe ich damals 2012 gemerkt, als ich nach überstandener 10-stündiger OP mit 51 kg im Bett lag - und das bei einer Körperlänge von 1,94m. Das hat lange gedauert, bis ich die durch das Herumliegen verlorene Muskelmasse wieder aufgebaut hatte.

Ich werde chirurgisch von derselben (Uni-)Klinik betreut, die seinerzeit auch die Beckenexenteration vorgenommen hatte. Da ich (bis auf die Wundhöhle halt) seitdem keine weiteren Beschwerden in dem Bereich hatte und mir meine Stomaschwester gesagt hat, dass die sich bei meinen (immerhin endständigen) Stomata offenbar sehr viel Mühe gegeben haben, fühle ich mich da ganz gut aufgehoben. Zumal ich nicht der erste Patient bei denen bin mit so einer Wunde und sie sehr gute Erfahrungen mit dieser OP-Variante gemacht haben.

Wie war das bei Dir nach den ersten 14 Tagen? Wie darf ich mir das mit der Lymphdrainage zu Hause vorstellen, und wie lange hat es gedauert, bis alles einigermaßen verheilt war? Ich weiß natürlich, dass der Heilungsprozess individuell unterschiedlich ist; nur so zur groben Orientierung. Immerhin bin ich seit Juni 2013 wieder voll berufstätig und will dann zeitnah auch wieder arbeiten gehen.

Generell bin ich ganz zuversichtlich, was diese Sache angeht. Denn dass (wie die letzten reichlich 2 Jahre) jeden Tag der Pflegedienst auf der Matte steht, um die Wunde zu versorgen, kann ja kein Dauerzustand sein. Und solange die mir bei meinen turnusgemäßen Nachsorgeuntersuchungen jedesmal erzählen, dass von einem Tumor weit und breit nix zu sehen ist, lässt sich der Rest schon aushalten.

Viele Grüße

kein Profilfoto
Playitagainsam

Mitglied

Wundverschluss durch Gracilis-Muskel

Beitrag von 2easy4u » 25.03.2015, 20:11

Hallo Playitagainsam,

hast Du Deine OP inzwischen hinter Dir? Ich hoffe und wünsche Dir, dass alles gut verlaufen ist!
Wow, bei Deiner Krankengeschichte musste ich echt nochmal schlucken, Respekt, wie Du das alles erträgst. Ich denke man hat nur mit Mut und Optimismus die Chance, so große Eingriffe immer gut wegzustecken. "Kopf in den Sand" bringt ja nichts, auch wenn es manchmal gut täte :)
Seit ich weiß, dass meine Tumore zur Ruhe gekommen sind, lassen sich bei mir auch alle "Kollateralschäden" besser ertragen.

Mit Lymphdrainage zuhause meinte ich die ambulante Lymphdrainage beim niedergelassenen Masseur. Das mache ich seit meinen letzten großen Bauch-OPs 2014 jetzt alle ein bis zwei Wochen prophylaktisch. Wassereinlagerungen oder Ödeme habe ich aber keine (trotz künstlicher Ernährung über Port), alles nur zur Vorsorge. Schaden kann es nicht.

Mein Heilungsverlauf nach der Muskel- und Hauttransplantation war leider ziemlich untypisch, weil ich vorher schon sehr geschwächt war und insgesamt drei Monate stationär lag. Daher hat sich das bei mir ungewöhnlich lange hingezogen. Ich denke, wenn man recht fit in die OP geht ist man sicher nach drei bis vier Wochen wieder fit. Die Entnahmestelle war bei mir extrem schnell verheilt, die Transplantationsstelle hat aber recht lange gebraucht, bis sie abgeheilt war (mehrere Monate). Aber wie gesagt, meine Wundheilung war durch die Vor-OPs extrem verzögert.
Aber wenn Du zukünftig den Pflegedienst nicht mehr brauchst, wäre das doch ein echt großer Gewinn an Lebensqualität. Meld Dich doch mal, wie´s gelaufen ist.

Viele Grüße

kein Profilfoto
2easy4u

Mitglied

Wundverschluss durch Gracilis-Muskel

Beitrag von Playitagainsam » 02.04.2015, 13:42

Hallo,

sorry, kann mich jetzt erst wieder melden - mein Datenvolumen für März war aufgebraucht, und mit gedrosseltem Speed werd ich wahnsinnig ...

Ich bin zwar seit 2. März im Krankenhaus, aber am eigentlich vorgesehenen OP-Tag, dem 3. März, ist die Wunde nur gründlich gereinigt worden, und seitdem habe ich einen VAC-Verband an der Backe (im wahrsten Sinne des Wortes). Bei den Abstrichen, die bei den Verbandswechseln alle 4 Tage gemacht werden, findet sich doch noch der ein oder andere Keim. Deshalb bekomme ich parallel auch eine Antibiose, denn mit so einem Entzündungsherd macht eine Plastik noch keinen Sinn.

Außerdem hat man auch noch einmal umgeplant, nachdem der Prof. bei einem der Wechsel einen Blick darauf geworfen und festgestellt hat, dass der Gracilis bei meiner ca. 12cm tiefen Wundhöhle nicht ausreicht. Jetzt wollen sie den Gluteus nehmen.

Momentan sieht das Exsudat, das aus der Wunde abgesaugt wird, sauber aus. Nach dem morgen anstehenden Verbandswechsel sieht es ganz gut aus, dass man die Plastik Anfang nächster Woche in Angriff nehmen kann. Es bleibt also spannend ...

kein Profilfoto
Playitagainsam

Mitglied

Wundverschluss durch Gracilis-Muskel

Beitrag von Playitagainsam » 19.04.2015, 15:26

So, nun ein kurzes Update:
- Plastik-OP ist am 14.04. erfolgt
- der Gluteus wurde von beiden Seiten in die Wundhöhle geklappt
- hatte 3 Wunddrainagen und Schmerzmittel iv
- durfte weder sitzen noch auf dem Rücken liegen

Nach dem Aufwachen hatte ich etwas Wasser erbrochen; war eine Nachwirkung der Narkose, die ja stärker war als bei den vorangegangenen VAC-Wechseln. Schmerzen waren auch nicht ohne. Außerdem war ich im Aufwachraum offenbar längere Zeit auf der Seite gelagert, mit den Knien direkt aufeinander. Als Folge waren bis Mittwoch Nachmittag die Innenseiten der Knie taub.

Das Schmerzmittel konnte schon am nächsten Tag wieder abgesetzt werden, ich habe mir dann nur für die Nacht eine Tablette geben lassen. Bin dann am Mittwoch auch schon wieder aufgestanden und rumgelaufen. Am meisten störte mich, dass ich mein Essen im Stehen einnehmen musste.

Beim Verbandswechsel am Donnerstag gab es ein :super: vom Doc - 1. wurde chirurgisch offenbar hervorragend gearbeitet (der Prof selber war feder- bzw. messerführend), und 2. läuft die Wundheilung auch sehr gut. Am Freitag konnte dann schon eine der Drainagen entfernt werden, da dort kaum noch etwas abgelaufen ist. Seit heute darf ich auch wieder aufrecht auf einem Stuhl sitzen, mit einem ringförmigen Sitzkissen - eine Wohltat!

Auch die anderen beiden Drainagen können wohl bald raus, da sie zuletzt in 24h auch nur noch 20-30ml abgeleitet haben. Es geht also weiter bergauf. Solange ich noch Drainagen drin habe, setzen die Ärzte auch die Antibiose fort, um das Risiko einer Entzündung weiter zu minimieren.

Soweit der aktuelle Stand. Das Gröbste habe ich also hinter mir, und jetzt kann es Schritt für Schritt weiter gehen in Richtung Normalität.

Viele Grüße

kein Profilfoto
Playitagainsam

Mitglied

Wundverschluss durch Gracilis-Muskel

Beitrag von Addie » 20.04.2015, 21:51

Hallo Playitagainsam!
Freut mich, dass bei Dir alles so gut klappt und die OP erfolgreich war :gut:
Ich wünsche Dir weiterhin gute Erholung!
Liebe Grüsse Addie :winke:

kein Profilfoto
Addie

ehemaliges Mitglied

Wundverschluss durch Gracilis-Muskel

Beitrag von Playitagainsam » 09.05.2015, 11:20

Hallo zusammen,

am 29.04. durfte ich (endlich) das Krankenhaus verlassen, nachdem auch die letzte Drainage entfernt wurde, sich der Entzündungswert im Blutbild auf einem normalen Level eingepegelt hat und ich keine Antibiose mehr bekomme. Die Fäden wurden erst einmal noch belassen, um auf Nummer Sicher zu gehen.
Gestern wurde ein Großteil der Fäden ambulant entfernt - meine Wundheilung funktioniert so gut, dass einige davon schon in die Haut integriert waren :schockiert: Nur am "Zwickel", d. h. dort, wo zwischen den Schenkeln die Nähte zusammentreffen, tritt noch etwas Wundflüssigkeit aus, die aber ganz normal serös ist, also kein Hinweis auf eine Entzündung. An der Stelle hat man auf 1-2cm die Fäden noch drin gelassen, die sollen dann nächsten Mittwoch raus.
Ich kann jetzt schon wieder weitestgehend normal sitzen; bei extremen Dehnungen (z. B. beim morgendlichen Sockenanziehen) zieht es noch ein bisschen, aber nicht bedenklich. Wenn es weiter so gut läuft, werde ich nach Pfingsten wieder ins Berufsleben einsteigen und endlich auch dieses Thema als erledigt betrachten. Alles in allem kann man die OP als vollen Erfolg bezeichnen. Meine Ausdauer hat sich also ausgezahlt.

Viele Grüße

kein Profilfoto
Playitagainsam

Mitglied

Wundverschluss durch Gracilis-Muskel

Beitrag von Peter51 » 09.05.2015, 17:06

Hallo Play............,
Ich wünsche Dir weiter so guten Verlauf und ich lese es gerne dass diese komplizierte Operationstechnik so gut bei Dir "funktioniert ""hat.
Gute Besserung.

Gruß aus Berlin Peter51

kein Profilfoto
Peter51

Mitglied

Antwort erstellen
9 Beiträge • Seite 1 von 1


Beiträge der letzten Zeit anzeigen:
Sortiere nach: