von Miss-Watson » 22.08.2011, 11:58
Hallo erstmal!
Hatte gerade schon diesen Beitrag geschrieben, bin auf irgendne blöde Taste und nu ist er weg. Na super Einstand hier, oder? :mad:
Also ich selber bin nicht betroffen, aber mein 25jähriger Bruder ist seit November Stomaträger.
Aufgrund eines unerkannten Morbus Crohn erlitt er im November eine Darmperforation und ihm wurde ein Stoma verpasst. Es wurde ihm ein Teil Dünn- und ein Teil Dickdarm entfernt. Er lag lange auf der Intensivstation und ist da durch die Hölle gegangen, weil er recht klar bei Verstand war, neben ihm aber ständig Leute verstorben sind.
Als er dann nach ca. 4 wöchigem KH-Aufenthalt nach hause kam, mußte er erstmal aufgepeppelt werden, aber das hat insofern gut geklappt, weil ich gerade schwanger war und berufsverbot hatte und somit auch viel Zeit hatte, um nach ihm zu schauen. Bin morgens zu ihm hin und abends wieder weg. Erstmal lief alles ganz gut und er kam auch mit dem Stoma gut klar. Schwierig wurde es dann erst, als er ins normale Leben zurück wollte und dies leider nicht klappte. Er ist Elektriker und stellte ziemlich schnell fest, daß das mit seinem Stoma nicht gut vereinbar ist. Auf Leiter klettern, abwechselnd in gebückter und gestreckter Haltung arbeiten, hatten desöfteren zur Folge, daß sich die Platte löste. Aber er ist praktisch veranlagt, klebte das ganze mit Panzerband fest und machte das nötigste zuende, bevor er nach hause fuhr, um sich eine neue Platte zu kleben. Auf Dauer war das allerdings nix und so machte er aus der Not eine Tugend und meldete sich zur Meisterschule an, schließlich sollte das Stoma ja zügig zurück verlegt werden. Das war dann aber wohl nix, weil bei der Spiegelung, die vorher gemacht werden mußte, raus kam, daß alles noch zu entzündlich ist. Seit November nimmt er Cortison, welches er langsam absetzen sollte, was aber nicht ging, denn jedesmal, wenn er unter 25mg kam, bekam er wieder starke Beschwerden. Erklärung des Arztes: cortisonabhängiger MC. (Falls ich hier irgendwas nicht richtig ausdrücke, bitte ich das zu entschuldigen, so ganz fit bin ich natürlich nicht in der Materie). Nun wurde vor ca. 6 Wochen eine Immunsupressivtherapie eingeleitet, bislang ist aber nicht zu erkennen, ob es was bringt, aber es wurde ja von vornherein gesagt, daß er erst 2 Monate die Enddosis nehmen müßte, bevor man eine Verbesserung erkennen kann.
Das größte Problem ist allerdings, daß er sich völlig abkapselt, was ich sogar gut verstehen kann. Auf Partys will er nicht mehr, weil er Angst hat, daß ihm jemand gegen das Stoma rempelt. Sein bester Freund aus Sandkastentagen hat sich abgewandt, warum wissen wir nicht. (Wir vermuten, daß es an seiner neuen Freundin liegt!). Da ich natürlich verstehen kann, daß er sowas meidet und ich ja auch die Zeit habe, mach ich natürlich so viel mit ihm, wie es geht. Gestern dann die Katastrophe. Ich konnte ihn dazu überreden, mit uns Doppelkopp zu spielen. Das haben wir früher total viel gemacht und ich hab die alte Konstellation zusammen getrommelt. Er hatte mega Spaß und es schien, als hätte er mal für nen Moment vergessen, daß er ein Stoma trägt. Blöd war, daß ich nicht mitgedacht habe und wir im Wohnzimmer saßen. Er saß im Sessel und mußte sich immer nach vorn beugen, um an die Karten zu kommen. Nach ner Stunde stand er ziemlich panisch auf und verschwand ins Bad. Auf dem Sessel konnte ich dann sehen, daß er ein großes Problem hat. Die Platte hatte sich wohl gelöst. Hab schnell die Decke verschwinden lassen und ne neue über den Sessel gelegt und gut. Aber für ihn war natürlich gar nix gut. Er ist wie ein geprügelter Hund in sein Auto verschwunden und abgehauen. Mutter meinte später, er hätte sich direkt ins Bett verzogen, nachdem er die neue Platte geklebt hatte.
Ich habe das Gefühl, daß er sich immer weiter in sich zurück zieht. Und als wir letztes Mal beim Arzt raus kamen und er ihm sagte, daß das mit der Rückverlegung noch dauern würde, meinte er, daß er bei der nächsten Verschiebung nicht mehr "wollen würde". Hab das Gefühl, daß er in eine Depression abrutscht und ich weiß nicht, wie ich ihm helfen soll! Habt Ihr Ratschläge?
von hoffnung » 22.08.2011, 12:18
hallo miss-watson,
zunächst einmal ein herzliches willkommen im forum.
ich finde es toll das du dich fürdeinen bruder hier erkundigst und immer für ihn das bist.
es gibt verschiedene stomaprodukte und hersteller. ausserdem gibt es eineilige und zweiteilige versorgungssysteme. es gibt plane, konvexe und konvex ligth platten.
weisst du welches produkt, einteilig oder zweiteilig, dein bruder benutzt?
benutzt er plane oder konvexe platten?
er kann sich auch von verschiedenen firmen muster bestellen
und testen was für ihn am besten ist.
es braucht eine gewisse zeit bis er die für ihn richtige vversorgung gefunden hat.
ich hoffe ich habe dich jetzt nicht überfordert.
liebe grüsse
ute
von Miss-Watson » 22.08.2011, 12:25
Hallo Ute,
also, er hat definitiv ein zweiteiliges System und wenn ich nicht irre, plane Platten. Von welcher Firma, weiß ich leider nicht. Und ich vermute auch, daß das so nicht sein muß, daß die Dinger ständig abgehen. Wie häufig das passiert, weiß ich gar nicht, redet er ja nicht drüber. Aber ich habs schon ein paar Mal mitbekommen. Er hat aber jetzt auch nicht die Lust, sich bei seiner Stomatherapeutin zu beklagen. Am Anfang hatte er ein anderes System und das war bescheiden. Das ging permament ab. Hiermit war er jetzt zufrieden, eigentlich. Aber die Möglichkeit andere Firmen auszutesten, find ich doch recht reizvoll, denn vielleicht ist das Optimum noch nicht bei ihm gefunden. Woran kann er sich denn dann wenden?
von schneiderlein » 22.08.2011, 12:35
Hallo,
seit 20 Jahren bin ich selbst Stomaträgerin.
Auch bei mir war es die Krankheit Morbus crohn.
Die Stomaversorgung ist nur ein Teil der seelischen Belastung. Auch der Crohn hat zuvor schon einen Teil dazu beigetragen.
Es hört sich bestimmt schlimm an, aber Dein Bruder sollte so schnell wie möglich in psychotherapeutische Behandlung gehen. Denn nur so kann er sein Leben wieder in den Griff bekommen.
Meine Freunde, meine Nachbarn und jeder der mich kennt, weiß von meinem Stoma. Noch nie habe ich erlebt, daß sich jemand abgewandt hat. Denn wir sind eigentlich sauberer wie die Normalos. Bei uns ist alles gut verpackt.
Dein Bruder kann sich auch an den Verein "Ilco" wenden. Dort sind meistens alle Produkte zum Ausprobieren vorhanden. Auch kann ein Gürtel helfen, mehr Sicherheit zu bekommen. Hoffe Dein Bruder kommt wieder auf die Beine.
Gruß Schneiderlein
von hoffnung » 22.08.2011, 12:54
hallo miss-watson,
mitden planen platten hatte ich auch ständig pannen.
jetzt benutze ich konvex-light platten, 2 teilig.
seither habe ich selten noch das problem das die platte abgeht.
wenn er seiner stomatherapeutin sagt, das die platte ständig abgeht hat das nichts mit beklagen zu tun.
eine optimale versorgung ist doch sehr wichtig um am leben teilhaben zu können.
er soll sich entwerder von der stomatherapeutin, oder noch besser, bei de4n herstellern muster anfordern.
einen lieben gruss an deinen bruder.
liebe grrüsse
ute
von Frank38 » 22.08.2011, 12:56
hallo miss-watson,
also Stoma Produkte kannste von jeder Firma als Muster bestellen um zu schauen welche Versorgung die richtige ist.
Sowas kann man über die Stomatherapeutin machen oder halt selbst die Muster bestellen.
Hier sind mal Firmen wo man sich muster bestellen kann.
www.convatec.de
www.dansac.de
www.coloplast.de
www.eurotec.eu
www.stomacare.bbraun.de
www.stomocur.de
www.hollister.de
www.marleneurope.eu
www.wegimed.de
www.eakin.de
lg Frank
von doro » 22.08.2011, 12:59
Hallo Miss Watson,
ich meine, daß Dein Bruder die falsche Versorgung trägt.Einige, so wie auch ich, gehen zum Sport oder im Haushalt, Gartenarbeit usw kommt man um das Bücken auch nicht herum.Beim Fahrradfahren, glauchte ich auch, daß durch die ständige Beinbewegung,die Platte ins Rutschen kommt - nein das sollte eine gute Versorgung schon aushalten. Sicherlich passieren Pannen und das jedem von uns,aber trotzdem ist ein normales Leben möglich.Ohne Versteckspiel. Meine Freunde wissen alle von meinem Stoma und wir machen gemeinsam Kreuzfahrten, Wochenendreisen mit Städtetour und weitere schöne Dinge. Wie bereits geschrieben, fordert Euch Muster an und testet bis Ihr die richtige Versorgung habt.
von le courageux » 22.08.2011, 13:25
Liebe Miss Watson,
ich glaube, dass dein Bruder ähnliches erlebt, wie ich es auch erlebt habe. Operation 3. September letzten Jahres, danach viele Wochen Intensivstation. Insgesamt 66 Tage Klinik, danach AHB. Die erste Zeit habe ich nur wenig gegessen, mein Stoma wurde nach einem Zeitplan in der Klinik versorgt, alles optimal. Dann habe ich besser gegessen, die Stomaversorgungzeit wurde aber nicht geändert und die „Unfälle“ häuften sich, manchmal wurde die Platte sogar mehrmals am Tag unterwandert. Hinzukam, dass noch nach dem idealen Versorgungsmaterial für mein Stoma gesucht wurde. Irgendwann bekam ich dann eine Versorgung mit Gürtel. Ich kam nach Hause, war noch nicht sehr routiniert bei dem Umgang mit Stoma, was immer wieder zu Unfällen führte, es wurde aber immer besser. Und heute ist es so, dass ich am le. Freitag die Platte unterwandert hatte, und davor ca 4 Monate kein Problem. Es ist also bemerkenswert gut. Ich bin sicher, dass das bei deinem Bruder auch so kommt, wenn er nicht aufgibt. Ihr werdet sehen, wenn die Versorgung so nach und nach besser klappt, kommt die Psyche auch besser mit dem Zustand zurecht. Und was die Rückverlegung betrifft, die hatte man mir auch kurzfristig in Aussicht gestellt, heute bin ich mir gar nicht mehr sicher, ob ich die haben will. Und noch was zum Freundes- und Bekanntenkreis. Am Anfang habe ich mein Stoma „Topp-Secret“ behandelt. Je mehr ich aber erkannt habe, dass ich mich in einer nicht zu ignorierenden Situation befinde umso offener gehe ich damit um. Es ist mir mittlerweile auch zu anstrengend, darauf zu achten, wem habe ich es gesagt und wem nicht. Sicher trage ich kein Schild vor mir her „Bin Känguru“, aber die Familie und Freunde wissen, was bei mir los ist und wirkliche Freunde haben damit gar kein Problem.
Ich weiß, dass jeder anders gebaut ist und ich bin selbst auch mehr bei den Ratsuchenden als bei den Ratgebenden aber vielleicht passt ja einer meiner Gedanken auch bei deinem Bruder und er kommt so ein wenig besser klar.
In diesem Sinne viele Grüße aus Wiesbaden
Rüdiger
von Nougattörtchen » 22.08.2011, 15:07
Hallo Miss Watson,
oh ja, das kommt mir alles sooo bekannt vor.
Ich war 100 Tage im Krankenhaus, davon auch einige Zeit auf der ITS. Die körperlichen Schäden sind sichtbar und werden von den Ärzten behandelt. Aber was oft viel schlimmer ist, sind die seelischen Schäden, die so ein Eingriff und so eine lange KH-Zeit nach sich ziehen.
Ich habe mich, genau wie dein Bruder, zurückgezogen und mich abgekapselt. Ich dachte oft, so wie ich jetzt bin, möchte ich nicht mehr Teil meiner Welt von früher sein.
Aber ich hatte Glück, ich habe eine wunderbare Familie die mich unterstützt, einen Mann, der mich aus diesen Depressionen herausgezogen hat und dann dieses Forum hier entdeckt.
Du scheinst dich wirklich gut um deinen Bruder zu kümmern, ihn zu unterstützen und dir Sorgen um ihn zu machen.
Ermutige ihn doch mal dazu sich selbst hier im Forum "umzusehen". Das hat mir persönlich sehr, sehr viel gebracht und ich habe hier Freunde gefunden, die ich nie mehr missen möchte.
Hier im Forum erkennt man, dass man mit all seinen Sorgen und Problemen nicht alleine ist, hier ist immer jemand für einen da. Und manchmal ist es vielleicht auch einfacher sich Fremden gegenüber zu öffnen und über seine Sorgen zu sprechen, wie mit seiner Schwester, Bruder, Mann, Frau.....
Wünsche dir und vor allem natürlich deinem Bruder alles Gute und viel Mut und Kraft für die Zukunft.
Bella
von Hanna70 » 22.08.2011, 15:58
Hallo Miss Watson,
was Bella geschrieben hat, kann ich nur 100%ig unterschreiben. Wir alle hier haben sehr schlimme Zeiten durchlebt und durchleben sie zum großen Teil immer noch - mit körperlichen und seelischen Folgen.
Dein Bruder hat das ganz große Glück, dass er Dich zur Seite hat. Doch darauf kann er nicht immer zählen, vor allem, wenn Du Dich bald um Dein Baby kümmern musst.
Darum wirklich der gut gemeinte Rat: Dein Bruder sollte sich selbst auch im Forum anmelden. Hier kann ihm in vielen Dingen geholfen werden, sowohl bei ganz praktischen Problemen wie der Versorgung des Stomas, als auch bei vielen anderen Fragen, die sich im Alltag immer wieder stellen.
Auch wenn es bei seelischen Problemen nicht immer eine rundum befriedigende Lösung geben kann, weil wir 1. alle Laien sind und 2. jeder Mensch anders mit Problemen umgeht, wird er schon aus den laufenden Diskussionen erkennen, dass er nicht allein ist.
Ich habe das Forum leider erst 3 Jahre nach meiner Erkrankung gefunden. Im Nachhinein sehe ich es so, dass diese 3 Jahre so gut wie verlorene Zeit waren. Denn hier habe ich Hilfe bekommen, die ich woanders nie gefunden hatte.
Ich wünsche Dir und Deinem Bruder alles Gute
Liebe Grüße von
Rosi
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