von Pelle » 19.06.2009, 21:40
Hallo! Ich hab schon länger überlegt, mich hier anzumelden, habs aber irgendwie lange nicht geschafft, diesen für mich schweren Schritt, Hilfe anzunehmen, zu machen!
Also erstmal zu mir:
Ich bin 22 Jahre. Seit 9,5 Jahren hab ich Colitis Ulcerosa. Der Krankenverlauf verlief sehr schlecht. Immer wieder Rückfälle, Einnahme von Cortison, dauerndes Einnehmen von Immunsuppressivum, Gewichtsverlust, Apetitlosigkeit, Durchfall, soziale Isolierung...! Bei mir wurde quasi jeder Versuch unternommen, jedes Medikament ausprobiert undundund. Bis ich mich dann für eine OP mit Entfernung des Dünndarms und Anlegen eines Pouch entschieden habe. Dies fand vor zwei Jahren nach dem Abitur statt. In lauter "Vorfreude" und Hoffnung auf bessere Lebensqualität und der Beginn eines neuen Lebens ging ich in diese OP. Doch es ging einiges schief bei der OP (näheres weiß ich bis heute nicht und will ich auch gar nicht wissen) und Konsequenz der zweiten Not-OP war das endgültige Entfernen des Pouch und das Anlegen eines dauerhaften Ileostomas.
Schon als ich mich für die erste OP entschied, stand für mich fest: Dieses Stoma ist nur vorübergehend bis zur Rückverlegung. Denn die Vorstellung, dass das Darmende aus deinem Bauch guckt und du mit einem Beutel am Bauch durchs Leben läufst, war/ist doch für mich immer noch eine Horrorvorstellung. Und nun sind zwei Jahre vergangen und ich trage immer noch das Ileostoma. Eine Rückverlegung ist nicht geplant bzw. lohne sich auch nicht ohne den Pouch. Ich kann mich nicht damit anfreunden mit der Vorstellung: für immer aufgrund womöglich eines Arztfehlers bis an mein Lebensende mit einem Stoma. Das Stoma begleitet mich gedanklich durch den ganzen Tag: morgens beim Duschen fühle ich mich mit Beutel nicht frei, dann trage ich Hosenträger, weil ein Gürtel unmöglich ist und ich den Beutel lieber in der Hose verschwinden lasse, dann sitze ich schwitzend in der Vorlesung, in der Hoffnung, dass keiner mein Laute von sich gebendes Stoma bemerkt, dann vermeide ich alle Aktivitäten, wo Stille herrscht, aber auch große Menschenmassen sind, weil ich halt Angst habe,dann habe ich das Gefühl mit meiner noch zurückhaltenderen Art in Bezug einer Partnerschaft, geschweige denn eine Familie gründen zu können. Kurzum: ich mach mir im Kopf immer wieder bewusst, was ich alles nicht kann, was mich bedrückt, wie schlecht es mir doch geht und was wäre, wenn alles glatt gelaufen wäre und ob es überhaupt richtig war, die OP anzugehen? Diese durch den Kopf schwirrenden Fragen und das Bewusstmachen negativer Dinge beeinflusst mich doch ziemlich und bestimmt meinen Tag von morgens bis abends! Vor kurzem habe ich eine Psychotherapie, um Dinge zu verarbeiten, besser/offener mit meinen Problemen umzugehen. Ich hoffe es hilft. Gibt es überhaupt hier in diesem Forum Menschen mit demselben Schicksal: jung, Ziel: Anlage eines Pouch und nachträglicher Rückverlegung, Anlage eines Ileostomas durch Ärztefehler?
Ich bin gespannt und dankbarauf andere Lebensgeschichten und überhaupt jede Antwort!
Bis denn
von Linie 22 » 19.06.2009, 21:47
Ich bin gespannt und dankbarauf andere Lebensgeschichten und überhaupt jede Antwort
von Monsti » 19.06.2009, 22:35
Hallo Pelle,
ich sag' nur: Es war eine sehr gute Idee, dass Du Dich hier angemeldet hast. Ich denke, eine aktive Teilnahme im Forum wird Dir (neben einer Psychotherapie) sehr helfen.
Schau in meine Signatur, dann weißt Du, wie ich über "Pleiten, Pech und Pannen" denke.
In diesem Sinne HERZLICH WILLKOMMEN und liebe Grüße aus Tirol
Angie
von Sabine049 » 20.06.2009, 09:55
Hallo Pelle,
Dein Nickname umschreibt Deine gegenwärtige verzwickte Situation treffend!
Kopfkratz ... im wesentl. kann ich mich Linies und Monstis Worten anschliessen.
Wenigstens kannst Du Deine derzeitige "Kopflastigkeit" in Worte fassen und hast erkannt, dass sie Dich primär im Alltag ausbremst.
Gute Ansätze für den Anfang, denn aller Anfang ist schwer:
die Inanspruchnahme einer Gesprächstherapie ,
(viele lehnen kategorisch eine Behandlung ab)
die Selbsterkenntnis ,
dass Du den Weg hierher gefunden hast ,
In dem Sinne
herzlich Willkommen |
von Webkänguru » 20.06.2009, 20:53
Hallo Pelle,
ja, so jemanden gibt es. Entfernung des Dickdarms nach jahrelanger Cu und Anlage eines ileoanalen Pouch plus Entlastungsstoma im Alter von 18 Jahren.
Rückverlegung des temporären Stoma nach drei Monaten. Danach hohe Stuhlfrequenz, Pouchitis, heftige Schmerzen, nächtliche Inkontinenz ... nach 9 Monaten war der Pouch plus die inneren OP-Nähte so entzündet, das der Pouch wieder entfernt werden musste.
Seit meinem 19. Lebensjahr lebe ich mit einem endständigen Ileostoma. Ich bin jetzt 32 Jahre alt, habe eine Familie, ein Haus, einen ausfüllenden Job, gehe meinen Hobbies nach ... sprich: ich führe ein ganz normales Leben und die meiste Zeit des Tages denke ich nicht im entferntesten an mein Stoma.
Pelle, der Trick dazu ist simple: du darfst dich nicht länger deinem Stoma verschließen, du musst lernen es zu akzeptieren. Ich schreibe ganz bewusst "lernen". Das kann nämlich ein langer Prozess sein und es ist kein Eingeständnis von Schwäche wenn du dir einen "Coach" zu Hilfe holst.
Die Cu war die Hölle, der Pouch die unter diesen Umständen optimale Lösung ... das Stoma ist ein Kompromiss. Mit Kompromissen kann man leben, mit der Hölle im Nacken nicht.
Viele Grüße,
euer Webkänguru
von Monsti » 20.06.2009, 21:21
Hallo Pelle,
meine eigene Geschichte hat zwar nichts mit einer CED zu tun, aber mit vermeintlichem Ärztepfusch, der halt nicht nachzuweisen ist. Ist mir aber auch egal, da ich mit dem Ileostoma besser lebe als mein ganzes 47 Jahre währendes Leben zuvor.
Es macht keinen Sinn, vergangenen (wahrscheinlich gesunden) Zeiten hinterherzutrauern. Wäre bei mir die erste OP komplikationslos verlaufen, hätte ich jetzt noch ca. 25 cm Dickdarm und den normalen Ausgang. Es lief aber nicht komplikationslos, so dass ich 5 Tage nach der ersten OP auch noch den Rest des Dickdarms sowie den größten Teil meines Rektums los wurde und ein endständiges Ileostoma bekam. Das war Ende Jänner 2004. Seitdem lebe ich mit meinem Spuckerle, das auch bis zum Ende meines Lebens zu mir gehören wird. Und? Kein Mensch sieht mir etwas an, vorausgesetzt, ich bin angezogen. Ich bewege mich wie jeder andere Mensch auch, bin verheiratet und pflege meine Hobbies.
Liebe Grüße aus dem heute ätzend kalten Tirol
Angie
von christoph78 » 21.06.2009, 08:34
Hallo Pelle,
ich kann Dich und Deine Gedanken gut verstehen, bzw, nachempfinden wie hart das für dich ist. Unsere Krankheitsbilder sind zwar verschieden, aber irgendwie doch wieder ähnlich.
Ich bin mit 31 an Dickdarmkrebs erkrankt(2005), hatte im Herbst 2007 ein Verdacht auf ein Rezidiv und bekam ein endständiges Colostoma samt Rektumamputation verpasst. Nur das das eigentlich nicht nötig war, den dieser angebliche Krebs war Narbengewebe, was duch die damalige Bestrahlung entstanden ist.
Anfangs habe ich Rotz und Wasser geheult und kam mit Stoma wie auch mit der riesen Wunde am Hintern überhaupt nicht klar. Mit der Zeit habe ich mich gezwungen die Umstände so zu akzeptieren wir sie sind. Ich habe also aufgeschrieben, was ich vor der OP gern gemacht habe und was ich davon mit Stoma noch machen kann. Ich war verblüfft, den ich hatte viel mehr Einschränkungen erwartet.
Wie ist der Stand heute:
Trotz Stoma gehe ich regelmäßig Joggen, spieler wieder Fußball und trinke auch mal ein Bierchen. Anscheinend hat es durch diese Aufschreibaktion in meinem Kopf klick gemacht und ich komme nun wirklich gut klar, ohne mir selbst was vorzumachen.
Mein Rat:
Akzeptiere Deinen Körper wie er ist, stehe zu Deinem Stoma und versuche trotzdem in Deinem Leben ein Maximum an Spaß zu haben.
Ich wünsche Dir das es auch bei Dir klappt.
Gruß
Christoph
von Skyfire » 23.06.2009, 11:49
Hallo Pelle,
wie auch du bin ich ein CED´ler, nur mit dem Unterschied das ich mich wegen meinem Fistelgequälten Anus samt Vaginalbereich freiwillig dazu entschieden habe ein Stoma zu bekommen. Im Krankenhaus meinte Oberinderaner zu mir nein ein Endständiges Colostoma ist nicbt, weil sie sind zu jung für endständig .. ok .. also doppelläufiges Ileostoma kam zu mir .. ich hab auch einige Komplikationen erfahren dürfen und ich denke auch mal das es einige fehler beim Oberindianer gemacht wurden ( die aber sicherlich nicht nachzuweisen sind) .. aber hey .. leben geht weiter .. sorry das ich mich nun primitiv ausdrücke .. ist es so schlimm das man vorne kackt anstatt hinten? .. wenn dadurch meine/unsere Lebensqualität besser ist .. soll es mir egal sein was andere drüber denken .. selbst wenn Fritzchen (so nenne ich mein Stoma) rumpupst wenn wir irgendwo sind .. zucke ich mit den schultern und sage .. das ist das einzige wo ich keinen Einfluß mehr darauf habe, hoffe es stört sie nicht -... sollte es sie stören .. haben sie pech gehabt, weil sie haben einfluß darauf nicht pupsen zu müssen .. haben aber keinen einfluß darauf das es stinkt .. ich kann meinen gestank ausschalten .. sie nicht .
Klar ist es schwer am Anfang .. heute morgen z.b. bin ich absolut verzweifelt .. meine Versorgung mußte wieder komplett gewechselt werden und Fritzchen machte so wie er es wollte nicht wie ich es wollte .. ich war böse .. aber was bringt es mir böse zu sein .. ich muß die platte drauf kriegen .. somit .. ruhe bewaren .. nicht daran denken das man eventuell überfordert ist in just this moment .. nicht daran denken das keine stomatherapeutin da ist die einen bisher immer unterstützt hat .. und siehe da .. je ruhiger ich wurde .. je ruhiger wurde fritzchen und ich konnte ihm sein mäulchen stopfen *lach*
liebe pelle .. was ich dir damit sagen möchte ist .. das leben ist nicht einfach .. aber durch die blockade in deiner seele machst du es dir noch schwieriger als es ist ..
Nehm dein Stoma an als dein EIGENES .. Du bist derjenige der damit Leben wird und dies auch umsetzen wird .. meine Meinung ist .. du hast den ersten wichtigen Schritt getan .. du hast dich hier bei uns angemeldet .. auch ich habe diesen Schritt gemacht als ich mich nach langer Zeit für ein Stoma entschieden habe, und was soll ich dir sagen.. seitdem bin ich mit meinen Problemchen ob groß oder klein .. nicht mehr allein .. hier ist immer jemand der ein offenes Ohr für dich hat .. auf diesem Wege dann auch noch mal ein großes Danke an euch alle .. Danke das es euch gibt, auch wenn wir uns bisher nur virtuell kennen lernen konnten, der Rest findet sich von selbst.
Achso .. noch was Pelle,
sei einfach Stolz drauf das du ein Stoma hast, es macht dich Aussergewöhnlich und man lernt total viel neue Leute kennen wenn man damit offen umgeht .. sprich auf die Leute zugeht wenn die blöd guggen .. so nimmste denen nämlich den Wind aus den Segeln ..
Hoffe man liest sich noch mal ..
ganz liebe Grüße
Claudia
von Absint » 04.07.2009, 22:01
Hallo Pelle.
Du bist nicht allein mit deinem Schicksaal.
Ich bin gerade mal 19, männlich und habe seit 5 Jahren Colitis Ulcerosa und ein Illeostoma. Ungefähr 1 Jahr nach der Diagnose wurde mein Dickdarm restlos entfernt und ein J Pouch geschaffen. Da mein Schließmuskel noch immer stark von der Colitis befallen ist, habe ich die Stomarückverlegung nach 3 gescheiterten Versuchen vorerst aufgegeben...
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