von mangomango » 18.06.2023, 22:29
Hallo liebes Forum!
Ich habe mich gerade neu angemeldet und möchte direkt erstmal danke sagen, dass es solche Communities wie euch gibt!
Ich habe mehrere Fragen. Das hier ist meine Situation:
Ich bin als Kind schwer an Krebs erkrankt, inkl. Rezidiv und ca. 40 kleinen Metastasen an Darm, Harnleitern, Blase, untere Wirbelsäule. Zurückbehalten habe ich eine kompl. Inkontinenz, ein teilweise gelähmtes rechtes Bein und eine schwere Niereninsuffizienz. Ich bin jetzt 34, arbeite als Therapeut und mir gehts im Großen und Ganzen gut. Ich hab mich arrangiert und bin eigentlich lebensfroh. Mache auch Sport und Musik, habe eine Partnerin (der aber diese medizinischen Themen nicht so angenehm sind).
Nun steht bei mir dieses oder nächstes Jahr evtl. eine Nierenspende an. Vielleicht auch erst in 5 Jahren. Aber als Vorbereitung dazu besteht nun die Überlegung, ein Urostoma anzulegen. Aus rein medizinischer Sicht wäre das auch vermutlich besser. Aber ich tue mich sehr schwer damit diese Entscheidung zu fällen und das Go für die OP zu geben. Daher, vor allem an die jüngeren und aktiveren von euch: Wie lebt es sich mit einem Urostoma im Alltag?
Meine Gedanken dazu sind unter anderem: Kleidung, vor allem im Sommer? Und Sport?? Ich trage jetzt Windeln wegen der Inkontinenz, das ist zwar auch nicht schön, aber es ist unter der Gürtellinie. Ich kann einfach mein T-Shirt ausziehen und niemand merkt etwas. Das würde ich verlieren. Und die Windel wegen der Stuhlinkontinenz bliebe ja trotzdem, hätte also dann zwei "baustellen".
Auf dem Bauch liegen? Schlafen? Ich bin Bauschläfer! Geht das mit Urostoma? Wie mache ich das mit dem Beutel? Muss ich dann einen Nachtbeutel extra dranhängen mit Schlauch und allem, ähnlich wie ein Blasenkatheter?
Infektionen? Das Urostoma soll vor allem den Abfluss des Urins bestmöglich machen und vor Infektionen schützen. Aber was ist, wenn ich mit dem Stoma mehr Infektionen habe als vorher?
So viel erstmal dazu. Mein Arzt "bietet mir an", auch zusätzlich einen künstlichen Darm-Ausgang zu legen. Aber dann hätte ich zwei Beutel am Bauch, das kann ich mir überhaupt nicht mehr vorstellen, Hilfe
Ein Pouch habe ich erstmal ausgeschlossen. Dachte die OP ist im Vergleich zum Ileum-Conduit zu groß und bringt mehr Komplikationen mit sich. Und mir fehlen ja jetzt schon große Darmteile. Oder wäre ein Pouch die bessere Variante?
Fest steht, es muss diesen Sommer eine Entscheidung her.
Ich hab bestimmt noch mehr Fragen, aber ich hab schon so viel geschrieben jetzt. Ich bin dankbar für jede Antwort und für Austausch!
Wohne im Raum Heidelberg-Mannheim, falls jemand in der Nähe ist.
Vielen Dank euch schonmal!
xx
von Butterfly » 19.06.2023, 08:48
Lieber Mangomango
Die Entscheidung kannst nur du treffen. Ich für meinen Fall habe ein Ileostoma, weil ich alle 1-2h auch nachts auf Toilette musste. Windeln kämen für mich NIEMALS infrage. Ein Stoma ist eine saubere Sache und ich lege mich damit auch im Bikini an den Strand.
Von daher, ja, ich würde definitiv beide Stomata nehmen. Bei einem Colostoma könntest du nach einiger Zeit auch irrigieren (also abführen) - und schon würde eine Stomakappe reichen.
Es gibt IMMER die passende Versorgung und die passenden Klamotten.
Geh doch mal auf YouTube, da gibt es einige männliche Personen, die sagen, was sie als Mann anziehen (engl.-sprachig). Ein Bekannter zieht immer einen Anzug an. Wir haben uns bei einem Geschäftsmeeting kennengelernt. Keiner der Aussenstehenden würde auch nur erahnen, dass wir beide ein Stoma haben.
Ich habe Kleidergrösse 34/36 und ziehe enge Kleider an und stehe damit vor Studierendenklassen - noch nie hat jemand was gemerkt.
Liebe Grüsse
Butterfly
von mangomango » 19.06.2023, 11:24
Hi Butterfly, danke für deine Antwort!
Auf Youtube finde ich immer nur Anleitungen zum Beutel-Wechsel. Hast du einen Tipp wie die von dir genannten Kanäle heißen?
Mit den engen Sommerkleidern und dem Anzug das finde ich auch sehr interessant und Mut machend.
Kann mir das irgendwie schwer vorstellen. Hast du dann eine Bandage über dem Stoma damit der Beutel nicht aufträgt?
Viele Grüße
von Butterfly » 19.06.2023, 12:32
Hoi Mangomango
Nein, die Dinger mag ich gar nicht. Ich schaue, dass das Kleid ein dünnes Unterkleid (wie eine Art Futter) hat. Schau doch mal bei deiner Partnerin, Vielleicht hat sie so etwas im
Schrank. Das reicht. Dazu hilft es auch, wenn die Kleider ein leichtes Muster haben oder wenn sie in Falten zu einer Seite gezogen sind. Aber wie gesagt, Unterkleid reicht schon. Der Bekannte trägt, wie viele Männer, einfach ein weisses T-Shirt unter dem Hemd. Mit zwei Lagen Stoff vermeidet man, dass sich der Stomabeutelrand abzeichnet. Wenn der Beutel sich befüllt und du könntest gerade nicht wechseln/leeren gehen, dann wirft er sich manchmal auch ins Jacket, um die kleine Beule zu verstecken.
Ich war neulich abends auf einem Festessen mit Dresscode. Ein guter Bekannter, der von meinen Stoma weiss, war erstaunt, dass er gar nichts sehen kann. Er hat sich dann wirklich ganz dicht vor mich gestellt und an mir runtergeschaut und gesagt „ach, da ist er“. So dicht kommt dir im Alltag niemand und zu der Zeit wollte ich tatsächlich schon 20min auf Toilette zum
Leeren. Von vorne hat er es nicht gesehen.
Dann gibt es auch noch den Trick im Stehen die Ellbogen leicht anzuwinkeln und die Hände in der Mitte zusammen zu bringen und mit ihnen leicht das Gesagte zu unterstreichen, für Männer eine Krawatte, für Frauen einen Schal - all das lenkt vom vollen Beutel ab.
Schau mal nach ostomy clothes men auf YouTube - oder auch ostomy guide clothes women oder so. Das mit dem Mustern funktioniert ja auch bei Männern, könntest dir also auch von Frauen Tricks abschauen, wenn du z.B. keinen Anzug tragen möchtest. Es gibt wirklich auch schön gemusterte Hemden für Männer, die nicht dem Alte-Mann-Karo entsprechen.
Noch ein Tipp: Enge Klamotten helfen den Stomabeutel flach zu halten, dass sich alles gleichmässig im Beutel verteilt (sofern du nicht ganz harten Stuhlgang hast). Je weiter die Klamotten, desto eher sieht man was, weil du dann dem Beutel hilfst, dass er zum Sack wird.
Sofern du Coloplast verträgst, sind die SensuraMio die besten Beutel, die die Form behalten. Beutel haben Filter, damit man nichts riecht. Die sind oben im Beutel und dadurch ein Mini-Gewicht. SensuraMio hingegen haben einen Ringfilter um das ganze Stoma. Das stabilisiert zusätzlich. Mit Stoma kann man problemlos auf der Seite schlafen. Auf dem Bauch nur, wenn es nicht gerade fördert oder der Beutel voll ist. Aber das Gehirn ist ein Wunderwerk. Das bekommt den Druck des vollen Beutels nach ein paar Monaten auch nachts mit und du gehst ganz normal auf Toilette.
Beim Urostoma gibt es Bettbeutel. Wahrscheinlich nicht sexy, aber Vielleicht antwortet dir jemand, ob man damit auf dem Bauch schlafen kann. Ein Colostoma fördert ja nicht die ganze Zeit (im Gegensatz zum Ileo). Du gehst ja auch nicht die ganze Zeit nachts k****.
Liebe Grüsse
Butterfly
von Butterfly » 19.06.2023, 17:34
Hier noch ein paar Links (hab sie ehrlich gesagt nicht geschaut, aber der Algorithmus hilft bestimmt, dass weitere vorgeschlagen werden):
Männer-Guide:
https://youtu.be/d_VNUTX96WQ
https://youtu.be/dZkP5koouQs
https://youtu.be/JwX0ICf5SsY
https://youtube.com/shorts/P3BNglHH4hA?feature=share
Frauen-Guide:
https://youtu.be/S6x84CxPUac
https://youtu.be/dENoQWeJnTQ
https://youtu.be/_U7SBaQeX7s
Es geht um Prinzip alles (egal, ob mit Stoma-Band oder einer zweiten Lage Stoff oder in der Freizeit auch nur „einfach“).
von Bernie29 » 20.06.2023, 12:36
Auch ich kann nur aus "Ileostoma-Sicht" berichten.
Ich bin letztendlich froh, diesen Schritt gemacht zu haben und ich hatte mich auch
schnell dazu entschieden, eine Rückverlegung nicht machen zu lassen.
So ein Beutel am Bauch ist nicht das Allerschönste aber wenn Du mal in diesem und
auch in anderen Foren rumstöberst, wirst Du feststellen, dass man auch mit dieser
"Einschränkung" wunderbar durchs Leben kommen kann.
Selbst kleidungstechnisch ist da ganz viel möglich und eine Stoma-Anlage nimmt Dir
letztendlich ganz viel persönlichen Stress!
Zu Zeiten meiner aktiven Colitis war ich immer sehr angespannt und mit einem Auge
immer auf der suche nach der nächsten Toilette.
Jetzt, mit dem Stoma, sehe ich dem Ganzen deutlich gelassener entgegen denn das
Stoma sorgt dafür, dass ich mich nicht mehr unter Druck setzen muss.
Letztendlich noch mal mein Tipp, durchstöbere diverse Erfahrungsberichte von Betroffenen.
VG Bernie
von mangomango » 21.06.2023, 09:31
Danke für die Links und die Tipps! Hatte jetzt Zeit, mir alles anzusehen.
Die Kleidungsvideos machen ja wirklich Mut!
Ich überlege gerade tatsächlich, wenn ich eh ein Urostoma mache, dann kann ich gleich auch nen künstl. Darmausgang daneben legen lassen.
Wie ist es eurer Erfahrung nach mit Geräuschen und Gerüchen? Halten die Filter wirklich alles ab? Ich hab nämlich auch schon jetzt durch die OPs ein Kurzdarm/Reizdarm-Symdrom und durch die Vielzahl an Medikamenten die ich wegen der Nieren nehmen muss (u.a. dauerhaft Antibiotikum) hab ich ständig Probleme mit Pupsen und und Gerüchen. Wird das durch einen künstlichen DA mit Beutel davor etwas reduziert?
Und nochmal, falls andere mitlesen: Eure Erfahrungen mit Urostoma und auf dem Bauch liegen? Nachtbeutel?
Viele Grüße!
von Butterfly » 21.06.2023, 16:24
… es stinkt erst beim Beutelleeren, was man aber ja im Bad macht…
von Bernie29 » 21.06.2023, 17:15
Geräusche lassen sich manchmal nicht vermeiden - Gerüche sind (solange der Beutel dicht bleibt)
überhaupt kein Thema; zumindest nicht wenn man unterwegs ist.
Erst beim Beutelleeren oder Beutelwechsel kommen die altbekannten Gerüche.
Aber das macht man ja in der Regel auf der Toilette.
von Yason76 » 22.06.2023, 00:26
Hallo mangomango
Da auch hier offensichtlich eher wenig Urostoma-Träger unterwegs sind, hier ein paar Erfahrungen von mir.
Ich habe mein Urostoma seit Februar 2022 und habe mich inzwischen ganz gut damit arrangiert. Ich mag es zwar immernoch nicht aber irgendwann wird einem klar, dass man mit 46 hoffentlich noch eine ganze Weile damit leben muss. Die Chance das wieder loszuwerden tendiert ja leider gegen Null.
Gerade beim Urostoma ist es extrem wichtig, die passende Versorgung zu finden. Dabei kann Dir Dein Versorger helfen aber ich habe auch selber die verschiedenen Hersteller (Hollister, Coloplast, etc.) angeschrieben und viele kostenlose Muster bekommen. Man muss sich bewusst machen, dass das Urostoma durchgehend fördert. Zudem ist Urin flüssig und Flüssigkeiten suchen sich immer einen eigenen Weg. Am Anfang werden immer mal wieder "Unfälle" passieren. Bei mir zum Glück bisher nie, wenn ich unterwegs war - Ersatzmaterial sollte man aber immer dabei haben.
Ich war selber Bauchschläfer - das habe ich mir abgewöhnt. Kurzzeitig auf dem Bauch liegen geht aber dann wird es mir selber eher unangenehm. Eigentlich schlafe ich nur noch auf der Seite. So ein normaler Beutel fasst etwa 400ml. Für eine normale Nacht ist das zu wenig - ausserdem merkt man so einen vollen Beutel sehr schnell und es wird schneller undicht. Deshalb schließt man immer einen Nachtbeutel an - da passen 2 Liter rein und man kann sich im Bett dennoch einigermaßen frei bewegen. Man muss halt nachts nicht mehr raus. Und einen weiteren Vorteil haben die Dinger - wenn man kurze Hosen anzieht, kann man sie bei langen Autofahrten oder sogar auch im Flugzeug anschließen und hat eine ganze Weile Ruhe.
Ansonsten habe ich keine körperlichen Einschränkungen durch das Stoma an sich und man sieht von außen wirklich gar nichts. Beim Sport bitte darauf achten, dass Du nicht zu schwer hebst - Herniengefahr. Ich selber habe leider nicht aufgepasst.
Zu Infekten muss ich leider sagen - das kann passieren, muss aber nicht. Das Urostoma ist nicht steril und von daher definitiv infektanfälliger als vorher. Manche bekommen ihr Leben lang nix - andere haben einen Infekt nach dem anderen. Ich selber gehöre leider zu den letzteren aber es sieht so aus, als ob meine Ärztin dem Rätsel auf die Spur gekommen ist. Ansonsten ist gerade beim Urostoma die Trinkmenge entscheidend. Je nach Körpergewicht zwischen 1,5 und 2,5 Liter pro Tag und die auch konstant gleichmäßig verteilen.
Das ist es was mir spontan einfällt. Wenn Du sonst noch Fragen hast - gerne. Wie gesagt - in Foren wie diesen - aber auch in der Öffentlichkeit - sind Urostoma-Träger eher unterrepräsentiert, da hilft der Austausch.
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