von mangomango » 18.05.2024, 12:36
Liebes Forum,
an einer anderen Stelle hab ich euch vor kurzem von meiner OP erzählt:
leben-mit-einem-stoma/uro-colostoma-erfahrungsbericht-und-fragen-t30505.html
Bin jetzt seit drei Tagen zuhause. Und was soll ich sagen? Ich bereue alles so sehr. Hab das Gefühl die größte Fehlentscheidung meines Lebens getroffen zu haben.
Vorher mit den Windeln ging es mir so gut, ich konnte alles machen. Die Windeln waren fix gewechselt. Nix mit tausend Einzelteilen, Platten, Ringen, Klebern, Nachtbeuteln.
Außerdem war mit Loperamid Stuhl auch nicht ständig in den Windeln. Der Stoma Beutel ist bis jetzt hingegen fast immer stuhlig. Na und der Urinbeutel sowieso.
Ich fühl mich nicht mehr wie ein abgeschlossener Mensch,abgeschlossener Körper. irgendwie ist durch die Beutel meine Begrenzung nach außen aufgehoben. Das wird versträkrt dadurch dass ich nachts noch einen Zusatzbeutel per Schlauch an den Urobeutel anschlieen muss. Also kann ich mich im Bett nicht mehr frei drehen sondern fühl mich angeschlossen. Bin ich ja auch.
Die Windeln waren einfach unter der Hose und fertig. Und sie waren meist schnell gewechselt. Ich konnte auch schnell unter die Dusche springen usw.
Die Beutel sind nicht schnell gewechselt, das braucht Ruhe und Arbeit. Schnell unter die Dusche springen ist nicht.
Außerdem bin ich ja recht schlank, zwei Beutel am Bauch bedeuten dass eigentlich der ganze Bauch mit Plastik voll ist. Kann mir nicht mehr über den Bauch streichen.
Der Urostomabeutel ist ständig voll und muss abgelassen werden.
Ich hasse es einfach, ich hab mich noch nie so behindert und zurückgeworfen gefühlt in meinem Leben. Ich habs ja nicht für die Kosmetik oder Inkontinenz gemacht, sondern für eine in ein paar Jahren bevorstehende eventuelle Nierentransplantation. Die Ärzte haben gesagt dafür ist meine kaputte Blase nicht geeignet. Und wenn ich eh ein Urostoma bekomme nehme ich das Colostoma gleich mit dachte ich. Sonst hab ich Uro + Windeln.
Es war eine rein rationale Entscheidung. Und nun muss ich damit leben. Und das fühlt sich gerade furchtbar an und ich kann es mir garnicht vorstellen.
Ich bin richtig depressiv. Mag morgens nicht aufstehen, weil ich dann an die Beutel ran muss.
von Blondchen67 » 18.05.2024, 13:17
Hallo Mangomango,
ich hatte zwar nur für 7 Monate ein Colostoma, aber deine Geschichte ist ja mega heftig.
Verzweifeln ist aber auch nicht gut zur Zeit, es sind schon zwei gewaltige Eingriffe die du gerade hattest.Ich denke mir, du wirst eine gute Routine für dich mit der Zeit finden und versuche ein bisschen positiver zu denken.
Ich bin durch meine gesundheitlichen Erfahrungen ein anderer Mensch geworden,lebe bewusster, rege mich nicht mehr über unnötige Kleinigkeiten auf,die ich eh nicht ändern kann, kostet mir nur unnötige Lebenskraft.
Ich wünsche dir ganz viel Kraft.
lieben Gruß
Linda
von Butterfly » 18.05.2024, 13:32
Hi
Da bist du gerade in einem tiefen Tief. Am Anfang mag es zuhause schon überfordern.
Die emotionale Seite ist das eine. Es braucht Zeit. Am Anfang habe ich den Beutel bei jedem Schritt gemerkt, der Kleber hat genervt, es war ein Fremdkörper, der mich vornüber gezogen hat. Total bescheuert! Doch es geht nicht drum, wie ich es am Anfang fand und es loswerden möchte. Sondern ich möchte dir sagen: Ja, psychisch ist es doof. Irgendwie behindert der Beutel und die Versorgung dauert am Anfang ewig. Alles dreht sich ums Stoma! Ist es das, was du empfindest?
Tatsächlich habe ich keine schnelle Lösung, ausser dem Ratschlag, dir Zeit zu nehmen. Für das Urostoma gibt es Beinbeutel, ich weiss nicht, wie sich das trägt. Aber dann ist es am Bauch nicht so voll. Der Stuhl beim Colostoma wird bestimmt noch dicker. Damit ist nicht immer was im Beutel. Aber am wichtigsten: Das Gehirn blendet das alles irgendwann aus: Das Femdkörpergefühl, die „Entgrenzung“ - es wird normal werden. Dann zieht es nicht mehr, der Beutel wird nur noch als voll wahrgenommen, wenn er voll ist und du wirst ihn vergessen.
Auch nachts gewöhnt sich der Körper dran. Mittlerweile schlafe ich (mit Ileostoma, wo es immer flüssig ist) nach Leerung sogar am Bauch und drehe mich irgendwann unbewusst auf die Seite. Das Gehirn ist toll! Es macht das für dich. Es vollbringt eine grossartige Leistung. Gib dir eine Chance, alles muss heilen. Nicht nur der Bauch, auch du.
Schau, was dich unterstützt. Die Sonne? Eine Badi, wo du mit T-Shirt und Kumpel rumblödeln kannst? Ein Filmabend? Was lenkt dich ab und überanstrengt dich nicht?
Liebe Grüsse
Butterfly
PS: …und für schnelleres Wechseln: Frag nach Zweiteilern. Weniger lästiges Frimmeln und der Beutel ist ohne Platte in 30sec gewechselt. Die Platte dann nur alle paar Tage. Irgendjemand schafft hier 7 Tage. Was für eine Zeitersparnis!!! Ist das nicht auch ein (rein rationales) Ziel für dich als rationalen Menschen…?
PPS: …und wenn es ganz schlimm wird, schick mir eine PN und ich rufe dich an zum Verzweifeln und HOFFEN! Denn Hoffnung brauchst du!
von mangomango » 19.05.2024, 09:00
Danke für eure Antworten.
Ja, vor allem auf die Zeit muss ich wohl vertrauen. Und darauf, dass ich auch irgendwann die Versorgung finde, die sich für mich am besten anfühlt.
Aktuell hilft es schon sehr, dass es solche Foren gibt und ich an verschiedenen Stellen mit Leuten in Kontakt bin, die ähnliches erleben.
PS: was ist eine Badi?
von Butterfly » 19.05.2024, 10:40
(Eine Badi ist eine Badeanlage, die frei zugänglich ist oder etwas Eintritt kostet. Vielleicht so etwas wie ein Baggersee? Oder ein Weiher, wo man schwimmen kann und eine grosse Liegewiese drumherum ist?)
von suseg » 19.05.2024, 14:14
Hallo Mangomango,
Du hast einen gewaltigen Einschnitt hinter dir, kein Wunder, dass du dich wund und verletzt fühlst. Das alles braucht Zeit, innerlich wie äußerlich. Erlaube dir die Zeit und verzweifle auch über deine eigene Verzweiflung nicht. Alles wird sich nach und nach einpendeln. Deine Alltagsroutinen sind jetzt anders und das braucht anfänglich etwas mehr Zeit und Aufmerksamkeit. Aber nur anfänglich.
Als doppelte Stomaträgerin (Uro und Colo) kann ich dir Mut machen: deine Lebensqualität wird wiederkommen, man kann mit diesen beiden Stomata ein ganz normales und sehr schönes Leben führen. Die täglichen Handgriffe werden zur Routine, Gewohnheiten pendeln sich neu ein und vor allem: das Selbstvertrauen kehrt zurück, sobald man sicher ist im Umgang mit seinen Versorgungen. Du wirst sehen: am Ende fühlst du dich mit den Beuteln “kontinenter” als du es mit Windeln je erreichen konntest.
Das A und O ist die richtige Versorgung. Hier musst du ausprobieren und üben und geduldig sein mit dir selbst. Für Tipps und Tricks ist hier immer das Forum gut. Und hoffentlich eine gute Stomatherapeutin.
Gegen Infektionen kannst du dich so gut wie möglich schützen, indem du immer vor dem Leeren des Urobeutels die Hände gründlich wäschst (auf fremden Toiletten desinfizierst) und beim An- und Abschließen an den Bettbeutel immer sämtliche Konnektoren mit Hautdesinfektionsmittel einsprühst. Da dein Colostama direkt neben dem Urostoma ist, solltest du auch darauf achten, dass beim Wechseln auf der Coloseite das Urostoma nicht kontaminiert wird. Sonst sofort auch die Uroversorgung wechseln, damit die Uroplatte nicht mit Kolibakterien unterläuft. Ansonsten: trinken, trinken, trinken! (für die “Entsorgung” der vielen Flüssigkeit habe ich immer eine leere Getränkeflasche im Auto, nicht immer ist eine Toilette in der Nähe).
Der Bettbeutel ist eine Herausforderung. So ein Pipibeutel am Bett ist nun einmal nicht sexy. Aber unter uns: das sind Windeln auch nicht gerade. Beim Drehen und Wenden stört der Schlauch und manchmal muss man nachts kurz aufstehen, damit der Urin richtig in den Nachtbeutel abließt. Man lernt damit umzugehen, ohne dass es den Schlaf großartig beeinträchtigt. Andere Leute müssen nachts aufs Klo.
Auch der Darm wird sich einpendeln und du wirst Routinen zur Versorgung finden. Meist reicht der Wechsel einmal am Tag und bei einem Colostoma ist der Beutel die übrige Zeit leer oder zumindest beinahe leer. Ich persönlich bevorzuge Einteiler, sie sind flexibler, gerade wenn man sich gerne bewegt, und brauchen auch nicht mehr Zeit zum Wechseln.
Du hast eine herausfordernde Zeit der Umstellung und Umgewöhnung vor dir. Hol dir Unterstützung soviel du kannst. Bald wirst du die Beutel als Teil deines Körpers wahrnehmen. Du springst mit ihnen unter die Dusche, hüpfst ins Schwimmbecken und lässt dir hoffentlich ungehemmt von einem lieben Menschen über den Bauch streichen.
Ich schicke dir meine allerbesten Wünsche! Stell gerne weitere Fragen, ich werde in der nächsten Zeit das Forum öfters besuchen, damit ich deine Fragen nicht verpasse.
Ganz liebe Grüße
Susanne
von mangomango » 19.05.2024, 23:46
Liebe Susanne,
danke für deine liebe und ausführliche Nachricht!
Ja ich hadere und kämpfe innerlich und ich bin so froh über Kontakt zu Leuten, die auch zwei Stomas haben. Wir sind ja nun wirklich deutlich in der Unterzahl.
Das was du schreibst ist für mich jetzt noch kaum vorstellbar, dass alles Routine wird. Ich hasse duschen mit der Versorgung, ich kann mir selbst nicht mehr über den Bauch streichen, und ich hasse diesen Schlauch nachts. Und und und...
Da tut es gut immer wieder zu lesen dass es irgendwann besser wird. Auch wenn ich mir das gerade noch nicht vorstellen kann.
Ich werde an anderer Stelle mal einen Aufruf starten, damit man mal ein paar Doppel-Stoma-Träger zusammenbekommt.
Danke und viele Grüße
von suseg » 22.05.2024, 16:12
Hallo Mangomango,
ich antworte erst jetzt, weil ich über Pfingsten verreist war (ja, das geht mit zwei Stomata). Viel kann ich auch gerade nicht dazu sagen, denn du steckst noch sehr in der Ablehnung deiner körperlichen Veränderungen. Da hatte ich es vielleicht leichter, weil ich die Stomata im Abstand von zwei Jahren bekam und nicht auf einmal und weil sie für mich lebensrettend waren.
Trotzdem glaube ich nicht, dass du dir einen Gefallen damit tust, die alte mit der neuen Situation zu vergleichen und die neue in Frage zu stellen. Denke lieber über Möglichkeiten nach, wie du dir die Dinge, die dir unangenehm sind, angenehmer und leichter machen kannst. Z.B. gibt es Nachtbeutel mit längeren Schläuchen (ich verwende 140 cm), die einem mehr Bewegungsfreiheit geben. Muss man für sich ausprobieren. Oder du trägst nachts einen Beinbeutel, auch das würde dich weniger "angebunden" machen.
Und dann könnte es dir vielleicht helfen, dich bewusst wieder mit deinem Körper anzufreunden. Lege dich entspannt hin zu schöner Musik und lege die Hände auf den Bauch, atme hinein, spür hin, streich sanft darüber. Dein Bauch hat sich wenig verändert und fühlt die Berührung noch genau wie früher. Gönn dir vielleicht eine Osteopathie-Behandlung oder eine Thai-Massage oder was auch immer dir körperlich gut tut und du dich zu tun traust. Bedanke dich bei deinen Organen, dass sie immer noch funktionieren und dich am Leben erhalten. Und wenn dabei Trauer hochkommt oder Wut über die erlittenen körperlichen Verluste, dann heule eine Runde oder drücke es anderweitig aus. Auch hierfür gibt es Ansprechpartner und Orte, an denen man solche Traumata ansprechen und bewältigen kann.
Du hast jedes Recht, deine körperlichen Beeinträchtigungen zu betrauern. Aber auch jedes Recht, dich trotz dieser Beeinträchtigungen wertvoll und ganz zu fühlen. Ich wünsche dir einen guten Weg und viel Unterstützung dabei.
Liebe Grüße
Susanne
von Kuro » 20.11.2024, 09:50
Hallo,
ich habe zwar keine zwei, aber ich wollte dennoch was schreiben, auch wenn es schon etwas her ist. Vielleicht hast du dich ja sogar mittlerweile gut daran gewöhnt.
Die ersten 1 bis 2 Monate habe ich meine Entscheidung für das Stoma auch total bereut. Ich hatte die Wahl zwischen einem trockenen das ich Katheterisieren muss und einem mit Beutel. Ich habe mich für das zum Katheterisieren entschieden und dachte eben diese erste Zeit, ich hätte gleich den Beutel nehmen sollen, dann wäre nur einmal ein Teil Darm weg. Ich dachte das wird nie gut und mit Beutel wäre es alles einfacher/schneller. (So unterschiedlich kann es sein). Aber ich war einfach nur ungeduldig und enttäuscht, weil es nicht am Anfang so war, wie ich dachte dass es gleich sein wird. Und nach der Zeit wurde es gut und ich denke schon längst, dass es die absolut beste Entscheidung meines Lebens war, mit dem Stoma. Manchmal hat man natürlich Pannen, oder es läuft mal was nicht ganz so wie es soll, oder es gibt auch mal ein kleines Problem - aber das ist in der Regel auch schnell gelöst und die meiste Zeit ist es dann gut.
Aus meiner Erfahrung kann ich also nur sagen: Es braucht einfach Zeit. Zeit, Gewöhnung und Übung - wie bei allem eigentlich. Auch wenn unsere Situationen nun natürlich nicht vergleichbar sind, wollte ich das einfach sagen, weil ich eben auch dachte ich hab den größten Fehler überhaupt gemacht.
Ich hoffe es ist für dich mittlerweile besser geworden.
Für die Autosache die suseg vorgeschlagen hat, mit der Flasche habe ich noch eine Idee.
Ich bekomme im Jahr zusätzlich zu meinen Kathetern noch einen kleinen Karton mit Einmalbeuteln, ich glaub das sind so 10 Stück oder so, zum an den Katheter anschließen. Da packe ich immer einen Beutel von ins Auto. Da du den Bettbeutel ja eh anschließt kann man für den Notfall, dass mal keine Toilette da ist immer einen Beutel im Auto lagern um aus dem Urostomabeutel ablaufen zu lassen. Da der Nachts angeschlossen wird, müsste das ja auch funktionieren.
Liebe Grüße
von Butterfly » 21.11.2024, 11:35
Hoi Mangomango
Wie geht’s dir?
Bist du mittlerweile im „langweiligen“ Alltag angekommen oder kreisen die Gedanken weiterhin?
Liebe Grüsse
Butterfly
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