von Beutelmaus » 16.09.2008, 21:31
Hallo Christian,
herzlich willkommen zwischen den stomis.
Mein KH-Aufenthalt lag bei 15 Tagen. Ich bekam fast einen Rundumschnitt d. h. Bauchschnitt und Entfernung von 14 cm Dickdarm und Schließmuskel, alles eben was der Chirurg dachte, dass von Krebs befallen sein könnte. Das stoma hat mir ermöglicht weiter zu leben und nach Chemo und Strahlentherapie wieder zu arbeiten. In der AHB hat man mich darauf hingewiesen nur bis zu 10 kg zu heben. Habe mittlerweile einen Autoreifen gewechselt, schwere Einkaufskörbe und Wäschekörbe geschleppt und gehofft, dass die nicht schwerer als 10 kg waren. Bis jetzt habe ich mit einem Bruch keine Probleme gehabt. Beruflich muss ich nur schwere Aktenordner ab und zu stemmen.
Es ist sehr wichtig, dass Du alle Fragen mit den Ärzten klärst und das stoma akzeptierst.
Ich drücke Dir die Daumen.
Gruß
Beutelmaus
von Melli » 17.09.2008, 04:36
Willkommen hier, Christian!
Ich könnte sooo viel zum Thema schreiben, ohje.
Also, bei einer CED ist es in erster Linie so, dass man irgendwann dank Schmerzen, Fisteln, eingeschränktem Leben, unzähligen Toilettengängen etc derart zermürbt ist, dass man mit einem Stoma einfach nur sein LEBEN zurückbekommt.
Übergreifend auf alle Krankheitsbilder hier im Forum wage ich zu behaupten, dass fast jeder vorher (in gesunden Zeiten oder gut mit der Krankheit arrangiert) behauptet, er bringe sich lieber um, als einen Beutel zu bekommen.
Ich persönlich habe mir mal geschworen, ich bringe mich um, wenn ich als MCler wieder Fisteln bekomme. Und ja, als es soweit war, habe ich es fast versucht.
Meinen ersten Beutel habe ich bekommen und meinen Dickdarm eingetauscht, da war ich 13 Jahre alt und hatte schon 7 Jahre Crohn Karriere hinter mir. Ich durfte die Entscheidung alleine treffen und habe mich vermutlich schneller als ein Erwachsener dafür entschieden. Als Kind überlegt man nicht so lange, die angekündigten Vorteile überwogen. Und viel Wahl hatt ich mit 13 nicht, als andere in der Schule und am Spielen waren, und ich mich vor Schmerzen auf dem Boden krümmte.
Die OP (in den 80er Jahren) lief prima, nach 14 Tagen stand ich wieder auf der Matte am ersten Schultag. Den Beutel fand ich zunächst ok, als ich aber nach nur 6 Monaten Leben und Freiheit wieder Schübe bekam, war ich echt sauer. Beutel UND Crohn nervte mich dann doch, so dass ich mich mit 17 für die Rückverlegung entschied.
Tja, nun hatte ich keinen Dickdarm, keinen Beutel - und konnte mir eine Toilette an den Hintern kleben. Mit Tricks, vielen Medikamenten (Opium) gelang es, ein halbwegs normales Leben zu führen, das nach 6 Jahren von einer Fistel gekrönt wurde. Das war der Zeitpunkt, an dem ich mich im Krankenhaus ins Bad einschloss und der Sache ein Ende setzen wollte. Erneut einen Beutel wollte ich keinesfalls! Eigentlich wusste ich nicht mal warum, denn es hatte ja alles gut geklappt und ich wusste ja, wie und dass man damit zurecht kommt. Aber trotzdem wollte ich keinen Beutel, ums Verrecken nicht! Der Gedanke, dann für IMMER ein Beuteltier zu sein, machte mich total irre. Zugleich stieg Trotz und Wut auf, denn ich wusste sehr wohl, dass es irgendwann soweit sein würde, da die Opium Dosis immer weiter stieg und dabei aber die Wirkung immer mehr nach ließ.
Im Jahr 2000 dann rutschte ich in einen Schub, dass mir Hören und Sehen verging. Ich verlor Job, Freunde, mein komplettes Leben, saß zu Hause herum, und mir ging's einfach nur dreckig. Aber Beutel legen lassen mit damals 26? NIE! Der Schub dauerte an, im Jahr 2002 ging es nochmal rasend bergab, ich konnte kaum das Haus verlassen, meinen Stuhl kaum halten, hatte Schmerzen, mir war einfach nur hundeelend.
Einen Beutel legen lassen? NIE!
Ende des Jahres ließ ich mich nach JAhren wieder freiwillig ins Krankenhaus einweisen, nach Köln Kalk zu einem CED Spezialisten.
Die ersten zwei Tage habe ich kaum mitbekommen, weil ich so viele Schmerzmittel bekommen musste. Dann stand der Prof an meinem Bett, guckte traurig, und meinte vorsichtig, sein Vorschlag wäre ein Stoma, es sei nichts mehr zu machen....und ich hab genickt und zugesagt.
Über Weihnachten 2002 ließ ich die OP machen, vor der ich so viel Panik geschoben hatte über Jahre. Ich stand 1 Monat vor meinem 29. Geburtstag - und was bekam ich? Boah, mein Leben! Ich hatte vollkommen vergessen, wie das sein konnte! Ohne Betäubungsmittel, ohne Toilette, mir geht's seitdem einfach nur gut! Der Beutel...nunja, das ist der Preis. Es gibt ganz sicher Schöneres, vor allem optisch, aber der Gewinn ist bei mir zumindest grandios.
22 Jahre war ich (außer die 6 Monate nach dem ersten Stoma) im Dauerschub gewesen, ich wusste gar nicht wohin mit mir vor Begeisterung. Einen Schub oder Crohn Probleme habe ich seit der OP nie mehr gehabt. Die Fistel hatte sich erledigt, mein Blutbild wurde normal (und ist es noch), einfach nur toll.
Dass es mir so gut geht, ist natürlich auch viel Kopfsache. Ich hatte Glück, das Stoma war trotz der 10 JAhre dazwischen ein Déjà-Vu, es war, als hätte ich immer eines gehabt. Erklären musste mir niemand etwas, es ging einfach so. Da es mir so gut ging, hatte ich keinen Grund zu hadern (so wie beim ersten Mal, als der Crohn mich so schnell wieder einholte). Das Leben jetzt, dafür eben mit Beutel - absolut richtig entschieden. Und wie oft habe ich schon gedacht, man, Meli, warum hast du das all die Jahre vor dir hergeschoben, warum hast du dir dein Leben kaputt gemacht, "nur" weil du keinen Beutel wolltest? Du hättest dir viele Jahre Schei* ersparen können, im wahrsten Sinne des Wortes.
Dann sagte ich mir aber wieder: was soll's, erzwingen konnte man es nicht, ich musste im Kopf bereit sein für ein Stoma. Dass einen die Krankheit mürbe macht und dahin führt, ist leider so. Beim einen früher, beim anderen später. Ein riesen Fehler ist es aber, sich eines legen zu lassen, wenn man nicht will. Insofern haben auch alle einen Vorteil, die sich das noch überlegen können. Viele haben gar keine Wahl.
Als ich noch kein Stoma hatte, habe ich mich hier angemeldet und sozusagen die Lage gecheckt. Ich kannte ja nur die Versorgung und OP der 80er Jahre, sammelte mich hier fit und beriet auch schon aus meiner alten Erfahrung heraus.
Ich glaube, die Möglichkeit, hier im Forum zu lesen, dass man sich mit Beutel weder hochhängen muss, noch im Bademantel herumlaufen (kleiner Foreninsider ), kann der Entscheidung helfen.
Lies dich doch mal durch "meine Geschichte" durch, konzentriere dich dabei auf die CED Geschichten. Ebenso bei den Beiträgen. Schau dir durch, was man tun kann. Du wirst feststellen, dass eigentlich alles noch möglich ist.
Das mit dem Heben würde dir zB auch passieren, wenn eine Bauchnarbe ohne Stoma bekämest. Es ist aber alles regelbar, du bist nicht hilflos oder sonst etwas. Eigentlich gibt es fast nichts, was nicht geht. Beutelträger haben normale Berufe, Freunde und Partner. Dass das Thema Freunde und Partner schwieriger ist, dürftest du als MCler vielleicht ja wissen. Krankheit erleichtert so etwas nie, das ist klar. Akzeptierst du dich aber als Stomaträger, akzeptieren dich die anderen auch schneller.
Hobbies gehen auch. Wir haben hier von Marathonlauf über Boybuilding bis Bergsteigen oder Paintball wirklich schon alles gehabt, von Sauna, Schwimmen und FKK ganz zu schweigen
Zu den Stomabildern muss ich gestehen...wenn ich nicht selber eines hätte, würden die mich eher ein wenig abschrecken. Ich habe das schon mal erwähnt und es ist nicht böse gegenüber denen gemeint, die ihre Fotos zeigen. Aber ich glaube, für jeden Nicht-Beutelträger ist es nicht so schön anzusehen.
Übrigens hat mir meine Mutter mal gesagt, sie hat mir als Kind extra die Fotos, die sie bekommen hatte zur Anschauung, NICHT gezeigt. Ich glaube, das war richtig.
Was den Verlauf des Crohns angeht. Man hat bei MC einfach NIE eine Garantie für irgendetwas. Du findest Leute, die direkt wieder Schübe bekommen, du findest Leute, die keine mehr haben. Letztere sind, soweit ich weiß, erwiesen in der Mehrheit. Ich gehöre zu beiden Gruppen, beim einen Mal so, beim anderen so.
Viel verlieren kannst du nicht. Wenn der Dickdarm hinüber ist, hat man kaum Wahl, der Crohn ist da gnadenlos. So lange der Dünndarm nicht betroffen ist, sollte man lieber handeln.
Dass die Entscheidung schwer ist...puh, das kann ich sehr gut nachfühlen. Hinterher ist man ja bekanntlich immer schlauer. Und dass es in deinem Alter frustriert, weiß und kenne ich auch.
Wie gesagt, lies dich durch hier, fühl dich wohl. Aber: bedenke, dass sich in einem Forum, egal ob Stoma, Computer oder Haustier Forum, sich immer vor allem die Probleme ballen. Leute ohne Probleme kommen seltener in Foren, ist ja klar.
Wenn du Fragen hast, immer raus damit...dumme Fragen gibt es bekanntlich nicht
Achja, noch zum Thema OP: GANZGANZ wichtig ist ein gutes KH und ein erfahrenener, guter Chirurg, am besten in einer der bekannten CED Hochburgen (weiß ja nicht, aus welcher Gegend du kommst?)
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