von schnurzel » 25.02.2009, 18:15
Hallo,
mein Leben ist völlig aus den Fugen. Im Dezember habe ich die Diagnose "Rektumkarzinom" erhalten. Bisher hatte ich immer Glück, ich habe einen lieben Partner, tolle Freunde, einen Job der mir Spass macht, eine Familie, die voll hinter mir steht, ein Hobby, das mich vollkommen ausfüllt und war einfach ein Sonnenkind.
Und nun das!
Alle Behandlungen (Bestrahlungen, Chemo) habe ich bisher, bis auf ein paar kleine Wehwehchen, bestens gepackt. Nun steht mir in 2 Wochen die OP bevor. Und ich habe sooo Angst!!!
Bei der Besprechung mit dem Chirurgen wurde mir dann auch gesagt, dass ich - für eine Weile - einen künstlichen Darmausgang erhalten werde. Da bin ich erstmal total zusammengeklappt, heulen und Zähneklappern....
Ich lese schon seit ein paar Wochen in diesem Forum mit, weil ich nicht weiß, was auf mich zukommt. Inzwischen weiß ich, dass ich auch in diesem Forum noch ein "Sonnenkind" bin, denn die meisten von Euch haben schon so viel mehr mitgemacht.
Wenn ich mit den Ärzten über meinen Horror vor "dem Beutel" rede, bekomme ich als Antwort "das ist alles halb so schlimm" oder "das sieht man gar nicht" oder "eine Patientin von mir hatte auch ein Stoma, sie wollte gar keine Rückverlegung mehr, weil das so praktisch ist" oder "es gibt so viele Leute die ein Stoma haben und die Umwelt merkt das gar nicht" und ähnliche Sprüche. Finde ich total nett, aber die können gut reden, die kriegen ja nicht so ein Ding!!!
Wenn ich mit meinem Freund über das Thema rede und über die Angst, dass er mich nicht mehr "schön" findet mit Frankenstein-Narben und Beutel, lacht er mich aus und sagt dass er mich auch dann noch lieben wird. Aber ER hat sich die Bilder wohl noch nicht angeschaut. Ich bin seit 15 Jahren mit ihm zusammen und weiß, dass er der totale Augenmensch ist. Auch wenn er es niemals sagen wird, er wird mich abstoßend finden. Er ist aber ein "Ehrenpinsel" und wird das niemals zugeben.
Ich habe fast jede Nacht Alpträume von Operationen oder geplatzten Beuteln und schlafe nur noch mit Schlaftabletten.
Ich habe so viele Fragen. Wie lange dauert es, bis ich wieder reiten kann? Kann ich als "Beuteltier" ins Büro gehen? Stinke ich dann? Was für Klamotten zieht man an? Wann kann ich wieder Sport machen? Wie werden die Narben aussehen? usw usw usw.
Ich habe zwar die Telefonnummer der "Stomaschwester" vom Krankenhaus, aber bisher habe ich mich noch nicht getraut, die anzurufen. Ich bin zu feige.
Bisher habe ich die ganze Geschichte schlichtweg verdrängt.
Meine Umwelt ist ganz stolz auf mich, weil ich so "tapfer" bin und alles so gut wegstecke. Ha! Wenn die wüssten, wie es in mir aussieht. Am liebsten würde ich abhauen.
Ja, ja, das bringt mir auch nix, das Ding muss raus, der Beutel muss hin.
Nun läuft aber der Countdown. Am 11.3. ist die OP und mir wird immer mulmiger.
Au weia au weia...
Könnt Ihr das nachempfinden, oder bin ich eine alte Jammertante, die nur ihren Arsch zusammenkneifen muss (noch geht das ja, ha, ha..)?
Bitte tröstet mich ein bisschen, denn das bringt bestimmt mehr Mut, als das gut gemeinte Gerede der Nichtbetroffenen.
von MartinaG » 25.02.2009, 18:24
Liebe Schnurzel,
laß dich mal ganze feste umarmen.
Ich kann dich sooo gut verstehen. So ähnlich habe ich empfunden. Ich habe in etwa dasselbe hinter mir wie du, nur daß ich schon 2 Schritte weiter bin. Ich habe beide OPs schon hinter mir. Also auch die Rückverlegung des Stomas.
Ich hatte vorher nicht so ne Panik vor dem Stoma. Meine Mutter hatte auch eines, von daher kannte ich das schon. Als ich es dann hatte, wurde mir bewußt, daß ich Schwierigkeiten damit hätte, es auf Dauer anzunehmen. Ich konnte es aber sehr gut als Zwischenlösung annehmen.
Eines ist sicher, hier wirst du aufgefangen und deine Panik/Angst wird hier sicherlich nicht belächelt.
von schnurzel » 25.02.2009, 18:28
Danke,
das tut so gut!
Ist bei Dir jetzt alles wieder in Ordnung?
von MartinaG » 25.02.2009, 18:36
Hallo Schnurzel,
ich könnte jetzt einfach sagen: "Ja, es ist alles wieder in Ordnung". Aber das wäre glaube ich zu einfach.
Die Diagnose Krebs wird dein Leben immer weiter begleiten. Zumindest geht es mir so, daß ich das nicht wirklich weg schieben kann.
Auch wird die Therapie (Chemo und Bestrahlung) Folgen haben, die zwar bei jedem anders sind, aber die eben da sind. Ich zumindest bin nicht mehr diesselbe wie vorher.
Aber ich bin Krebsfrei und mir geht es im großen und ganzen wirklich wieder gut.
von nordlicht » 25.02.2009, 18:46
hallo schnurzel...
ich habe nach einer tumorerkrankung der niere
seit 30 jahren meinen urostomie-beutel...
als kleines mädchen war ich natürlich damals auch
geschockt und hatte totale angst vor worten wie
OP..krankenhaus...narkose...BEUTEL usw...
aber es gab nur das stoma als überlebensstrategie..
ich bin mit dieser sache durch die pubertät,erster freund
bis zu meinem jetzigen freund gegangen...
und niemand wirklich niemand aus meinem freundes und
bekanntenkreis hat nur geahnt das ich etwas unter
meiner kleidung trage was "nicht normal" ist...
ich arbeite seit 26 jahren im grossraumbüro
links und rechts neben mir sitzen kollegen ganz nah...
bitte glaub mir...man riecht nichts...ist jedenfalls bei mir so...
im sommer trage ich gern enge jeans und t-shirts...
nun gut, ich muss dann zwar öfter aufs WC um den beutel nich
so voll und dick werden zu lassen damit er nicht
"ausbeult" unter den sachen...
eine rückverlegung wird es bei mir nicht geben können...
damit habe ich mich bestens arrangiert...
aber.....ich bekomme zu 90 prozent in diesem jahr
noch einen ZWEITEN beutel...das colostoma....
am montag 2.3. habe ich gespräch beim chirurgen wegen
der notwendigkeit..oder nicht....
das forum hier ist das beste was mir in den letzten
wochen begegnet ist....ich hole mir hier auch die
kraft für die nächsten monate...
ich wünsche dir ganz viel glück für deine OP...
ich werde an dem tag sicher oft an dich denken..
und dir die daumen drücken das alles gut geht...
versprochen
ganz lieber gruss an dich
von mini62 » 25.02.2009, 18:52
Hallo Schnurzel,
herzlich willkommen in diesem tollen Forum!! :feiern:
Auch ich kann sehr gut nachvollziehen, was gerade in Dir vorgeht. Mir ging es damals nicht anders und auch ich wußte und konnte mir nicht vorstellen was da alles auf mich zukommt. Ein paar Sachen kann ich Dir versichern:
Es ist wirklich halb so schlimm wie man es sich vorher ausmalt.
Du stinkst nicht!!!
Es ist keineswegs so, dass Beutel am laufenden Band platzen, sich ablösen oder sonst was passiert.
Du bist damit auf keinen Fall häßlich, denn Du bist immer noch Du!! Falten und Narben zeugen von Charakter, wir tragen sie mit Würde.
Mit einem Stoma kannst Du so gut wie alles machen außer schwer heben, also auch reiten und sporteln und arbeiten.
So wie es sich liest, bekommst Du ein temporäres Stoma, wird also wieder zurückverlegt
Ich schick Dir noch ne PN, da steht dann noch mehr.
Ich drück Dich und sage Dir: Du bist mutig und sprichst darüber, dass ist schon die halbe Miete!!!
LG Petra
von hmengers » 25.02.2009, 19:43
Hallo Schnurzel,
richtig, Du bist mutig. Du sprichst über deine Ängste.
Und passend dazu einer meiner Lieblingssprüche (von BAP), der in dem Fall sogar doppelt passt (nicht in den falschen Hals bekommen) "A*** huuh".
Du wirst das schaffen!
Wir helfen Dir alle, wenn Du Probleme haben solltest. Alles Gute.
Herbert
(hoffentlich war ich jetzt nicht zu direkt)
von trixi » 25.02.2009, 20:14
Hallo Schnurzel,
ja, es ist ein Alptraum! Aber....nicht sooo schlimm.
Hatte eine harmlose Zysten-Op am Steiß und dabei wurde mein Schließmuskel verletzt. Wache nach der OP auf - alles ok...aber im Laufe des Tages merke ich, dass ich den Stuhl nicht halten konnte...peinlich! Besprechung mit dem Prof...ja zur endgültigen Heilung des Afters müssen wir einen Ausgang legen.....Meine Nackenhaare sträubten sich...ich war wie in Trance. Am folgenden Tag OP und...als ich aufwachte hatte ich 'diesen Beutel' links neben meinem Bauchnabel hängen....Keine Ahnung was darunter war...nie vorher ein Stoma gesehen.....die sind ja im Krankenhaus so aufklärungsfreundlich?!
Der Beutel füllte sich..oh Gott, was jetzt.....endlich kam die Stomatante und half mir den Beutel zu wechseln....
ich konnte dieses fremde Etwas überhaupt nicht anerkennen...schrecklich....
Aber im Laufe der Zeit habe ich mich an 'IHN' gewöhnt. Habe sogar die Rückverlegung hinausgezögert, weil alles 'hinten' richtig heilen sollte. Und das war gut.
Im Nachhinein kann ich nur sagen, sollte es mal wieder schlimm kommen, hab ich keine Angst wieder ein Stoma zu bekommen.
Auch meinem Mann, der sehr 'penibel'ist, hat es nicht gestört. Habe ein sexy Hemdchen bei der schönsten Sache der Welt drüber gezogen - und gut!
Also Kopf hoch...stinken tut er schon mal gar nicht und unter der Kleidung sieht man ihn auch nicht...Mein Prof. sagte damals 'ER' ist gesellschaftsfähig!
von dieter2 » 25.02.2009, 20:46
Hallo Schnurzel, es ist zwar nicht schön und gewöhnungsbedürftig, doch man kann mit dem Stoma auch gut leben. Ich selbst habe mich für die Irrigation (jeden 2. Tag) entschieden und habe dadurch fast keine Verdauung bis zur nächsten Irrigation. Das Stoma decke ich mit der Stomakappe von Braun ab, die sehr dezent ist (Größe etwa von einer Zigarettenschachtel). Nur gelegentlich benötige ich einen Beutel. Wenn es mit der Rückverlegung klappt, ist es ja eh nur von kurzer Dauer. Bei mir ist es nach der Rektumamputation leider endständig, doch jogge ich ohne Probleme und spiele auch Fußball, also Kopf hoch, dein Partner wird dich trotzdem mögen. Alle Gute, Dieter 2
von Monsti » 25.02.2009, 20:58
Servus Schnurzel,
sei herzlich willkommen in unserem netten Kreis!
Deine Panik kann ich verstehen, denn auch für mich gab es früher kaum etwas Schlimmeres, als mit so einem Sackerl am Bauch rumlaufen zu müssen.
Ich bekam mein Stoma im Rahmen einer hektischen Not-OP, hatte (da ich schon im Koma gelegen hatte) keine Ahnung und bemerkte das Stoma erst einige Tage nach jener OP. Mein Ileostoma ist für immer, und heute muss ich über meine früheren Gedanken grinsen. Dank der Stomaanlage hatte ich damals überlebt. Für mich genügte dieses Wissen, um mich sehr schnell mit meinem Spuckerle zu arrangieren.
Zu Deinen Fragen:
Ich habe so viele Fragen. Wie lange dauert es, bis ich wieder reiten kann? Kann ich als "Beuteltier" ins Büro gehen? Stinke ich dann? Was für Klamotten zieht man an? Wann kann ich wieder Sport machen? Wie werden die Narben aussehen? usw usw usw.
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