von Ysa » 16.09.2010, 19:06
Hallo,
mein Freund hat nun seit heute sein Illeostoma. Eigentlich war der Eingriff erst auf Dezember geplant aber kam nun doch schon früher. Durch meinen Beruf hab ich zwar praktische Erfahrung mit dem Umgang des Stomas aber mehr auch nicht. Und da er erst 26 ist, sieht da die Welt dann doch ein wenig anders aus. Man ließt viel aber ich denk mir, dass das praktisch dann doch anders aussieht.
Kann mir/uns hier jemand einfach mal grob zusammenfassen was alles so auf uns zukommt bzw. ob es irgendwas gibt worauf wir achten sollten?
Für uns ist das absolutes Neuland und Insider- Wissen kann da sicherlich sehr hilfreich sein.
Vielen Dank schon mal im Vorraus
von Chief » 17.09.2010, 08:37
Hallo Ysa,
erst einmal wünsche ich dich herzlich Willkommen hier im Stoma-Forum.
Ich würde Dir empfehlen dich erst mal durch`s Forum quer zu lesen (ggf. unter Nutzung der Suchfunktion) um dann gezielt die noch offenen Fragen zu stellen. So ganz allgemein kann man nur sehr schwer auf dein Anliegen eingehen.
Gruß
Uli
von Ysa » 18.09.2010, 10:08
Vielen lienben Dank für den Tipp !
Ich habe mich nun gestern Nacht mal hier Kreuz und Quer durch alle Bereiche gelesen.
Nun mal ein paar Infos zu uns:
Meinne bessere Hälfte wurde seit längerem von bösen Durchfällen geplagt. Nachdem die Häufigkeit dann extrem zugenommen hat (so 10-20 mal am Tag) hat er sich dann doch überreden lassen zum Arzt zu gehn. Der hat ihn dann nach Stuhlprobe und Blutabnahme zur Koloskopie geschickt.
Dort wurde dann festgestellt, das im Rektum nen Tumor sitzt und der Dickdarm eine massive Polypenbildung vorliegt (Polyposis Coli).
Nachdem dann Radiochemo geplant war und ne große OP (nach 6 Wochen Behandlung und 4-6 Wochen Pause) bei der das Colon entfernt werden sollte inklusive Tumor und Anlage eines doppelläufigen Stomas (damit dann ne Rückverlegung später möglich ist. Bei der Besprechung mit dem Strahlendoc hat der gemeint das das Stoma vor Beginn der Strahlentherapie vorhanden Sein sollte. Also wurde das nun am 16.9.10 gelegt.
Bis gestern war soweit auch alles noch ok, aber dann war plötzlich Blut im Beutel und das wurde dann immer mehr, der Doc kam und meinte mal sehen was los ist, kann sein, dass sie nachnehen müssen. war dann aber doch nicht der Fall. Essen ging bis heute Morgen um 5 ganz gut und dann hat er aus heiterem Himmel massiv erbrechen müssen. Jetzt hat er weider Infusionen und der Doc meinte wenn er Hunger hat, soll er versuchen langsam zu Essen. Wenn es nicht besser werden sollte steht nun die Option Magensonde im Raum!
Und jeh mehr da mittlerweile hinzukommt, umso mehr fällt er in ein Loch.
Mit dem Stoma kommt er soweit gut klar, für Ihn ist das nach den ganzen DUrchfällen,Unterleibsschmerzen und Krämpfen echt ne Entlastung, aber der Rest macht ihm doch sehr zu schaffen.
Ich weiß mittlerweile einfach nicht mehr wie ich mit ihm umgehen soll, da er auf der einen Seite manchmal extrem Distanziert ist und sich völlig abkapselt und auf der anderen aber sehr "anhänglich" ist. Ich hab grad einfach nur ein bisschen Angst das ich irgendwas falsch mach, weil für mich ist er nach wie vor die Person die ich liebe und da ändert auch das Stoma nichts dran und alles was da jetzt noch auf uns zukommt. Ich weiß nur nicht wie ich ihm das klarmachen soll, weil manchmal denk ich, dass er sich da schon Sorgen drüber macht.
Hilfe und Ratschläge währen echt lieb, da das im Moment echt die absolute Ausnahmesituation für uns beide ist und absolutes Neuland
von Webkänguru » 18.09.2010, 14:02
Hallo Ysa,
Ysa hat geschrieben:... weil für mich ist er nach wie vor die Person die ich liebe und da ändert auch das Stoma nichts dran und alles was da jetzt noch auf uns zukommt. Ich weiß nur nicht wie ich ihm das klarmachen soll, weil manchmal denk ich, dass er sich da schon Sorgen drüber macht ...
von Ysa » 18.09.2010, 19:42
hi, genau das habe ich schon getan, aber er hat wahrscheinlich im moment einfach zuviel im kopf, als dass das wirklich angekommen ist.
Er macht sich halt im moment wahnsinnig sorgen, das es nicht wirklich besser wird.
der heutige tag war schon bescheiden, er musste erbrechen, die Schmerzmedis schlagen noch nicht so wirklich an, der ganze bauch ist wahnsinnig aufgebläht und so langsam weiß ich auch nicht mehr wie ich ihn beruhigen soll.
vorallem fällt es mir extrem schwer, "das richtige" zu tun, weil zum einen leide ich irgendwie mit und zum anderen bin ich aber auch die jenige, die ihn immer wieder aufrichtet.
besonders schwer ist es in den momenten wo er eigentlich durch mimik,gestik und körpersprache ausdrückt, dass ich da bleiben soll und ihn nicht alleine lassen soll, aber auf der anderen seite total abweisend ist. ich hab mit ihm darüber schon geredet und er sagte darauf hin nur, dass ich mich da nicht verrückt machen soll, wenn er nicht will das ich da bleib, dann sagt er dass auch.
neuster stand der dinge ist, dass wenn er jetzt noch ein mal erbrechen muss, definitiv die magensonde zur entlastung kommt und er ist jetzt natürlich wieder voll depri.
von Webkänguru » 19.09.2010, 19:43
Hallo Ysa,
es ist immer leichter geschrieben als getan, aber lasst bitte den Kopf nicht hängen. Der Eine erholt sich schneller, bei dem Anderen dauert es etwas länger. Dann heißt es Geduld haben ... bis der Punkt erreicht ist, an dem es plötzlich wie von selbst und ganz schnell bergauf geht.
Viele Grüße,
euer Webkänguru
von Banditensocke » 20.09.2010, 08:58
Ysa,
so hart das klingen mag: Mach Dir bitte bewusst, dass Du
keine Krankenschwester
keine Therapeutin
keine Mutter
bist. Du bist PARTNERIN, und Du kannst nur eine GUTE Partnerin sein, wenn Du Deine Grenzen erkennst, und entsprechend handelst.
Du kannst Deinem Freund die Probleme, die er derzeit hat, nicht abnehmen, da muss er selbst durch. ER muss Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen, und Wege des Umgangs finden, das kannst Du nicht stellvertretend für ihn übernehmen.
Du kannst ihm auch keine Schmerzen abnehmen.
Du kannst nicht für ihn lernen, sich aus einem emotionalen Tief heraus zu kämpfen. Er muss lernen, sich SELBST aufrichten zu können.
Partner von sehr kranken Menschen verhalten sich oft übergriffig. Sie meinen es gut, vergessen aber, dass da ein Mensch erkrankt ist, der erwachsen ist und eigenständig denken und handeln kann. Die Partnerschaft bekommt auf diese Weise eine Schieflage, die für alle Beteiligten negativ ist. Der gesunde Partner übernimmt sich emotional und körperlich oft auf eine Weise, die dramatisch ist. Er hört auf, ein normales Leben zu leben, und kreist nur noch um den erkrankten Partner.
Das ist eine Fahrkarte ins Aus.
Dein Partner ist krank - aber Du hörst deshalb nicht auf, ein Mensch mit Bedürfnissen und Grenzen zu sein, und Dein Partner ist nicht auf seine Erkrankung reduziert.
Du kannst ihm helfen, indem Du aufhörst, wie ein Brummkreisel um ihn und die Erkrankung zu zirkulieren. Sorg für Ausgleich, und dafür, dass Du jenseits der Sorgen auch Schönes erlebst, allein und mit Deinem Partner zusammen.
Sprich über Deine Gefühle, steh zu Deiner Hilflosigkeit, und auch dazu, dass Du Dich abgewiesen fühlst.
Bitte um KONKRETE Hinweise, wie Du Deinem Freund jetzt helfen kannst, und hör auf, darüber hinaus aktiv zu sein.
Geh auch mal allein aus, zum Sport, oder triff Dich mit Deinen Freundinnen. Das Leben besteht nicht nur aus Krankheit.
So hilfst Du Deinem Freund weit mehr, als wenn Du weiter in die Kümmer-Rolle hinein wächst.
Mit einer Erkrankung umzugehen, ist eine harte Lektion, aber niemand kann einem abnehmen, sie zu erlernen. Ein Partner, der irgendwann zusammen bricht, weil die Belastung für ihn zuviel ist, und er versäumt, über all der Fürsorge auf sich selbst zu achten, ist eine noch grössere Belastung, weil derjenige genau das ablehnt, was der Erkrankte jetzt lernen muss: eigenverantwortlich zu agieren.
Meine Beziehung zu meinem Partner ist an einem bestimmten Punkt beinahe daran zerbrochen, dass er sich immer stärker mit meiner Erkrankung identifizierte und aufhörte, ein eigenes Leben zu führen. Ich fühlte mich mehr und mehr wie ein Kind, und weiss heute, dass mir das die Luft zum Atmen nahm. Ich war und bin chronisch krank, aber nicht lebensuntüchtig, nicht dämlich, und auch kein Kleinkind, sondern ein erwachsener Mensch mit jeder Menge Kompetenzen.
Ich habe ihn damals dann erstmal in die Wüste geschickt, und ein knappes Jahr allein gelebt. Danach hatte er begriffen, dass ich alles in meinem Leben auch sehr gut ohne ihn regeln kann, und unsere Beziehung konnte sich wieder einem gesunden Fundament zuwenden: Der Freude, den Alltag miteinander zu teilen.
Alles Gute für Euch
wünscht die Banditensocke
von sternchen » 20.09.2010, 14:14
Hallo Ysa,
es gibt ja Menschen, die den Sinn ihres Daseins darin sehen, sich nur um andere zu kümmern und vollkommen zufrieden damit sind - aber da du die Problematik ja hier schon zur Sprache bringst, gehörst du wahrscheinlich wie die meisten von uns, nicht dazu.
Banditensocke hat es mal wieder sehr gut beschrieben: du mußt die für Eure Partnerschaft richtige Balance finden zwischen, na, sagen wir mal, gesundem Egoismus und Aufopferung, und du darfst es nicht so weit kommen lassen, daß dein Partner vollkommen von dir abhängig wird und deine Fürsorge als Selbstverständlichkeit ansieht, denn das wird er irgendwann, wenn du dich mit deinem eigenen Leben nicht dagegen behauptest. Auch wenn es sicher nicht leicht ist, weil dir selber manchmal zum Heulen ist: versuche, daß er nicht im Selbstmitleid versinkt. Manchmal geht das nur auf die harte Tour!
Ich hatte, als es mir dreckig ging, übrigens auch Schuldgefühle, daß ich meinem Mann sowas zumute und deshalb oft gebissen: "Laß mich in Ruhe, schaff ich alleine", mich aber stillschweigend drauf verlassen, daß er immer da ist, wenns drauf ankommt.( Nun, er ist jetzt gottseidank immer noch da, und wie er das alles durchgestanden hat, war bewundernswert, das habe ich erst hinterher richtig gemerkt.) Vielleicht geht es deinem Partner ja ähnlich?
Ich wünsch euch jedenfalls, daß ihr gemeinsam auf den für euch richtigen Weg findet!
Liebe Grüße
Gabi
von babonsai » 20.09.2010, 15:02
Hi Ysa...
angemerkt sei vielleicht noch, dass er Kraft nur dann aus Dir beziehen kann, solange Du DAS bleibst, wie er Dich mal kennen- und lieben lernte.
Wie schon Banditensocke und Sternchen schrieben, Du darfst Dich da nicht verbiegen, also nun auch noch ein "neuer Faktor" für ihn werden.
Denn gut gemeinte Hilfe kann oftmals das Gegenteil bewirken... z. B. das Gefühl, so etwas zurück zahlen zu müssen, Dankbarkeit, für die eigentlich keine Kraft mehr besteht. Du verstehst?
Rückhalt findet man(n) in solch Situationen oftmals in Beständigkeit, wie dem Partner, der nun nicht hilflos wie ein "Huhn ohne Kopf" rumrennt..verzeih, die ganze Sache noch komplizierter macht.
Unter dem Strich:
Bleib wie Du vorher warst, mit Anteilnahme, egal worum es geht, aber bitte nicht mit gravierenden Veränderungen!
Denn das kann arg verwirren, speziell, wenn man(n) nun selber in einer neuen Situation ist...
In diesem Sinne
LG
Klaus
p.s. Ich verstehe Dich dennoch und es war der richtige Schritt deinerseits, sich hier mal dazu zu melden...
von Leobär » 20.09.2010, 21:30
Hallo Ysa,
ich kann Deine Unsicherheit und Deine Suche nach dem richtigen Weg gut verstehen, habe das zum Teil ziemlich ähnlich erlebt. Meinem Mann wurde vor etwas über einem Monat ein endständiges Colonstoma angelegt. Kannst Du hier nachlesen! Wir waren beide fix und alle!
Die Schmerzmedikamente haben ebenfalls erst am dritten Tag gegriffen, also zwei Tage heftigste Schmerzen. Die Magensonde hat er nach zwei Tagen ununterbrochenem Erbrechen bekommen. Der Gedanke daran,war für ihn der Horror, letztendlich war es eine große Erleichterung, bis der Darm wieder von selbst arbeitete. Alles ist dann wieder gut, wenn es überstanden ist, aber zwischendrin ist es die Hölle.
Ich habe wie Du erlebt, dass er zeitweise sehr dankbar und froh über meine Anwesenheit, zeitweise auch sehr distanziert wirkte. Das hat weh getan und hilflos gemacht. Ich habe dann einfach still da gesessen, weil er nicht wollte, dass ich gehe. Im Nachhinein sagt er, dass es für ihn sehr wichtig war, dass ich so oft da war (allerdings nur so für 1 -2 Stunden, mehr hätte ich nicht durchgehalten).
Ich kenne aus eigener Erfahrung die ausgelieferte Situation, die man bei lebensbedrohlichen Krankheiten im Krankenhaus haben kann. Ich werde in diesem Fall meinem Bruder nie vergessen, dass er immer wieder da war und das er "aufgepasst" hat.
Man ist sehr hilflos, ausgeliefert, vieles macht Angst, was dann im Nachhinein als ganz normale Prozedur erscheint (z.B. das Anlegen einer Magensonde, weil der Darm ganz häufig nach solchen OPs nicht arbeitet. Das muss man aber erst mal wissen!
Ich gebe Euch hier allen Recht, Partner dürfen nicht übergriffig werden und Ihre ganze Selbstbestätigung im Bemuttern finden. Aber es gibt Grenzsituationen. Eben die als Neu-Operierter, in der Situation, in der Du Angst hast, nicht über den Berg zu sein. Da kann "da sein" ganz viel helfen (vorausgesetzt, es wird vom Partner wirklich gewünscht). Auch wach sein, was im Krankenhaus vor sich geht, nachfragen wo das Schmerzmittel bleibt, ob der Darmverschluss gefährlich werden kann und all die Fragen, die der Patient vielleicht in dem Moment nicht in der Lage ist, zu stellen. Mithören, was die Ärzte sagen, weil der Patient vielleicht momentan die Informationen nicht so gut aufnehmen kann - So war das wenigstens für uns!
Deshalb mein Rat: Frag Deinen Freund, wie er es wünscht. Nimm Dir was zu Lesen mit. Bedränge ihn nicht. Geh zwischendurch in die Cafeteria. Mein Mann sagte mir oft, wie wichtig meine Anwesenheit für ihn sei, aber es gab auch die Tage, in denen er abwesend bis hin zu abweisend wirkte. Das macht hilflos und unsicher. Es waren die Tage, in denen er Angst hatte, eine Angst die er nicht aussprechen konnte und wollte. Eine Angst, über die er auch nicht reden muss, denn es stimmt - es ist seine Krankheit, mit der letztlich er allein klar kommen muss.
Ich kann nur an seiner Seite sein. Ich setze mittlerweile - denn es geht ihm zum Glück viel besser - auch wieder deutlicher Grenzen, sorge mehr für mich. Aber niemals hätte ich in diesen ersten schlimmen Tagen abends zum Sport oder sonstigen Vergnügungen gehen können. Das beherrschende Thema für uns beide, was da nur "STOMA", natürlich für jeden von uns in anderer Art. Fazit: Man darf als Partnerin alles geben bis zur Grenze, wenn man emfindsam bleibt, ob es auch wirklich für ihn hilfreich ist und wenn es nicht ein Dauerzustand wird.
So, das musste jetzt raus. Irgendwie ist mir das alles gefühlsmäßig noch unheimlich nahe! Es ist so wichtig, dass es dieses Forum gibt.
Liebe Ysa, viel Mut, viel Kraft und viel Geduld wünsche ich Dir und Deinem Freund ...
Gabi
... die Welt kann schon in vier Wochen wieder viel besser aussehen, wenn auch noch nicht heil, aber lebenswert!!!!
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