von dschortsch » 15.08.2018, 14:11
Ich möchte hier mal etwas beschreiben, was mir schon länger im Kopf herumspukt: Das Stoma in meinem Kopf. Schon öfter hab ich beschrieben, daß ich echte Schwierigkeiten habe, das Stoma an mir zu akzeptieren, daß mir Erotik, Zärtlichkeit, Umarmungen, geschweige denn Sex schwer möglich sind, weil ich davor zurückschrecke, andere sehen oder fühlen zu lassen, daß "da" etwas ist. Ausbeulungen in der Kleidung suche ich zu verbergen, ich gehe nie raus ohne "Notfallpack", taste öfter unterwegs in der Kleidung, ob da denn noch alles stimmt. Und fühle mich ziemlich "behindert", den Anderen nicht gleichwertig, als jemand, der ständig etwas zu verbergen sucht. Bin ich bekloppt?
Ich glaub, nicht. Dieses Ding, dieses Stoma, dieser künstliche Ausgang, der mir nach knapp 6o Jahren fas völliger beschwerdefreier Gesundheit verpasst wurde, hat anscheinend ein tiefes Traumata gegraben in meine Psyche. Eines, das ich loswerden will! Ich will die Unbeschwertheit, die Leichtigkeit, die Sorglosigkeit zurück, mit der ich mich vorher Menschen, Situationen nähern konnte!! Und das möglichst sofort !!!! !!
Kommt euch das, was ich hier schreibe, aus eurem Leben irgendwie bekannt vor? Habt oder hattet ihr ähnliche Gedanken? Ich meine, daß meine Collitis, nachdem sie "erfolgreich" behandelt wurde, Spuren in meine Psyche gegraben hat. Ja, es geht mir unvergleichlich besser mit Stoma als mit aktiver Ulzerosa. Und ich hab einiges von den "Folgen" der Behandlung aufgearbeitet oder bin dabei, das zu tun. Darum schreibe ich hier. Um etwas loszuwerden, mit dem ich nicht leben möchte. Und ich möchte leben!!
von Börgi » 15.08.2018, 19:03
Grüß Dich dschortsch,
ich kann Dich beruhigen, Du bist nicht bekloppt!!!!!
Mir ging es auch so!!!
Ich konnte die erste Zeit mit Stoma,das Teil nicht mal selber versorgen, das hat mein Mann gemacht.
Ich hab nur geheult und hab dann Antidepressiva genommen!!! Mit der Zeit hab ich mir dann gesagt, ich muß mich zusammenreißen und akzeptieren, das ich nun ein Kängeruh bin. Alle halbe Jahr , nach der Kontrollspiegelung und wieder keine RV, fiel ich wieder in ein tiefes Loch!!! Mein Zigarettenkonsum war extrem, bis zu 40 Stück am Tag, seit er 1. RV bin ich Nichtraucher!!!
Nachdem ich die Ärzte und das KH gewechselt habe, stellte sich raus, alles umsonst! Der Dickdarm war am durchfaulen und mußte ganz entfernt werden, eine Fistel hat sich auch gebildet!! Also Illeostoma ( ein Vorteil-kein Prolapse mehr) und Humira spritzen gegen die Fistel!!!
Und dann nach 5 Jahren endlich die RV!!! Die erste ging voll in die Hose, Darmverschluß -Lebensgefahr!!! Nach einem Jahr der nächste Versuch, diesmal erfolgreich!!!
Manche Tage sind anstrengend, aber im großen und ganzen geht es mir gut. Es dauert alles seine Zeit und es wird immer besser!!!Man braucht viel Geduld!!!!
Sicher kann es passieren, das ich wieder beim Stoma landen, denn der MC ist ja noch in meinem Körper, auch wenn ich schon Jahre keinen Schub mehr hatte!!! MC ist unberechenbar, aber dann kann ich es halt nicht ändern!!!
Laß den Kopf nicht hängen!! Du bist nicht allein!!!
Ich kann Dir den Büttel nicht abnehmen aber ich fühl mit Dir!!!!
Alles Gute wünscht Börgi!!!!
von sammy » 15.08.2018, 20:04
Hallo dschortsch,
nein, bekloppt bist du sicherlich nicht.
Ist ja nicht einfach, wenn man nach 60 Jahren plötzlich ein Stoma bekommt.
Ich bin jetzt Anfang 50, habe mein Ileostoma (aufgrund eines MC) ca. 30 Jahre.
Auch heute, nach so vielen Jahren "fühle" ich immer wieder über den Bauch.
Ich denke das es in der zwischen Zeit schon ganz unbewusst geschieht.
Liege ich im Badeanzug am Pool, zack kurz mit der Hand an den Bauch, ok alles in Ordnung, durchatmen.
Ich verstecke mein Stoma auch so gut es geht unter meiner Kleidung.
Aber das andere Menschen uns direkt auf den Bauch schauen und denken nanu was ist denn da?
Unwahrscheinlich, schaust Du anderen direkt auf den Bauch? Nein!!
Ich kann nachvollziehen wie es dir geht, aber Du wirst dich an dein Stoma gewöhnen müssen. Es ist nun mal da.
Ich würde mir auch wünschen, das ich kein Stoma hätte(vielleicht kommt ja mal ein gute Fee und ich habe einen oder auch zwei Wünsche frei oder das nächste mal sehe ich eine Sternschnuppe)
aber mir ist auch bewusst ohne mein Stoma wäre ich nicht mehr am Leben.
Und ja, das Leben geht auch mit Stoma normal weiter und es ist Lebenswert.
Und ja, auch mit Stoma fühle ich mich frei und normal, auch wenn ich es verstecke und am liebsten kein Stoma und auch keine Crohn hätte.
Als Beispiel, wie normal es auch mit Stoma sein kann; mein Mann und ich heiraten in drei Wochen im Urlaub in weiß. Als ich mir mein Brautkleid gekauft habe, hatte ich an meinen Bauch nicht gedacht.
Und mir ein sehr figurbetontes Kleid gekauft. Natürlich kommen jetzt Gedanken, oh Gott was hast du bloß gemacht, wenn der Darm arbeitet, sieht man es sofort unter dem Kleid.
Aber weißt Du was, der Darm wird nicht arbeiten, zumindest nicht bis die Fotos gemacht wurden.
Danach muss mir mein Mann helfen, wenn ich auf die Toilette muss. Klar ist mir das peinlich und unangenehm, aber ich glaube anderen Frauen wäre es auch unangenehm. Also alles normal.
Du wirst es mit der Zeit akzeptieren.
Gibt dir die Zeit und hadere nicht mit deinem Schicksal, das macht dich nur runter.
Liebe Grüße
Sammy
von thomas144 » 16.08.2018, 06:25
Hallo, ich möchte mich hier einfach mal einklinken. Vielleicht kann mir ja auch jemand einen Rat geben. Ich hab ein Urostoma. Jetzt hab ich im Internet eine Frau kennengelernt. Wir haben kurz miteinander gechattet und haben uns jetzt auf ein Kaffee verabredet. Wir haben auch Bilder ausgetauscht und danach sind wir uns beide schon mal sympathisch. Und auch über die ein oder andere Sache über der gechattet wurde, verstehen wir uns schon mal ganz gut. Morgen wollen wir uns nun treffen. Jetzt bekomme ich aber langsam kalte Füße. Wie sag ich was mit mir genau los ist. Ich hab nur bei dem Gedanken darüber mit der Frau zu sprechen schon kalte Füße Vielleicht habt ihr ja den einen oder anderen Tipp für mich. Lg
von sammy » 16.08.2018, 07:21
Hallo Thomas,
ich kann dir nur schreiben wie ich es gehalten habe.
Ich habe beim ersten Date nie direkt erzählt das ich krank bin.
Manchmal blieb es ja bei dem einen Date, warum dann sofort alles erzählen?
Wenn ich dann nach einigen Treffen meine Geschichte erzählt habe, habe ich auch nie negative Erfahrungen gemacht. Viel mir auch nie leicht.
Bei meinem Mann habe ich dann direkt bei unserem zweiten Treffen alles, wirklich alles erzählt.
Es war so ein Buchgefühl.
Ich würde einfach mal abwarten.
Drücke dir die Daumen,
du machst das schon, geniesse einfach dein Date
Liebe Grüße
Sammy
von thomas144 » 16.08.2018, 07:27
danke sammy, ich werd es wohl einfach erst mal angehen und dann sehen wie es sich entwickelt. hab aber trotzdem schon ganz schön muffengang. lg
von dschortsch » 16.08.2018, 13:55
Hallo, Thomas,
ja, ich wünsch Dir auch ein geglücktes, spannendes Date, daß noch für eine längere Zeit ein seliges Lächeln auf deinem Gesicht hinterlässt..... Und wenn Du dabei kalte Füße trotz Schweißausbrüchen bekommen solltest..... sei`s drum!
Das, was Du beschreibst, ist das, was ich meine: Wir haben den Eindruck, mit etwas behaftet zu sein, was wir niemandem "zumuten" wollen. Was verheimlicht, verborgen werden muss. Was "pfui" ist und zu Ablehnung führt. Und, so nach und nach, lehnen wir uns selber ab. Jedenfalls habe ich das aus den Antworten zu diesem Thema herausgelesen. Und bei mir selbst konnte ich das bisher immer deutlicher sehen. Darum bin ich diesem Forum beigetreten: Um mir etwas von der Seele zu schreiben, um wieder mehr Selbstwertgefühl zu bekommen.....
Und, natürlich, weil ich Nähe möchte, die Zärtlichkeit einer Frau, zwischenmenschliche Wärme, Sex. Und dachte, daß dieses verflixte Stoma mir all das unmöglich machen wird für den Rest meines Lebens. Und ein wenig davon, Tomas, scheinst auch Du zu denken...... sonst würdest Du nicht so ein Problem in einem "Date" sehen. Helfen dabei, meinen "Selbstwert" wiederzufinden, tun mir Beiträge wie der von Sammy, Börgi..... Beiträge, in denen die Leute erzählen, wie es ihnen geht, was sie erlebt, durchlebt haben. Den großen Durchbruch hat das noch nicht gebracht... noch immer ist jede Umarmung für mich eine Herausforderung, Sex halte ich höchstens in Träumen für erlebbar und ich gehe nicht mehr so unbefangen, unbeschwert mit Menschen um wie vor meiner Erkrankung..... aber es ändert sich etwas. Ich guck mich um nach weiblichen Wesen für ein "Date", wenn auch eher verhalten, ich träume von Sex, mehr real als farbig, ich denke immer öfter mal.... "egal, scheißwasdrauf!!".
von Trudi » 16.08.2018, 14:05
Nein, du bist nicht bekloppt!
Mal ganz ehrlich...
Wer braucht schon jemanden, der Sympathie oder gar Liebe von einem Beutel am Bauch abhängig macht?
Keineiner!
Eine Frau oder einen Mann, der so ist, den braucht kein Mensch! Absolut nicht. Und mann/frau sollte froh sein, wenn solch ein Individuum sich schnellstens verflüchtigt!
Es wird eine(r) kommen, der/die euch so nimmt, wir ihr seid und sich nicht am Beutel stört! Ihr werdet es merken, ihn oder sie erkennen. Es mag ein bissi dauern, aber seid bitte zuversichtlich. Denn mit eurer Zuuversicht steigt auch eure Ausstrahlung! Ihr seid was Besonderes! Macht was draus!
Viel Erfolg!
von Börgi » 16.08.2018, 14:32
Hallo Ihr beiden Buben,
mal ehrlich, mir wäre es egal ob der Mann ein Beutel am Bauch hat oder nicht!!! Wichtig ist der Mensch und seine Persönlichkeit!!!!
Wenn er mir gefällt, sympatisch ist und mit mir auf einer Wellenlänge schwimmt, sind solche Sachen nicht maßgebend für mich!!!
Ich weiß, ich hab gut reden , hab ja schon seit 33 Jahren den gleichen Männe an meiner Seite, 30 Jahre davon verheiratet!!! Aber wie ich meinen Mann kennen lernte und es wurde ernst, bin ich auch mit meiner Krankheit rausgerückt. Es hat ihn nichts ausgemacht, im Gegenteil, er hat Stunden im KH an meinem Bett gesessen, mein Stoma versorgt und hat mich immer umsorgt,wenn es mir mies ging!!!
Es ist nicht einfach,solch eine Perle zu finden, aber es gibt sie da draußen!!!
Und auch Ihr werdet eine finden!!!
@ Thomas: Nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen!!! Erstmal das Date genießen und sehen,wie es sich entwickelt!! Es wird sich dann ein Zeitpunkt ergeben, um sich ganz zu öffnen!!!
Viel Glück!!!! Ich drück die Daumen!!!!
Liebe Grüße von Börgi!!!
von sammy » 16.08.2018, 17:15
Hallo dschortsch,
ich habe gerade deinen Beitrag gelesen.
Ich fühle mich nicht" mit etwas behaftet" es ist auch nicht pfui.
ABER es ist doch sehr intim und privat.
Wenn Du eine andere Krankheit hättest, würdest du es jedem erzählen?
Ich kann nur von mir ausgehen und die Frage mit Nein beantworten.
Sicherlich ist es nicht "gesellschaftsfähig" wenn Mann /Frau mit dem Darm Probleme hat. Wenn dann noch ein Beutel am Bauch klebt....
Aber Menschen die dich/uns Aufgrund, das ein Beutel am Bauch klebt ablehnen, sorry aber die haben doch wohl das größere Problem.
Dem richtige Partner wird der Beutel völlig egal sein, du bist doch mehr als dein Bauch, der halt nicht perfekt ist. Wenn Du nicht mehr zu bieten hättest, als einen perfekten Bauch/Körper, na das wäre doch wohl sehr wenig. Wenn nicht armselig, oder?
Ich denke potentielle Partner haben mehr Probleme mit einem Menschen der kein Selbstbewusstsein hat, oder dumm ist, der halt nicht voll im Leben steht.
Mein Mann hat nie Berührungsängste gehabt. Er hat von Anfang an gesagt, wieso du bist doch völlig normal, klebt halt ein Beutel am Bauch. Du gehst doch nicht nackt durch die Stadt, also alles ok, es gibt Schlimmeres.
Ich will jetzt nichts bagatellisieren, klar ist es nicht einfach, einem Fremden zu erklären was ein Stoma ist. Natürlich habe ich auch muffensausen gehabt, wenn ich es denn erzählt habe.
Aber ich habe wohl mehr Probleme gehabt es zu erzählen und zu überlegen wie der Andere reagieren könnte, als mein gegenüber.
Lebe und genieße dein Leben.
In dem Sinne
liebe Grüße
Sammy
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