von hmengers » 28.12.2009, 12:12
Hallo Andrea,wenn da nur nicht ständig das schlechte gewissen wäre, wie schrecklich es wäre zu wissen, ich war nicht für ihn da, sollte er es nicht schaffen.
von Sturm » 28.12.2009, 12:57
...danke liebe APauspuff, danke lieber herbert,
@APauspuff....so stelle ICH es mir ja auch vor, dass es einem kranken besser geht, wenn er umgeben ist von familie, freunden, bekannten, die ihn aber NORMAL behandeln.
ich meine damit nicht, dass sich jeder pausenlos um ihn kümmern soll und ihn zutexten mit den neuesten erkenntnissen, die er irgendwo über krebsbehandlung gelesen hat.
das zittern der hände kommt vielleicht auch von seiner ständigen, körperlichen überanstrengung, denn selbst am chemotag kommt er ja nachhause und will noch an einem auto rumschrauben, er nimmt keine rücksicht auf seinen zustand, will damit nichts zu tun haben.
das sonderbare ist nur, dass es dann in kurzen abständen telefonate mit mir gibt, in denen er mich eben doch stundenlang dinge seinen krebs oder stoma betreffend fragt.
meine schwägerin ist inzwischen mehrere jahrzehnte mit ihm zusammen, wobei sich jeder fragt, weshalb, aber das geht uns nichts an, sie hat ihre gründe (sie war 13, als er sie kennenlernte und er blieb ihr einziger freund und später mann, er hat sie sich passend erzogen) aber die jahre haben sie versteinert gemacht, sie ist abgestumpft, eine richtig gefühllose, frustrierte frau geworden.
ihr weinkrampf bei der hochzeit der tochter kam, weil sie nicht fassen konnte, dass sie sich nichtmal an diesem tag freuen konnte / durfte, denn sie hatte ja dieselben bedenken wie wir anderen, dass er an diesem tag alleine zuhause ......
ganz wütend wurde sie allerdings, als mein bruder von seiner tochter erwartete, dass sie am besten alleine in las vegas heiratet, um ihm ja jegliche belästigung durch irgendwelche fremden, angeheirateten leute zu ersparen, er fand es eine rücksichtslosigkeit von ihr, an ihrem heimatort heiraten zu wollen.
da merkte ich, dass meine schwägerin innerlich schon lange auf dem gewissen LMAA standpunkt steht, sie musste sich wohl dahin retten, sonst wäre sie untergegangen.
sie wohnt auch inzwischen in der oberen wohnung und verschwindet, sowie er austickt.
mein helfersyndrom ist da, meine therapeutin sagte mir gleich zu beginn seiner erkrankung, nach dem, was er mir zuvor alles gesagt hatte, müsste ich ihm nun sagen....na und, ist NICHT mehr MEIN ding, du kommst doch so gut alleine klar.
aber ich habs nicht geschafft, ich bin ein mensch, dem man seit seinem 7. lebensjahr klar gemacht hat, dass er SCHULD ist, an allem, auch daran, WIE mein bruder sein leben gestaltete, denn als erwachsener hätte er doch entscheiden können, dass er nun eigenständig sein leben einrichten kann.
ich war todkrank als kind und er samt mutter waren nunmal der meinung, meine scheixxkrankheit hätte alles, was dann folgte, ausgelöst.
du meine güte, ich brauchte 5 jahre, bis ich wieder gesund war und neu laufen konnte, aber darüber sprach noch nie ein mensch.
mein bruder hatte wohl immer den eindruck, ICH hätte dann im vordergrund gestanden, da man sich mehr um mich kümmern musste.
so hab ich ein echtes helfersyndrom entwickelt, bin ja auch nicht umsonst lange in behandlung, ich fühle mich ja ständig an allem schuld und versuche es jedem recht zu machen.
selbst hier fühle ich mich schon wieder so schuldig, weil ich euch zeit raube für dinge, die ihr lest, die gar nicht mehr hierher gehören.
ich weiss jetzt, dass ich mich zurücknehmen MUSS, sonst lande ich wirklich noch in der klapse, denn was freude ist, weiss ich gar nicht mehr.
dabei denke ich immer, wie schrecklich ist es doch, ein leben zu führen, wie er es soviele jahrzehnte machte, wieviele kleine freuden sind ihm entgangen, stellt euch vor, seine frau war noch NIEMALS mit ihm essen oder tanzen, denn er kann das ja nicht wegen seiner psyche.
nun merken mein mann und ich natürlich, dass wir extrem vereinnahmt werden, dass wir die weihnachtstage komplett bei ihnen verbringen, war für sie klar, wir wurden gar nicht VORHER gefragt.
aber die tatsache, dass eben das frischvermählte paar, die schwangere nichte, die auch noch vorwehen bekam, da war, ich es auch meiner schwägerin nicht antun wollte, das alles alleine zu stemmen, liess uns antanzen.
gestern haben wir uns erlaubt, einen ERHOLUNGStag alleine zu geniessen, aber schon kam wieder eine sms nachricht, dass er sein auto ja wiedermal fahren muss,
(er fährt es nur bei schönem! wetter und ich frage mich, wie er es verantworten kann, einen wagen mit fast 600 PS in diesem zustand zu fahren)
also werden sie bei uns vorbeikommen.
da hab ich NEIN geschrieben und erntete eine kurze, pikierte antwort meiner schwägerin, aber das ist sicher alles die schuld meines mannes und mir, wenn wir immer springen, wird das natürlich auch IMMER erwartet.
danke herbert, dass du mir die augen noch mehr geöffnet hast, die therapeutin müht sich redlich, aber was sich jahrzehnte festgesetzt hat, das braucht, bis es zum paradigmenwechsel kommt, das alte verhaltensmuster überschrieben ist und ich fürchte, eine vielleicht tödliche endende krankheit ist da grade ein schlechter unterstützer.
ich habe eure ratschläge gemailt, hab lieber nicht angerufen, nun sollen sie einfach morgen etwas beim onkologen damit anfangen oder auch nicht. meine schwägerin bringt meinen bruder seit längerem nur noch zum termin und holt ihn wieder ab, sie erträgt seine ablehnungen von hilfen, die ihm der onkologe wohl doch anbietet für die chemozeit, einfach nicht mehr.
ich wage es, euch so zu danken, alles liebe,
andrea
von AP-Auspuff » 28.12.2009, 17:06
Hallo Andrea,
ich denke wenn ich so Deine Schilderungen lese Herbert hat recht.
Sieh zu daß Duuuuu da heil schnellst möglich raus kommst. Du hast genug Hilfe angeboten, die Zwei müssen alleine mit der Situation klar kommen, und wenn Dein Bruder so einen Weg ohne Hilfe wählen will dann lass ihn !!!! Du wirst es nicht ändern können und auch nicht helfen können. Schmeiß Dein Leben nicht auch noch weg. Auch ein krebskranker Mensch ist ein Mensch wie jeder andere.
Gruß
AP-Auspuff
von Meta » 28.12.2009, 22:51
Hallo Andrea,
es ist eine schwierige Situation,du möchtest gern helfen,
aber,dein Bruder "lässt dich nicht"...
Ich sehe es genauso wie Herbert,es gibt letztendlich nur einen der diese Probleme lösen kann und das ist dein Bruder selber in dem er sich professionelle Hilfe holt.
Du kannst unterstützen und da sein,wenn er deine Hilfe möchte,aber,mehr kannst du nicht tun.
Du solltest dir nur immer wieder bewusst machen,bevor du
dich über ihn und seine Handlungweise ärgerst oder dich verletzt fühlst,dein Bruder ist krank.
Auch wenn das kein Freibrief für ihn ist sich "daneben zu benehmen" so ist es vielleicht eine Erklärung.
Liebe Grüße,
Marion
von Monsti » 28.12.2009, 23:17
Hallo Andrea,
hier eine kleine Geschichte aus meiner eigenen Familie:
Ich habe eine Schwester, die vor fast 20 Jahren in die U.S.A. ausgewandert war. Sie lebt dort in einer abgeschlossenen "Community" und ist schon seit 'zig Jahren jenseits jeglichen realen Lebens. Körperlich ist sie weitgehend gesund. Sie bräuchte trotzdem dringendst eine Psychotherapie, doch bisher fehlt ihr die Einsicht. Sie ist anscheinend der Meinung, dass sie die einzige Normale in einer Welt total Verrückter ist. Gleichzeitig kriegt man zwischen den Zeilen ihrer Mails mit, dass sie sich nach jedem winzigen Konflikt tagelang in ihrem Schlafzimmer einschließt, nichts isst, dafür aber umso mehr raucht und Alkohol zu sich nimmt. Davor zerhackt sie im Wutanfall allerlei Haushaltsgegenstände. Ihre ungezügelten Aggressionen kenne ich von Kindesbeinen an, die schwarzen Löcher waren damals meines Wissens noch nicht.
Als Schwester betrübt mich dies natürlich, doch ändern kann ich leider gar nichts. Das kann nur meine Schwester selbst, und dies mit professioneller Unterstützung. Ich werde einen Teufel tun, mich da nochmals reinzuhängen. Zaghafte Versuche waren kläglich gescheitert. Da wurde Schwesterherz nur beleidigend und erschreckend vulgär. Heute sage ich mir: Es ist ihr Leben, ich habe meines, um das ich mich kümmern und in dem ich zufrieden sein muss.
Liebe Grüße
Angie
von Sturm » 29.12.2009, 10:28
guten morgen zusammen,
danke für eure verständnisvollen worte. ich weiss, dass er nicht grade zum braven lamm wird, so krank wie er jetzt ist.
aber leider dreht es mir einfach das herz um, wie erschreckend elend er aussieht, mit jeder woche abstand, in der ich ihn nicht gesehen habe, wird deutlicher, dass er immer noch gewicht verliert und sein gesicht nur noch aus haut und knochen besteht.
und wenn er dann so leise verschwindet, dann ist er zwar trotzdem mein oft so grantiger bruder, aber er tut mir so leid und ich kann meine gefühle für ihn nicht totschlagen.
meine schwägerin hat mir gestern auf die mail mit euren informationen geantwortet, sie wird sie ihm zu lesen geben, aber was er beim onokologen bei der heutigen chemo damit macht, weiss sie nicht.
sie schrieb, dass sie jetzt wohl gestern morgen mitbekommen hat, was passiert, wenn mit dem stoma wiedermal was schiefgeht...mein bruder macht ja seine badezimmertür zu, hat die eigene waschmaschine angeschafft. aber gestern war meine schwägerin zuhause und komplett geschockt, sie meinte, sie weiss nicht, wie ausgerechnet er damit auf jahre zurechtkommen soll.
wir alle müssen damit ja nicht leben, ich bin auch nicht verletzt, wenn er meine vorschläge nicht annimmt, es tut mir einfach so leid für ihn, dass er nicht über seinen schatten springen kann und bereit ist, sich bei betroffenen menschen hilfe zu holen.
auf der einen seite plant er, was er mit seinem enkelsohn alles anstellen wird, auf der anderen sagt er plötzlich alleine zu mir, dass er sich erkundigt hat, man kann auch aus dem flugzeug asche aus der urne abwerfen lassen.
fliegen ist seine grosse leidenschaft und es zeigt mir ja, dass er sich auch mit dem tod beschäftigt.
ich kann mich doch jetzt nicht auf und davon machen, ich will auch keinerlei dank von ihm, denn es ist für mich selbstverständlich da zu sein, wenn jemand so schlimm erkrankt.
gut, ich weiss, er wäre völlig anders, er würde sagen...damit muss sie halt klarkommen und das wärs.
vielleicht denke ich auch viel mehr verzweiflung in IHN hinein, vielleicht gehts ihm psychisch gar nicht so schlecht, aber ich habe das elend meiner freundin so nah mitbekommen, dass es mir halt schwerfällt, das alles jetzt viel leichter zu sehen.
ich weiss nicht was das ist, mein bruder googelt kreuz und quer, aber was IHN betrifft, weiss er nichtmal, wie sein medikament heisst.
das wäre ja auch ok so, meine freundin drückte mir auch ihre krankenakte in die hand und sagte, ich wills gar nicht wissen, frag du.
aber warum ruft er mich dann so oft an und fragt eben doch nach, ich dränge ihm kein wissen auf, ich sag ihm nicht, was noch für möglichkeiten bei lebermetas bestehen.
es scheint ihn also doch umzutreiben, aber weshalb er sich dann nicht an den pc setzt und sich informiert, kann ich nicht verstehen.
heute ist wieder chemotag und es wird ihm hundeelend gehen, es ist die letzte erstmal, dann kommt in kürze das CT, das zeigen wird, was inzwischen passiert ist.
ich glaube, wenn sich zeigt, dass alles nicht viel nutzte, dann wird er sich seinen wunsch erfüllen und seine restzeit in kanada verbringen. er schwärmt vom geruch der bäume, der bucht, er meinte,dort wäre er gerne bis ans ende.
ach, sorry, ich weiss, ich darf das alles nicht so an mich herankommen lassen, aber ich schaff das nicht und ehe ich euch jetzt noch ewig die ohren vollheule, möchte ich mich verabschieden, euch nochmals von herzen danken, dass ihr mir zugehört habt.
für eure eigene gesundheit wünsche ich euch das allerbeste, kommt gut durch die tage,
machts gut,
andrea
von Sturm » 29.12.2009, 12:28
...jetzt möchte ich mich doch noch einmal völlig sprachlos bei euch melden.
gestern mailte ich ja eure infos zwecks möglichst NICHT irrigieren während chemo, dem empfohlenen equizym und dem hinweis, den onkologen wegen des dauerdurchfalles und der schlimmen schmerzen auf tramal "nach bedarf" anzusprechen (tramal könnte den durchfall ja etwas stoppen, vor allem war mein bruder nach den 5 tropfen endlich etwas entspannt).
grade bekomme ich eine mail meiner schwägerin, dass die chemo wegen des durchfalles auf den 5.1. verschoben wurde, er nimmt jetzt eben novalgin gegen die schmerzen und ansonsten ist das halt jetzt so.
JETZT nehm ich mich wirklich zurück, wenn DAS HALT JETZT SO ist, dann ok, ich denke, das war die lektion, vor der ihr mich schon warnen wolltet, ich habs nur nicht kapiert.
nochmal alles liebe für euch,
andrea
von Jutta B » 30.12.2009, 08:16
Hallo Andrea,
genau dieses Zurückziehen, das machen lassen riet ich dir sehr früh in einem Beitrag. Und ein schlechtes Gewissen brauchst du keines dabei haben.
Es gibt Menschen, die wollen sich nicht "helfen" lassen, und dann diejenigen, die es auch nicht wollen, jammern aber ohne Ende wenn nicht dauernd einer nachfragt, wie es geht.
Gehe deinen Weg, den ihrigen müssen die Beiden gehen. Wenn du es nicht aushälst dich von der Situation zu distanzieren, rufe ab und an deine Schwägerin an.
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