von krümel123 » 06.09.2014, 21:14
Vor ca. 5
Jahren hatte ich eine Rückenop. Leider ging diese OP
schief, seit dem bin ich Harn- und Stuhlinkontinent.
Danach habe ich einen Blasen- und Darmschrittmacher
bekommen, der bringt aber nicht genug. Ich überlege mir jetzt ein Colo- und Urostoma legen zu lassen. Trotz katheterisieren bin ich oft sehr naß und habe auch oft die Hose voll. Wer kann mir bei meiner Entscheidung helfen.
Wer hat ähnliches durch gemacht?
von Sabine049 » 07.09.2014, 16:56
Hallo Krümel,
also bei deiner Enscheidungsfindung wird dir wohl niemand weiterhelfen können; sogar jeder verantwortungsvolle Arzt wird sich diesbezüglich tunlichst zurückhalten, weil er/sie ansonsten in Teufelsküche geraten könnte! Wir können dich allenfalls mental auf der Suche unterstützen.
Also, ich war in einer vergleichbaren Situation; undzwar infolge eines angeborenen Fehlbildungssyndroms - siehe Signatur.
Nachfühlen kann ich dir die Zeiten mit der Inkontinenz. Ich war bis zum 27. Lebensjahr stuhl- und harninkontinent und bis zu meinem 43. Lebensjahr mehr oder weniger stuhlinkontinent. Litt wg. des neurogenen Motilitätsstörung des Intestinums zusätzlich an einer massiven Obstipation.
Bis zu meinem 27. Lebensjahr litt ich sowohl ... als auch ...; und leider zu einer Zeit, wo derartige Themen nicht nur tabuisiert wurden sondern schlichtweg völlig inakzeptabel waren. D.h. für mich ich besuchte eine normale Regelschule (Inklusion gabs noch nicht), äusserlich war es schliesslich nicht sichtbar - ausser bei eingekoteten u./o. eingenäßten Klamotten (und der aufkeimende Geruch), niemand war involviert - nicht einmal die Lehrerschaft. Somit habe ich mich mehr recht als schlecht durch die Schulzeit geschleppt, trotzalledem mein Abi gebaut und mit einem Notendurchschnitt von *1.6* meine Ausbildung zur med. Fachangestellten abgelegt - okay, ich war schon damalig Expertin aufgrund meiner lebenslangen Odyssee und leidvollen Erfahrungen.
Nachdem alle wirklich alle konservativen Therapien eingeschlossen zahllosen Operationen (Schliessmuskelrekonstruktionen etc.) fehlgeschlagen bzw. nicht gegriffen hatten, und folglich das ausgeschöpft waren, wurde mir blasentechnisch ein sog. ILEUM-POUCH als Harnreservoir angelegt. Weil der Schliessmuskel der Harnblase spastisch gelähmt ist, katheterisiere ich mich intermittierend seitdem über meine eigene Harnröhre. Weil spastisch gelähmt, laufe ich nicht aus, sondern meine Nieren werden wg. eines Rückflusses (Reflux) aufgestaut, deshalb muss ich mich akribisch und sehr häufig täglich katheterisieren.
Die Colostomie erfolgte dann nach reiflicher Überlegung, obgleich ich bereits schon als Kind sog. Ü-stomata hatte als "ultima-ratio" im Febr. 2004, hinzu kam, dass ich infolge meines Syndroms zwei Jahre zuvor rollstuhlpflichtig wurde. Mein Rückenmark ist laienhaft formuliert zu lang, wächst permanent an der Dura an (Tethered-Cord-Syndrom), Steiß- fehlt komplett und Kreuzbein ist nur partiell angelegt und weiteres mehr.
Weshalb schreibe ich dir einen halben Roman, weil ich dir aufzeigen möchte, dass dieser Schritt gut überlegt sein will und u.U. andere Optionen zur Lebensqualitätsverbesserung als gleich sowohl ein Uro- als auch ein Colostoma legen zu lassen, mittlerweile bestehen und zur Anwendung kommen!
Hinsichtlich deiner Blasenproblematik sei zu überlegen, ob man, weniger aufwändig, ein sog. Mitrofanoff-Stoma anlegt, d.h. der Schliessmuskel wird dicht gemacht und über den Bauchnabel wird mittels ein Stück Dünndarm eine Ablassmöglichkeit nach aussen geschaffen. Über diesen Zugang könntest du dich dann intermittiernd katheterisieren. Zwecksdessen ist es immens wichtig, dass du ein neurourolog. Zentrum aufsuchst, die dich da od. weitere Operationsmöglichkeiten bestmöglichst beraten und Wege aufzeigen, um letztlich dir in deiner Entscheidungssuche weiter zu helfen.
Und wg. des Darmstomas bestünde die Möglichkeit eines Appendixstomas ("Malone"), dass dann allein zu Spülzwecken, der irrigation, dient. Auch dieser Eingriff wäre nicht ganz so belastend und endgültig.
Der Vorteil bd. Stomatavarianten wäre, dass die Versorgung dessen wesentlich diskreter wären; und wenn alles gut klappt du zumindest 24 Std. ggfs. länger stuhlausscheidungsfrei wärst und bei der Blase müsstest du dich anstatt über die Harnröhre dann über den Bauchnabel abkatheterisieren.
Du bräuchtest theoretisch keinen Beutel. Beides ließe sich mithilfe von ganz unauffälligen Stomakappen od. -verschlüssen (ähneln einem Pflaster) abdecken.
Bist du seit der Rücken-Op. auch ausser inkontinent zusätzlich noch in der Mobilität - Beweglichkeit eingeschränkt??
Es ist sehr schwierig, ich würde deinerseits zunächst eine - wie oben bereits angeraten - Fachklinik mit entsprechenden Referenzen u. Kompetenzen aufsuchen, ergo keine Wald- und Wiesenklinik.
Ich stehe zu meinem Colo. 100%-zig und zu meinem Pouch dito. Aber ich weiß, dass mir urologischerseits irgendwann voraussichtlich ein Ileum-Conduit - klassisches Urostoma droht, weil mein Pouchi in die Jahre gekommen leider zunehmend Probleme bereitet.
Du hast den Vorteil, nehme ich einmal frech an, ansonsten korrigiere mich bitte, dass du noch nicht so häufig voroperiert wurdest, ebenfalls entscheidend für ein "Lösungskonzept". Mein Bäuchlein ist wg. meiner Leibensfülle (sehr schlank bis dünn) mittlerweile völlig narbenübersät und mit zu Colostoma und Ersatzblase einer handtellergroßen Med.pumpe versehen. Da ist kein Zentimeter Platz, falls Urostoma = Ileumconduit müsste es bei mir sehr tief augeleitet werden und würde versorgungstechnisch zu gravierenden Problemen führen.
Das ist hoffentlich bei dir nicht der Fall. Fazit: Bitte, lass dich hinreichend und ausreichend beraten, eventuell mehrere Meinungen einholen, aber immes wichtig in einer Fachklinik, wo interdisziplinär gearbeitet und die Umstände, dass die Inkontinenzen bei dir auf einen nervalen Defekt (neurogener Natur) zurückzuführen sind, berücksichtigt werden!
Liebe Grüße - vermutlich habe ich dir nicht wirklich weiterhelfen können - und nachträglich herzlich Willkommen im hiesigen Forum
Sabine
PS. Unter "normalen" Bedingungen ist das Leben mit zwei Beuteln zu bewältigen, aber man/frau muss sich schon im Vorfeld über die Konsequenzen bewußt sein; und alle etwaigen Eventualitäten mental durchspielen. Vorallem Dingen sich über alle Therapieoptionen auch hins. Stomatavielfalt informieren und beraten lassen!
von krümel123 » 10.09.2014, 18:41
Hallo Sabine,
vielen Dank für Deine Antwort. Auch ich habe med. Fachangestellte gelernt, aber auf Grund meiner Behinderung bekomme ich EU-Rente. Meine Füße sind teilweise Taub, außerdem leide ich unter Reithosenanaesthesie. Ich kann Laufen, aber ziehe das li. Bein nach und habe oft starke Schmerzen.
Gestern war ich bei meinem Urologen, der hat meinen Blasen- und Darmschrittmacher überprüft. Dabei habe ich ihm gesagt, das ich ein Uro- und ein Colostoma haben möchte, er war nicht so begeistert. Er meinte das wäre so endgültig. Er empfahl mir es ernst noch mal mit künstlichen Schließmuskeln zu probieren.
Davon hatte ich vorher noch nichts gehört.
Er will sich jetzt erst mal schlau fragen, wer in Deutschland so etwas implantiert und ob ich dafür ge-eignet bin.
Ich bin gespannt wie sich das weiter entwickelt. Es hört sich für mich so schön an, daß ich es fast nicht glauben kann. Ich schöpfe wieder etwas Hoffnung.
Lg. Grüße Friedel
von Sabine049 » 10.09.2014, 21:30
Hallo Krümel - Friedel,
-Lg. Grüße Friedel
von krümel123 » 11.09.2014, 08:56
Vielen Dank für Deine Antwort. Ich werde Deinen Rat beherzigen und mir mit der Entscheidung auch Zeit lassen und mir verschiedene Meinungen einholen.
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