von Stefan71 » 27.02.2011, 21:44
Hallo zusammen!
Seit Februar 2008 kümmere ich mich um die Pflege meiner Mutter. Meine Mutter ist stark dement, seit ein paar Monaten auch in Pflegestufe 2 und wohnt eine Etage über mir in einer 42 qm Wohnung.
Aktuell kommt einmal die Woche ein Pflegedienst zu uns, der meine Mutter einer Ganzkörperwaschung unterzieht, je nach Zustand und Laune meiner Mutter also ein Bad oder eine Dusche. Zusätzlich einmal die Woche wird meine Mutter zur Tagespflege abgeholt. HIer würde ich gerne noch einen Tag hinzubuchen, jedoch sind die Plätze sehr begehrt und ich stehe auf der Warteliste.
Alle anderen Dinge die anfallen, wie An- und Umziehen, Haushalt, Wäsche, Einkäufe, Mahlzeiten und Arztgänge, erledige ich zusammen mit meiner Frau, je nachdem wie es zeitlich paßt.
Mein bzw. unser Problem ist das sich der Zustand meiner Mutter in den letzten 2 Wochen dramatisch verändert hat. Es gibt keine Nacht mehr wo wir sie nicht im Treppenhaus, vor der Haustür oder im Keller einsammeln müssen. Es scheint auch so, das meine Mutter mit 1-2 Stunden Schlaf auf der Couch oder manchmal auch vor dem Fernseher/Radio auskommt. Den Rest der Nacht bewegt sie sich dann in der Wohnung, räumt Schränke leer, dekoriert die Wohnzimmerlampe oder stopft Ihre Schuhe mit Klopapier aus.
Die bisherigen Medikamente waren ein Antidementivum namens Ebixa 20mg und ein Naturmittel um die Blase zu stärken (hier gabs dann auch oft ein paar kleinere Unfälle).
Das Ebixa wurde vor 1 Woche abgesetzt vom behandenden Arzt, weil es über Monate hinweg keine Besserung - in diesem Fall einen Stillstand - gab. Wegen der Unruhezustände wurde ein Saft verordnet, ein sehr leichtes Schlafmittel (Melperon-CT) mit einer Dosierung von 5mg. Auch dieses Medikament zeigte kaum Wirkung, führte zu Erbrechen und noch stärkeren Verwirrtheitszuständen wie schon vorhanden. Zudem ist meine Mutter mehrfach in der Wohnung hingefallen. Sie kann sich zwar nicht daran erinnern, jedoch sprechen die Blessuren am Kopf und Oberarm sowie am Steiß eine deutliche Sprache.
So.... nach dieser langen Einleitung nun meine Frage.
Wir stehen vor der Entscheidung meine Mutter in ein Pflegeheim zu geben oder es noch eine Zeit lang mit einer Nachtwache zu versuchen.
Unser Pflegedienst kann uns diese Dienstleistung nicht bieten und weiß auch nicht wo es sowas in ambulanter Form gibt. Wenn ich im Netz danach suche finde ich zwar Artikel in denen die Pflegekasse bis zu einer gewissen Grenze die Kosten dafür übernimmt, jedoch keine Adressen von Pflegediensten die sowas anbieten.
Bevor ich nun die Pflegekasse/Krankenkasse anrufe um mich wieder verunsichern zu lassen (das ist bereits mehrfach passiert leider) suche ich hier bei euch Rat.
Mittlerweile gehen wir hier auf dem Zahnfleisch und wechseln uns in der Nacht ab, ein Dauerzustand darf das jedoch nicht werden.
Bin wirklich für jeden Erfahrungsbericht oder Tipp dankbar.
Danke Euch
Stefan
von Häslein » 27.02.2011, 22:23
Guten Abend,
ich kann Dir nicht viel weiterhelfen, will aber trotzdem einige Informationen los werden:
Bei dem von Dir beschriebenen Saft zum Schlafen handelt es sich um ein Neuroleptikum!!!!!!!!!!!!!!!!
Und es es KEIN leichtes Neuroleptikum.
Ich bin kein Freund von Neuroleptika, sie sind nicht notwendig, in keiner Situation, auch nicht bei massiven Psychosen.
Vor langen Jahren gab es mal ein Titelthema im Spiegel, den ich nur unterschreiben kann: "Neuroleptika - Zwangsjacke für die Seele".
Leider finde ich ihn nicht auf die Schnelle im Netz, kann also keinen Link einstellen.
Will sagen, dass ich meiner Mutter keine solchen Mittel geben würde, auch nicht,wenn 100 Ärtze was anderes sagen. Die Beschwerden Deiner Mutter haben sich typischerweise verschlimmert.
Deine Situation ist sehr schwierig. DIE Lösung wird es nicht geben. Ein Pflegeheim ist eine Option, die ich mir nicht zu beurteilen anmaße.
Es ist ganz sicher ( !!! ) möglich, Deine Mutter wengistens zur Nacht mit Medikamenten so einzustellen, dass sie ca 7 h durchschläft. Dies gelingt gut mit Benzodiazipinen. Also "valiumartige" Medikamente, hier liegen verschiedene Stärken vor, auch verschiedene Verabreichungswege, Tropfen, Tbl. und Zäpchen. Es gibt viele verschiedene Wirkstoffe in dieser Stoffgruppe.
Die Reaktion auf den Saft ist gar nicht so ungewöhnlich.
Ich will mich hier nicht über die Nebenwirkungen von Neuroleptika auslassen. Die kann man im www lesen.
Falls jetzt jemand sagt, Benzodiazepine machen abhängig, ja, sie können dies tun. Aber bei einer älteren Dame mit Demenz spielt dies keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle.
Normalerweise dürfte Deine Mami dann schlafen. Es gibt aber auch die Möglichkeit einer paradoxen Reaktion: manchmal reagieren vor allem ältere Menschen darauf mit Bewegungsdrang...werden also nicht müde. Hier hilft ein alter Trick der Krankenschwestern , der auch medizin. belegt ist:
Coffeinkaffee anbieten und trinken lassen. Dann schläft der Pat. meist ein. Eine Erklärung hierfür wäre jetzt zu off topic.
Sprech mit dem Arzt, ob ein solches Medi für Deine Mutter in Frage kommt. Vielleicht bessert sich auf die Demenz unter Benzodiazipinen am Tag für eine Weile, gab es auch schon.
Dies fällt mir als eine Art Notfalllösung ein, bis eine geeignete Versorgung gefunden wird.
Im Pflegeheim erhält sie auch nachts Schlafmittel, da wird niemand zum Aufpassen abgestellt.
Weitere, hilfreichere Infos kommen bestimmt hier noch, ansonsten würde ich mal in Foren von Demenzangehörigen nachschauen. Dort sind ja auch Profis...
Ich wünsche Euch eine erträgliche Nacht.
Häslein, die sich der Situation um die eigene Mutter und Pflegheim oder nicht gut vorstellen kann.
P. S. es ist deiner Mutter auch nicht gedient, wenn Ihr nicht mehr könnt...
NACHTRAG: Versuche es doch einfach heute Nacht schon mal mit Kaffe, vielleicht wird sie ruhiger und schläft ein/durch.
von Udde » 27.02.2011, 22:41
Hallo Stefan,
vielleicht wirst Du auf dieser Seite
http://www.pflegelotse.de/(S(txtfao55y4skuguuhfo3s03r))/presentation/pl_intro.aspx?krankenkasse=vdek
fündig.
Falls der Link nicht funktioniert, dann über Google nach www. Pflegelotse suchen.
Dort kannst Du schauen, welche Einrichtung für Deine Mutter in Betracht gezogen werden kann.
Ich wünsche Euch weiterhin viel Kraft.
Lieben Gruß von Ute
von Stefan71 » 27.02.2011, 22:56
Puuuuuuh
Häslein hat geschrieben:Bei dem von Dir beschriebenen Saft zum Schlafen handelt es sich um ein Neuroleptikum!!!!!!!!!!!!!!!!
Und es es KEIN leichtes Neuroleptikum.
Udde hat geschrieben:vielleicht wirst Du auf dieser Seite
http://www.pflegelotse.de/(S(txtfao55y4skuguuhfo3s03r))/presentation/pl_intro.aspx?krankenkasse=vdek
fündig.
Falls der Link nicht funktioniert, dann über Google nach www. Pflegelotse suchen.
von Wönny » 28.02.2011, 00:19
Hallo!
Es tut mir wahnsinnig leid, was euch da wiederfährt.
Und es erinnert mich an meine Schwiegermutter!
Wir haben sie damals ein Jahr zuhause gepflegt.
Mein Mann war 23, ich 19!
Und ich kann nachfühlen wie es euch geht.
Bei uns kam noch dazu das meiner Schwiegermama ein Bein amputiert wurde. Also lief sie nicht, nein, sie kroch Nachts durch die Wohnung.
Ich denke ihr solltet sie schweren Herzens in ein Pflegeheim geben.
Für sie ist das die beste Versorgung. Und mal ehrlich, ihr geht mit der Zeit kaputt daran.
Geht sie lieber mehrmals die Woche gut gelaunt besuchen.
Als sauer zu reagieren, wenn sie Nachts mal wieder durchs Haus schleicht, weil ihr Hundemüde seid.
Sie versteht die Aufruhr nicht und ihr seid fix und fertig!
Ihr solltet gucken das ihr sie in ein Pflegeheim mit einer "gerontischen geschlossenen Station" unterbringen könnt.
Da kann ihr nix passieren.
Wenn sie sich mal eingelebt hat, könnte man sie evtl auf eine offene Station verlegen.
Tut ihr und vor allem euch den Gefallen.
So gut ihr es auch meint, so wie es ist, kann es kein Dauerzustand sein!
GlG
Wönny
von doro » 28.02.2011, 09:38
Hallo Stefan,
kann meinen Vorpostern leider nur zustimmen,demente Patienten benötigen nur sehr wenig Schlaf.Sie haben dafür aber unendlich viel Energie, in der Nacht aktiv zu sein.Solltet Ihr, aus welchen Gründen auch immer, keine 24 Std. Betreuung bezahlen können ( wer kann das auch schon ?, bleibt Euch als Ausweg nur das Altenheim, denn der Zustand Eurer Mutter wird sich aus meinen Erfahrungen, nicht verbessern. Medikamente, wie von Häslein beschrieben, lösen oft nicht geplante Reaktionen ( Umkehr ) aus.
Leider steht dieser harte Weg jedem der für seine Angehörigen verantwortlich ist, bevor.Letztendlich auch uns. Da hilft auch "Patientenverfügung" wenig.
von tierfreund » 28.02.2011, 17:27
Hallo Stefan,
auch ich kan mich meinen Vorpostern nur anschließen.
Oftmals ist eine Betreuung in einer Einrichtung leider die bessere Lösung.
mal so als Beispiel:
Ich kann aus eigener Erfahrung sprechen,wie hart so eine Rundumbetreuung ist und noch wird.
Vor einigen Jahren,habe ich meine Oma bis zum Tod gepflegt,die allerdings schwer Krebskrank war.
Sie war sehr oft gar nicht mehr klar,hat keinen erkannt und geisterte jede Nacht durch die Wohnung.
Jeden Tag Windeln wechseln,Körperpflege betreiben,2 Haushalte putzen,kochen,meinen eigenen Sohn bespaßen und mein offener Bauch war ja auch noch da...
Ich pendelte den ganzen Tag zwischen 2 Wohnungen.
Recht schnell merkte ich,wie ich zu weit über meine eigene Grenzen kam.
Wenn ich als Enkeltocher die Möglichkeit gehabt hätte,hätte ich gerne die Wahl gehabt.
Nur mir hat man immer unter die Nase gerieben,ich seih ja nur Enkeltochter und nicht der Sohn.
In diesem Sinne,wünsche ich euch,die richtige Möglichkeit für euch zu finden,um dann die richtige Entscheidung treffen zu können.
LG Tanja
von Stefan71 » 28.02.2011, 21:07
Hallo zusammen, danke für die vielen informativen Beiträge.
Heute war ein sehr langer Tag, bin nun seit gut 20 Stunden auf den Beinen und muß gleich noch arbeiten... ich hoffe ich schlafe nicht ein.
Habe jedenfalls für diese Woche einen haufen Termine vereinbart. Wir werden uns 3 Altenpflegeheime ansehen die in Frage kommen, zudem hatte ich heute den Hausarzt meiner Mom aufgesucht und ihm seine Neuroleptika um die Ohren gehaun. Naja, ganz so heftig wars nicht, bin dennoch genervt zu ihm reingegangen und habe erzählt was passiert ist. Da meine Mom im sedierten Zustand im Bad beim Wasserlassen auch noch gestürzt ist, hat mich das nicht gerade fröhlich gestimmt.
Morgen sind dann die ersten Beratungsgespräche über Kurzzeitpflege (um den Kopf frei zu bekommen) und über die vollstationäre Aufnahme inkl. der unterschiedlichen Kostenmodelle.
Vielleicht geht es uns danach etwas besser weil wir wieder eine Richtung bekommen und vor allem Hilfe. Manchmal steht man da und fragt sich: was sollen wir jetzt noch tun und wo bekommen wir Unterstützung.
Ich werde mich nochmal melden und berichten was sich ergeben hat. Es kann ja gut sein das ein weiterer Betroffener auf diesen Beitrag stößt und vor den gleichen Problemem steht.
Vielen Dank nochmal an alle hier
Stefan
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