von Webkänguru » 27.08.2016, 15:18
Hallo zusammen,
wir haben im Stoma-Forum in den vergangenen Monaten verstärkt über das Thema Ausschreibungen diskutiert. Auslöser war die erste Ausschreibung der KKH zur Versorgung der bei ihr versicherten Stomaträger. Wohin Ausschreibungen führen können haben Rosi und andere Betroffene hier im Forum am Beispiel der Inkontinenz-Versorgung aus eigener (leider negativer) Erfahrung beschrieben.
Aufgrund der vielen negativen Fälle, die in der Inkontinenz-Versorgung öffentlich geworden sind, reagierte das Gesundheitsministerium jetzt und veröffentlichte den Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG), das bereits zum 1.1.2017 in Kraft treten könnte.
Der Gesetzentwurf enthält einige wichtige Änderungen um zu verhindern, dass im Falle einer Ausschreibung die Qualität der Hilfsmittel-Versorgung unter die Räder kommt. Das ausschließlich der niedrigste Preis entscheidet, wer die Hilfsmittel-Versorgung durchführen darf, ist das typische Merkmal einer Ausschreibung. Zukünftig sollen aber neben dem Preis auch Qualitätskriterien mit über die Hilfsmittel-Versorgung entscheiden. Und die Krankenkassen sollen bei Auffälligkeiten ihre Vertragspartner stärker überprüfen.
Unabhängig von Ausschreibungen sollen die Versorger zukünftig an die Krankenkassen melden, wenn sie neben der gesetzlichen Zuzahlung von 10 Euro im Monat eine weitere Aufzahlung von einem Stomaträger verlangen. Denn diese Aufzahlungen sind nur für Hilfsmittel erlaubt, die über den medizinisch notwendigen Bedarf hinaus gehen. Verlangt der Versorger für eine Tube Stomapaste extra Geld, obwohl die Paste auf dem Rezept steht, ist dies schon heute nicht zulässig.
Diese und weitere Regelungen aus dem Gesetzentwurf wirken sich positiv auf unsere Hilfsmittel-Versorgung aus (wer sich näher dafür interessiert, kann sich den Gesetzentwurf hier herunter laden). Die Sache hat aber einen Haken, denn das geplante Gesetz stellt nicht klar, in welchen Fällen eine Ausschreibung überhaupt sinnvoll ist und wann nicht. Aber genau so eine Klarstellung bräuchte es, damit das Thema Ausschreibung für Stomaträger endgültig vom Tisch ist. Ansonsten müssen wir weiterhin befürchten, dass es in den kommenden Jahren zu harten Einschnitten in der Stomaversorgung kommt, ähnlich wie es in der Inkontinenz-Versorgung bereits der Fall ist.
Die Lösung könnte tatsächlich relativ simpel sein. In §127 Absatz 1 SGB V steht seit der Gesundheitsreform von 2006: „[Ausschreibungen sind für] Versorgungen mit hohem Dienstleistungsanteil in der Regel nicht zweckmäßig“. Das die Stomaversorgung mit einem hohen Dienstleistungsanteil verbunden ist, ist allgemein unstrittig. Nach der Stoma-Operation werden Stomaträger zu Hause in der Selbstversorgung angeleitet, bei Komplikationen ist der Hilfsmittel-Versorger meist der erste Ansprechpartner. Und wenn das Sanitätshaus bei Versorgungs-Problemen nicht kurzfristig reagiert, sitzen Stomaträger im wahrsten Sinne des Wortes in der Sch…
Warum als nicht die drei Worte "in der Regel" aus §127 Absatz 1 streichen? Und damit für Klarheit sorgen.
Ich weiß, manchmal ist es mühsam sich mit Dingen zu beschäftigen, die noch nicht spruchreif sind und vielleicht so kommen, vielleicht auch anders. Trotzdem möchten wir euch zu dieser wichtigen Gesetzesänderungen hier auf dem Laufenden halten. Und freuen uns auf eure Meinungen und Kommentare dazu
Viele Grüße,
Christian
von Hanna70 » 27.08.2016, 17:01
Hallo Christian,
vielen Dank für diese Information.
Für den Normalbürger ist es schon schwierig nachzuvollziehen, weshalb eigentliche Selbstverständlichkeiten so verkompliziert in Gesetze verpackt werden müssen. Mir kommt diese Info aber gerade recht als Argumentationshilfe.
Ich habe drei Anmerkungen dazu:
1. Ich bin sehr skeptisch dem angedachten Modellversuch gegenüber, nach dem der Leistungserbringer selbst über Qualität, Dauer und Menge der Versorgung entscheiden soll. Gegenwärtig habe ich den Eindruck, dass die Versorger genau das gerade praktizieren und das voll daneben geht.
Auch wenn das nach einem Beratungsgespräch mit dem Patienten (durch Unterschrift bestätigt) erfolgen soll, ist der Ausgang eines solchen Gespräches absehbar. Ich hatte vor 4 Jahren ein solches "Beratungsgespräch" und war danach psychisch total am Ende. Zwar konnte ich (nach einem Heulanfall ) meinen mengenmäßigen Bedarf damals noch mit Hilfe einer verständnisvollen Mitarbeiterin der KK durchsetzen, nicht aber den qualitativen Bedarf.
2. Wie soll man einen Bedarf nach besserer Qualität begründen?
Beispiel: 1 Vorlage für schwere Inkotinenz ist 70 x 35 cm groß und wiegt ungebraucht 230 g. Sie ist entsprechend dick, schmiegt sich nicht an den Körper an und trägt natürlich auch entsprechend auf. Die Vorlagen mit dem gleichen Fassungsvermögen der besseren Qualität wiegt nur 103 g und schmiegt sich völlig unauffällig am Körper an.
Wie soll ich begründen, dass ich lieber die leichteren Vorlagen hätte, ohne im Monat 75 € zuzahlen zu müssen? Bin ich ein Luxusgirl, wenn ich mich einfach nur etwas wohler fühlen möchte?
3. Verstehe ich das Wort Präqualifizierung richtig, wenn ich annehme, dass damit die Qualifizierung der Mitarbeiter des Leistungserbringers gemeint ist? Das wäre grundsätzlich ein sehr wichtiger Aspekt. Denn dann würde möglicherweise künftig nicht mehr eine Erklärung des Arztes zu den Diagnosen verlangt werden. Der s.g. "Berater" vor 4 Jahren hatte keine Ahnung davon, was eine Rektum-Scheiden-Blasen-Fistel ist.
Lange genug hat sich Herr Gröhe ja Zeit gelassen, hoffen wir einmal, dass sich nun doch etwas zum Guten ändert!
LG Rosi
von Peter51 » 27.08.2016, 17:03
Hallo allerseits,
Hallo Christian,
ich habe durch Zufall auf der Seite Stoma Welt, bei meiner schlaflosen Nacht, der Heil und Hilfsmittelversorgung gelesen. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich als Versicherter, Anwender, Verbraucher..fff, die komplexen Änderungen, Einfügungen in Wort/Sätze/Absätzen im bestehenden Regelwerk der Versorgung von Hilfsmittel …ff, ganz einfach als schwer chronisch kranker Mensch nicht weiter verfolgen möchte.
Ich habe heute einfach mein Schwiegersohn ein Update davon zur Kenntnis gegeben und ihn gebeten mal für mich das rechtlich zu bewerten was da mit diesen Entwurf 2017/2018 auf uns zukommen könnte. Sicher es ist nur ein Referentenentwurf BA Gesundheit & Co, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit, wird auch diese Gesundheitsreform für uns Versicherten (ob Privat oder Gesetzlich)Verbraucher wie schon mit der ersten aus dem Jahr 2004, verbunden sein mit höheren Zuzahlungen in den Zuzahlungen bis hin zur Erhöhung der Beiträge für GV/PV führen.
Bei der Tatsache, dass wir immer älter werden (stimmige oder gelogenen Statistik ?) und die ICH und NEID Gesellschaft den Solidargedanken immer weiter schmelzen lässt, kann eine erneute Gesundheitsreform wieder nur zu Lasten des Versicherten gehen.
Wer glaubt, dass bei Ausschreibungen z.B. nur zu 40% die Kosten der Vergütung in der Ausschreibungen ihre Bewertungen finden soll und die Dienstleistung, Qualitätsvorgabe …ff für die Bewertung sein soll, der wird sich überraschen lassen, was nach der Wahl 2017 wirklich umgesetzt wird.
Nein ich bin kein Schwarzmahler, ja ich bin Realist mit gewachsener Lebenserfahrung, der mit Interessenverbänden sich einbringen wird.
Die Hersteller von medizinischen Hilfsmittel, Versorger, die Lobbyisten in Politik und Wirtschaft, werden zum Teil wieder fern ab der breiten Öffentlichkeit, ein HHKH auf den Weg bringen, der zu Lasten von gerade schwer chronisch kranken Menschen geht.
Natürlich werden Menschen an eine modernen Gesundheitsversorgung immer weniger teilhaben können, nur weil sie schwer krank, wenig Einkommen haben …ff.
Eines glaube ich zu wissen, die die genügend Einkommen haben, denen wird es kaum interessieren was den Menschen bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, geringer Rente …usw.,an Zuzahlungen zu leisten haben.
Der Generationsauftrag, die soziale Marktwirtschaft, der Solidaritätsgedanke Hilfe für den Schwächeren, prägt es diese NEID und ICH Gesellschaft noch?????
Na ja, wer nicht für sich kämpft hat schon verloren, ich füge hinzu, wer nicht an seine Mitmenschen denkt der Hilfe braucht, der trübt seine Seele ein und ich kämpfe gerne auch für andere Bedürftige.
LG Peter51 aus Berlin der heute mal wieder mit großen und kleinen Enkelkinder viel Spaß hatte
Sorry Christian, vor paar Minuten hatte ich zu HHKA noch einen anderen Beitrag von dir gelesen, hm nun issa für mich? weg, dort wollte ich ihn eigentlich einstellen
von doro » 27.08.2016, 18:07
Lieber Peter,
Ich hoffe einmal,das Dich die drohende Problematik der Hilfsmittel nicht um den Schlaf gebracht hat.
Es bringt allerdings auch bei mir,Unruhe in meine Gedanken,denn ich stehe davor,das ich wohl täglich 2 Ausstreifbeutel in unterschiedlichen Größen benötige.Mit den zur Zeit genehmigten Basen komme ich wohl zurecht.
Nun hat mich mein Weg, nein nicht zu den Chinesen , aber zu Ebay geführt.Bei meiner Suche bin ich allerdings auf extremen Dinge gestoßen die mich sehr nachdenklich machten.Werden wegen Systemwechsel 27 Karton Basisplatten angeboten. Ich bin schon froh wenn ich 2-3 Karton als Reserve habe.Ich verkneife mir aber,hier nach zu fragen.
Ich erinnere auf diesem Weg einmal um die Diskussionen wegen der Abwurfbeutel / Kompressen.
DAS waren noch Zeiten.
von Webkänguru » 27.08.2016, 20:00
Hallo Rosi,
die Präqualifizierung gibt es schon länger. Kurz umschrieben geht es dabei um die grundsätzliche Eignung des Leistungserbringers, die Hilfsmittel-Versorgung in einem bestimmten Versorgungsbereich zu erbringen. Das muss durch die Präqualifizierung nachgewiesen werden.
In der Stomaversorgung ist diese Qualifizierung derzeit allerdings so niedrig angesetzt, dass keine qualifiziert ausgebildeten Stomatherapeuten notwendig sind, um die Präqulifizierung zu erhalten. Nicht mal als fachliche Leitung ist ein Stomatherapeut oder Pflegeexperte notwendig.
Der Entwurf des HHVG verlagert jetzt die Prüfung der Eignung der Leistungserbringer in ein Akreditierungsverfahren. An den inhaltlichen Anforderungen ändert sich nichts
Viele Grüße,
Christian
von Webkänguru » 27.08.2016, 20:18
Hallo Peter und Doro,
ich habe eure Beiträge hierher verschoben. Ich glaube das hier ist der Thread, in dem Peter ursprünglich posten wollte
Viele Grüße,
Christian
von Hanna70 » 27.08.2016, 21:15
Hallo Christian,
Danke für die Erklärung des Begriffes "Präqualifizierung". Ich Klein-Doofi hatte doch wirklich geglaubt, das hätte etwas mit der Qualifizierung der Mitarbeiter zu tun!
Dabei geht es offenbar nur um ein Scheinchen, das man (irgend)ein Geschäft betreiben darf. Und das wird dann mit Riesentamtam als innovative Neuerung verkauft.
LG Rosi
von Peter51 » 27.08.2016, 21:15
Hallo Christian,
Hallo allerseits,
Danke das du meinen Beitrag wunschgemäß verschoben hast.
Doro, ich hatte noch nie eine schlaflose Nacht, nur weil Politiker oder sonstige Beamte von Behörden, zum Beispiel Entscheidungen treffen, die der Praxis sagen wir mal nicht Nahe am Bürger sind.
Oh jä doro, wenn dem so wäre, hätte ich ja akute Schlafstörungen und Politiker begegnet man mit sachlicher Auseinandersetzung.
Leider bin ich aber auch davon überzeugt, dass von den über 7.000 Mitglieder, stillen Stomaträger auch hier Forum, nur wenige in der Praxis aktiv werden und um menschenwürdige Versorgungen kämpfen werden.
Wir ca. 160.000 Stomaträger sind nur ein relativ kleiner Teil der HHVG als Verbraucher und wenn es die Politik wieder so gut macht wie bei alle Gesundheitsreformen, dann passiert es wieder fern ab der Öffentlichkeit.
LG aus Berlin Peter51
von 1margot2 » 28.08.2016, 10:03
Hallo Peter51,
es kommt von den Herren Politiker keine Rückmeldung. Habe schon mind. 3 x an unseren Bundestagsabgeordneten geschrieben und zwei Briefe an unseren Gesundheitsminister.
Aber keiner melde sich. Geht denen am A... vorbei.
Doro, ich habe genügend gebunkert. Mono-Flo mit Sicherheit 10 Stück, und zweistelligen Vorrat an Platten und Beutel.
Ich werde von der KK sehr gut versorgt, habe vom Arzt eine Bescheinigung wegen Mehrbedarf und nachdem ich im Winter oft tagelang wegen Schnee nicht rauskomme, entstehen keine schlaflosen Nächte wegen mangelnder Versorgung.
Und schlafen kann ich wegen der Politiker und ihren Entscheidungen noch sehr gut.
Schönen Sonntag
Margot
Hallo alle zusammen, ich habe alles genauestens studiert und habe einfach Bedenken. Es ist doch heute schon leider so, dass man trotz bestehenden Rechts um das, was einem wirklich zusteht kämpfen muss und dann vielleicht noch mit rechtlichen Mitteln. Ich stehe allem sehr skeptisch gegenüber. Man soll sich an die KK wenden? Da muss ich aber mal grinsen, denn ich streite mich gerade massiv mit meiner Kasse, dass ich bestehendes Recht, also eine ärztliche Verordnung, die bereits genehmigt wurde, auch erhalte. Aber die Anbieter weigern sich, diese Therapie zu leisten, weil sie sich von den KK zu schlecht bezahlt fühlen. Die KK sagt dazu nur, dass ich das als Patient doch auch verstehen müsse - NEIN, das will und kann ich nicht. Was wollen wir denn tun, wenn wir auch noch unsere ohnehin angegriffene Gesundheit in die Durchsetzung der uns rechtlich zustehenden Therapie stecken müssen, da bleiben wir doch auf der Strecke - und genau das soll bezweckt werden. Aber ich werde kämpfen, weil ich ein Kämpfer bin und doch das eine oder andere schon erreicht habe. Kopf hoch Leute - wir schaffen das !!! LG Ambrosia
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