angeregt durch eine abendliche Diskussion muß ich mal eine Frage los werden die nicht geklärt werden konnte.
Was sind die Gründe warum es keine künstlichen Schließmuskel gibt?
Es wären doch im Prinzip "einfache Ventile", die zu bestimmten Zeiten geöffnet und geschlossen werden müssen. An der Stromversorgung wird es nicht scheitern und künstliche Teile lassen sich auch schon implantieren ( z. B. Herzklappen)
Ventile die auch bei Durchfluß größerer Bestandteile zuverlässig schließen sind aus der Sanitärtechnick ebenfalls bekannt.(Rückstauklappe)
Was ist also das Problem an einem künstlichen Schließmuskel?
Lassen sich die erworbenen Erkenntnisse nicht umsetzen oder lohnt es sich nicht?
Jeder so ausgerüstete Stomaträger verursacht dann keine Kosten bei den Sanitätshäusern oder Apotheken mehr.Das kann natürlich ein Problem sein?!
Es ist zwar Utopie, aber viele heute selbstverständliche Dinge sijnd dadurch entstanden
von Jutta B » 18.05.2008, 06:17
Hallo Uwe,
seit über 30 Jahren (wenn nicht schon mehr) wird an einem "technischen" Schließmuskel getütftelt. Es gab mehrere Ansätze hierfür, welche aber bis dato nicht zum Erfolg führten.
Die Forschung und Erforschung das Darmes war (und ist) ein Stiefkind in der Medizin. Das hängt damit zusammen, dass der Darm nicht mit der "Einfachkeit" des Herzens, oder anderen Organen des Körpers veglichen werden kann.
Als die Forschung begann war man sich nicht über die enorme Vielfältigkeit und Aufgaben des Darmes bewußt. Man konnte nur wirklich sichtbare Entzündungen, Polypen oder Tumore erkennen, aber alles andere war (und ist teilweise noch) ein Buch mit 7 Siegeln. Ich könnte dir davon ein Lied singen, da ich die Odyssee durch wahrscheinlich alle Forschungsstationen hinter mir habe.
LG
Jutta B
von bernd1 » 18.05.2008, 09:18
Hallo Uwe,
ich weiss, dass aktuell in der Uniklinik Freiburg ein Forschungsprojekt existiert, wo es darum geht, einen kuenstlichen Schliessmuskelersatz zu schaffen. Ich stand seinerzeit mit Freiburg in Kontakt und habe mir sagen lassen, dass sie erst gaaaaaaanz am Anfang stehen, ueber den Einsatz am Menschen koenne man fruehestens in ca. 10 bis 15 Jahren nachdenken.
Aber zum Kernproblem:
Jutta hat es richtig gesagt, der Darm ist ein extrem komplexes Gebilde, dass eben nicht mit anderen Organen verglichen werden kann. Ich hatte damals mit der Uniklinik des Saarlandes in Homburg/Saar ein langes Gespraech zu dem Thema Rueckverlagerung. Die Klinik verfuegt ueber ein enormes Wissen im Bereich Enddarmchirurgie, weil Prof. Fahrtmann in den 80ern sehr viel auf diesem Gebiet geforscht und auch viele OPs durchgefuehrt hat.
Man hat mir erklaert, dass das Zusammenspiel der beiden Schliessmuskeln (externer und interner Sphinkter) so sensibel und fein nerval gesteuert ist, dass es so leicht nicht moeglich ist, dies nachzubilden. Und weiter: wenn die Ampulla rekti gefuellt ist fuehrt ein Nervenimpuls zum Erschlaffen des interne Schliessmuskels. Der externe kann dem gegenueber willkuerlich gesteuert werden (wenn du den Hintern zusammen kneifst ). Dazu kommt noch, das es sich beim den Schliessmuskel um Ringmuskeln handelt, die gleichmaessig nach innen ziehen und damit den Darm verschliessen.
Leider muss ich Jutta auch zum Thema Erforschung des Darmes Recht geben. Hier hat mal mein frueherer Gastroenterologe gemeint, es muesste noch viel mehr im Bereich des Darmes geforscht werden. Man wisse zwar schon extrem viel, aber, so seine Worte, man sei aber doch noch ziemlich hilflos wenn es um CED oder Darmkrebs geht, da vieles ueber die Entstehung und die dabei ablaufenden Prozesse noch im Dunkeln laege.
Leider kann ich nichts positivers dazu sagen. Auch hier in Irland sind wir nicht weiter als die Gracilis-Plastik und auch hier sind die Chirurgen von deren "Performance" nicht wirklich begeistert.
Aus dem feucht-kuehlen, aber langsam sonnigeren Dublin wuensche ich einen schoenen Sonntag...
Bernd
von Sabine049 » 18.05.2008, 09:54
In Windeseile werde mich aber sicherlich noch im Laufe des Tages zu dem sehr brisanten Thema äußern.
@Bernd, Uwe sprach m.E. von einem Ventilverschluss für das Stoma und nicht von der klassischen Rekonstruktion des Sphinkter ani im Sinne der klassischen Gracilisplastik nebst - mittlerweile - Implantation eines Pacemakers = nervaler Impulsgeber.
@Uwe, jou ... "die Würzburger Trompete" war der erstmalige Versuch in den 90-zigern.
Muss mal schnell weg , komme aber wieder .
Liebe Grüße Sabine
von Sabine049 » 18.05.2008, 12:27
Ich melde mich nochmals zu Wort.
Der Darm ist ein komplexes, "vernetztes" filigranes Organ. Aufgrunddessen muss der Darm generell im Gesamtbild des Organismuses betrachtet werden. Lapidar - ein defektes Herz wird heutzutage standardisiert durch ein "Neues" ausgetauscht. Ein Darm wird sich voraussichtlich nicht transplantieren lassen.
Bereits im MA hatten bereits u.a. Paracelsus die Komplexibilität dessen erkannt. M.E. zitierte Goethe?: "Im Darm sitzt der Tod".
Hins. der Schließmuskelrekonstruktionen werden bereits seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts durchgeführt, modifiziert und die Forschung weiter vorangetrieben.
Ein Pionier in der pädiatrischen Chirurgie war damalig Prof. Dr. Fritz Rehbein, der sich primär der Enddarm- und Colochirurgie ("Hirschsprung und Analatresie") verdient gemacht hatte.
Versuche, das Stoma mittels eines mechanischen Ventils oder einer Manschette abzudichten, scheiterten kläglich, u.a. die bereits o.g. "Würzburger Trompete", aber es wird weiterhin an einem "kontinenten" künstl. Darmausgang bzw. an einer Darmtransplantation geforscht, evtl. bestehen berechtigte Hoffnungen in der Gentherapie!?
Zitat JuttaIch könnte dir davon ein Lied singen, da ich die Odyssee durch wahrscheinlich alle Forschungsstationen hinter mir habe
von Sebastian » 18.05.2008, 12:57
Hallo Leute,
hier ist ein Beitrag zu diesem Thema.
Künstlicher Schließmuskel
12.07.07 - Inkontinente Patienten in Niedersachsen können künftig auf eine erfolgreiche Behandlung hoffen.
Erstmals wurde in einer Operation ein künstlicher Schließmuskel eingesetzt, die dem Betroffenen bei der Darmentleerung künftig die Benutzung von Windeln erspart, so Peter Loermann, der Leitende Arzt des St. Franziskus-Hospitals in Lohne.
Dabei wird dem Patienten ein Analband eingesetzt, so dass der Patient seinen Stuhlgang besser kontrolieren kann. Das Analband wird ringförmig um den zerstörten Schließmuskel implantiert berichtete Loer, der den Eingriff vornahm.
Mit Hilfe eines unter der Bauchdeckenhaut liegenden Ventils könne der Patient selbst den mit Flüssigkeit gefüllten Schließmuskelersatz bedienen. Auf diese Weise lasse sich der Darm öffnen. Durch das Zusammendrücken eines ebenfalls unter der Bauchhaut implantierten Ballons könne der Patient den Darm wieder schließen und sei vollständig kontinent. Loermann sagte, die Operation komme bei Menschen in Frage, die krankheits- oder operationsbedingt einen geschädigten Schließmuskel hätten.
Quelle:www.amsel.de/ms/index.php?kategorie=medizin&anr=2267
schönen Gruß
Sebastian
von Sabine049 » 18.05.2008, 13:29
Hi Sebastian,
http://www.stoma-forum.de/topic.php?id= ... =Analband&
Auf das Analband hatte ich bereits im vergangenen Jahr - siehe oben - hingewiesen.
Liebe Grüße Sabine
von Sebastian » 18.05.2008, 13:33
Hallo Sabine,
Dein Hinweis ist in der Versenkung verschwunden gewesen, jetzt ist er wieder da
Viele Grüße
Sebastian
von Jutta B » 19.05.2008, 07:52
Hallo,
auch das Band steckt noch in den Babyschuhen ...
Lt. mehrerer Koriphäen seitens "künstlich-technischer" Lösungen gibt es noch keine auf dem Markt, welche wirklich funktionieren. Nur ein belgischer Proktologe (Privatarzt) forschte, forscht vllt. noch immer, jahrelang an einer besseren Lösung.
So schade es ist, gibt es leider immer noch viele Ärzte die uns hierbei gerne als Versuchskaninchen nehmen, um ihr eigenes Profil "aufzuwerten". Was am Ende bei rauskommt, ist den allerwenigsten einen Pfifferling wert.
LG
Jutta B
von Rosinante » 19.05.2008, 14:27
Das "Analband" in den verschiedensten Ausführungen steckt seit rund 20 Jahren in den Kinderschuhen....
Sabine
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