von pelztier86 » 24.10.2009, 17:28
Hallo,
ich habe ein sehr seltene und schwere Bewegungsstörung des gesamten Verdauungstrakts (chronisch intestinale Pseudoobstruktion), die meinem Magen, den Dünndarm und den Dickdarm betrifft. Der Dickdarm ist mittlerweile komplett entfernt worden und ich habe seitdem ein Ileostoma, das auch nicht zurückverlegt werdeb kann, da das Rektum ebenfalls seinen Dienst versagt und von der Störung betroffen ist.
Leider ist auch meine Blase betroffen. Ich habe dadurch eine neurogene Blasenentleerungsstörung, mein Muskel ist auch einfach zu schwach um meine Blase adäquat entleeren zu können. Deshalb habe ich seit meiner zweiten Darm-Op (Dickdarmresektion) einen suprapubischen Katheter zur Harnableitung. Leider macht der mir nur Probleme und die Symptomatik ist nur zum Teil beherrscht.
Denn leider habe ich nach wie vor Schmerzen und Spasmen in der Blase bzw. der Harnröhre, auch wenn der Urin permanent abläuft; nachts hingegen ist es ganz schlimm, wenn sich etwas Urin in meiner Blase ansammelt, weil der Katheter im Liegen ja nicht permanent abläuft.
Meine Blasenkapazität war vor der Anlage schon sehr gering, nun ist sie noch einmal geringer geworden.
Damals konnte ich schon mehr als 100 ml auf keinen Fall aushalten, schon bei 70 fingen die Schmerzen/Spasmen an.
Deshalb war auch der Selbstkatheterismus nichts für mich, da ich da alle halbe Stunde katheterisieren musste.
Ich habe auch schon alle möglichen Spasmolytika durch, kein Medikament hilft gegen die Spasmen.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Nerven und die Zellen der glatten Muskulatur der Blase mehr und mehr verabschieden werden, denn die Grunderkrankung verläuft meist progressiv und betrifft bei mir sowohl die Nervenzellen im enterischen System als auch die Muskelzellen der glatten Muskulatur.
Ich habe vermutlich mittlerweile auch anatomisch eine Schrumpfblase.
Für mich ist es klar, dass es auf eine Zystektomie plus Anlage eines Urostomas herausläuft, denn meine Lebensqualität wird neben der ganzen Darmgeschichte sehr negativ von der Blasenproblematik beinflusst. Ich nehme mittlerweile starke Schmerzmittel (BTM), aber auch das hilft nicht wirklich gegen die Spasmen in der Blase/Harnröhre und ist für meinen Darm auchg nicht gut.
Meine Frage nun: Hat jm. wegen einer ähnlichen Indiaktion (neurogene Blase/Schrumpfblase) ein Urostoma bekommen und wenn ja welches?
Da ich noch sehr jung bin (23) und keinen Tumor habe, zögern die Ärzte, zumal sie auch nicht wissen, wie sich ein Urostoma auf meine Darmfunktion auswirken könnte.
Denn in jedem Fall müsste ja ein Stück Darm geopfert werden für die ANlage des Urostomas..
Eiegentlich ist je ein Pouch die elegantere Lösung, aber ich weiß nicht, ob das bei mri eine gute Idee ist, weil da ja mehr Dünndarmmaterial, was bei mir ja auch schon erkankt ist (allerdings nicht so heftig wie der Dickdarm) benötigt wird und so evtl. auch Probleme machen könnte. Allerdings ist der Pouch ja nur ein Reservoir und muss aktiv ja nicht arbeiten, so dass es nicht so gravierende Folgen haben dürfte. Aber man weiß es eben nicht. Andererseits ist ein klassisches Ileumconduit vermutlich unkomplizierter und einfacher.
Was sind denn die Vor- und Nachteile von beiden Varianten im Allgemeinen?
Hat jemand dazu eine Idee oder einen Vorschlag..freue mich über jeden Kommentar.
Und sorry für die Länge des Posts.
Sarah
von hmengers » 24.10.2009, 19:40
Hallo Sarah,
eine neurogene Blasenstörung ruft nach einem qualifizierten Neuro-Urologen. Hat schon einmal ein solcher Spezialist eine Meinung abgegeben? Ein nicht darauf spezialisierter Urologe ist bei Dir möglicherweise die falsche Adresse.
Vergleichbare Probleme (Schrumpfblase, Spastik etc.) sind ja ein Hauptprobleme auch bei einer Querschnittlähmung. Als (halb-)Laie könnte ich mir vorstellen, dass auch bei Dir eine funktionelle Elektrostimulation nach Brindley (ocder eine Neuromodulation der Blase) eine Alternative wäre. Der Sphinkter wird lahmgelegt und dann die Blase wird mit Sender/Empfänger entleert. Ich kenne einige Fälle, vorher 100 ml Blasenvolumen, nach der OP 4-500 ml. (Habe selbst auch einen "Brindley")
Du kannst mir dazu auch eine PN schicken und wir können auch mal telefonieren.
Herbert
von pelztier86 » 24.10.2009, 20:06
Hallo Herbert,
danke für deine Antwort.
Das Problem ist, dass ich kein "normaler" Fall von neurogener Blase bin.
Ich war zum Beispiel schon in Mannheim, angeblich einer der besten Urologie-Adressen in Deutschland.
Dort behandeln sie solche Fälle, die vor allem wie du richtig sagst an Nervenerkrankungen wie MS oder Parkinson leiden, erfolgreich mit einem Blasenschrittmacher.
Das würde mir wahrscheinlich nicht viel bringen, da die Nervenstörung nicht vom zentralen Nervensystem im Rückenmark ausgeht, sondern direkt die Nerven in der Blase UND deren glatten Muskulatur betrifft, die einfach immer mehr degeneriert. Jedenfalls wussten die dort auch keine richtige Antwort. es ist bei mri wirklich trial and error.
Es wurde auch schon die Sakralstimulation angesprochen, aber auch da rechnet man mit nur geringen Erfolgschancen.
Was meinst du genau mit der Elektrostimulation?
Ich habe ja ein ähnliches Problem mit meinem Rektum, und da dachte man zunächst auch, man könne mir mit einer Elektrostimulation des Schließmuskels helfen. Leider brachte mir das rein gar nichts.
Wüsstest du denn eine gute Adresse?
Ich bin mittlerweile auf die Idee gekommen eher nach Neurochirurgen mit Spezialisierung auf die Beckenorgane zu suchen, weil normale Urologen (und auch solche mit Spezialisierung auf Neurologie) mit meinem Fall überfordert sind. Es gibt da einfach auch keine Erfahrungswerte, weil die Grunderkrankung so extrem selten ist.
Sarah
von hmengers » 25.10.2009, 12:13
Hallo Sarah,
die - nicht nur meiner Meinung nach - qualifizierteste Neurourologie (oder zumindest eine der besten, um keinem auf den Fuß zu treten) im deutschsprachigen Raum ist in der Werner-Wicker-Klinik in Bad Wildungen mit den beiden Chefärzten Dr. Kutzenberger und Dr. Domurath. Von den bisher insgesamt rund 1.200 Operationen mit "Brindley" oder Neurostimulation wurden über 80 % dort vorgenommen.
Ich denke, zumindest im Sinne einer ärztlichen Zweitmeinung solltest Du dort vorsprechen. Gerade bei einer so seltenen Erkrankung wie bei Dir könnte die Erfahrung ein wichtiger Aspekt sein.
Mit FES meine ich die Sakralstimulation und wenn es um eine Neoblase gehen sollte, dann bist Du da auch richtig.
lg.
Herbert
von weili » 29.10.2009, 20:16
Hallo Sarah,
meine Güte, Du bist noch so jung und so eine Krankengeschichte.
Hatte auch so Probleme mit meiner Blase.Bei einer Op wurde die Blase angeschnitten, dann oft operiert, bei Entfernung der Niere durch einen Dauerkatheter wieder die Blase verletzt,lange Zeit suprabubischen Katheter, Blasenteilentfernung, Schrumpfblase, Selbstkathetern, dann Blasenentfernung ohne Ileumkonduit, alle 6 Wochen Splintwechsel,dann Nierenfistel und letztendlich in München wurde mir ein Urostoma mit Ileumkonduit angelegt. Mir gehts gut.Bin froh diesen Schritt gewagt zu haben. Weniger Schmerzen ( bekomme aber immer noch BTM), keine Krämpfe, kein Nierenstau.
Wünsche Dir alles Gute
Weili
von Sabine049 » 29.10.2009, 21:01
Hallo Sarah,
schaue momentan nur sporadisch im Forum vorbei, weil anderweitig vollends ausgelastet, sodass sogar zwingend erforderliche Arztbesuche ( Richtung Herbert) verschoben werden.
Wie Du bin ich ebenfalls eine Exote/Rarität in der Medizin. Infolge eines komplexen Fehlbildungssyndroms schrumpfte meine Blase auf ein "5-DM-Stück". Nachdem alle konservativen Behandlungskonzepte fehlgeschlagen hatten, wurde mir 1987 wg. einer "low compliance bladder" eine Neoblase angelegt quasi bis auf den Blasengrund belassend wurde eine Ersatzblase aus Dünndarmsegmenten geschaffen, die ich über die Harnröhre mehrfach tägl. abkatheterisiere.
Da mein Schließmuskelapparat spastisch gelähmt und sich in keinster Weise relaxieren läßt, konnte die Harnröhre zwecks ISK erhalten werden. Im Falle das ... könnte allerdings eine Umleitung über den Bauchnabel mittels eines "Nippels" - dito aus Dünndarm - ausgeleitet werden!
Wenn ich wieder mehr Muse zum Schreiben finde, können wir uns gern gedanklich austauschen.
Aber der Herbert ist diesbzgl. schon ein "As" - ein kompetenter weitsichtiger User !
Liebe Grüße und ein
Herzliches Willkommen |
von nordlicht » 30.10.2009, 20:39
hallo liebe sarah
ich habe ein urostoma bekommen weil ich nach diversen
bestrahlungen eine schrumpfblase bekam.
sie war praktisch nur kirschkerngross.
musste alle paar minuten auf WC da sie bei dieser
"grösse" oder eher "winzigkeit" ruckzuck gefüllt war.
kann mit beiden stomata sehr sehr gut leben.
kopf hoch und viele grüsse von martina
von pelztier86 » 31.10.2009, 23:20
danke für die Antworten!
an alle mit einem Urostoma: Habt ihr oft Probleme mit Infektionen?
Ich habe gelesen, dass die Pflege eines Urostomas viel komplizierter ist als bei einem fäkalen Stoma und dass man darauf achten muss, möglichst steril zu arbeiten.
Was sind denn genau die Gründe für die Anlage eines Urostomas/Ileum-Conduit und wann wird ein Pouch gemacht?
Gibt es da spezielle Indikation/Kontraindikationen?
Was sind denn den Vor/Nachteile der beiden Varianten?
von pelztier86 » 01.11.2009, 22:51
was ich vergessen habe zu erwähnen:
mein Sphincter scheint in ordnung zu sein bzw. hat sogar einen recht hohen Tonus.
das eigentliche Problem liegt aber am Detrusor, also dem Blasenmukel. Der ist laut Urodynamil quasi akontraktil. Diagnose hieß damals: neurogen. Blasenentleerungsstörung infolge akontraktilen Detrusors. Auch die Beckenmuskulatur spielt dabei keine Rolle, es it wirklich der Blasenmuskel.
Nun habe ich irgendwo gelesen, dass eine Sakral/Neurostimulation v.a. bei Störungen des Sphincters wirkt, da dieser dann aufgrund des Impulses erschlafft. Aber der Sphincter ist ja nicht das Hauptproblem, sondern der Detrusor. Und eine reine HArnableitung würde mir auch nichts mit der Spastik/Schmerzen ind er Blase nützen. Selbst wennd er Urin schön über den Bauchdeckenkatheter abläuft, habe ich Probleme.
von Webkänguru » 02.11.2009, 14:09
Hallo pelztier86,
zu deinem letzten Beitrag kann ich dir leider nicht viel sagen, da ich mich speziell mit dieser Problematik kaum auskenne.
Aber zur Pflege des Urostomas kann ich dir Infos geben. Ja, das Risiko von Infektionen (Harnleiterinfekte, etc.) ist etwas höher. Deshalb haben die Urostomiebeutel eine Rücklaufsperre, damit keine Keime über das Stoma zurück gelangen können.
Beim Wechsel der Versorgung muss nicht steril gearbeitet werden. Beim Urostoma-Versorgungswechsel werden genau wie beim Darmstoma unsterile Kompressen zur Reinigung empfohlen, ebenso normales Leitungswasser, etc.
Viele Grüße,
euer Webkänguru
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